Ab dem Schuljahr 2026/27 besteht für Grundschüler von der ersten bis zur vierten Klasse ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Für viele Kommunen eine echte Herausforderung, weil sie ihre Grundschulen bedarfsgerecht ausbauen müssen.
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Kreis Ludwigsburg Förderung wird zum Glücksspiel
Fakt ist: Ab dem Schuljahr 2026/27 haben Kinder im Grundschulalter Anspruch auf Ganztagsbetreuung. Dass die Verteilung der Hilfsgelder nun dem Zufall überlassen werden soll, stellt Städte und Gemeinden vor Herausforderungen.
Dafür gibt es zwar Fördergelder: 380 Millionen Euro stellt das Land Baden-Württemberg zur Verfügung. Bis zum 22. April sind allerdings schon Abträge über 1,2 Milliarden Euro eingegangen. Diese wurden beim Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) bislang nach dem Windhundprinzip bearbeitet, das heißt nach Eingang des Antrags. Laut RPS soll nun ein zusätzliches Los über die Förderung entscheiden. Was bedeutet das für die Kommunen im Landkreis Ludwigsburg? Die BZ hat nachgefragt.
Mehrere Anträge auf Förderung
Wie Anette Hochmuth vom Presseamt Bietigheim-Bissingen erklärt, sind drei von fünf Grundschulen in der Stadt bereits Ganztagsschulen in Wahlform. Weiterhin sind an allen Grundschulen Betreuungsangebote, wie die Kernzeitbetreuung, vorhanden.
Bietigheim-Bissingen hat zudem mehrere Anträge auf Zuschüsse aus dem Förderprogramm gestellt. „Die Unsicherheit einer Berücksichtigung und die Auswahl per Los wird auch bei uns beklagt“, sagt Hochmuth. Die Stadt wird demnach Maßnahmen prüfen, beziehungsweise hat dies bereits getan, um deren Umsetzung dennoch zu realisieren.
Durch die bereits vorhandenen Betreuungsangebote werden bereits städtische Beschäftigte zur Betreuung eingesetzt. Diese Mitarbeiter sollen dann weiterhin in der Ganztagsbetreuung eingesetzt werden. Der Personalbedarf wird anhand der Anmeldezahlen zur Schulkindbetreuung der Personalbedarf stetig angepasst, so Hochmuth. Es sei aber nicht möglich, alle zusätzlich benötigten Stellen sofort zu besetzen. „Wir blicken dem Rechtsanspruch dennoch optimistisch entgegen“, sagt sie. Allerdings seien die Gewinnung von Personal und die finanzielle Unsicherheit bei den Fördermitteln weiterhin eine Herausforderung für die Stadt.
Die Stadt Freiberg stellte ebenfalls Anträge auf Förderung für den Ausbau der Ganztagsbetreuung. Zwei der drei Freiberger Grundschulen sollen am Kasteneck zusammengeführt werden. „Dort werden unter anderem entsprechende Räume sowie eine Mensa gebaut“, erklärt Bürgermeister Jan Hambach.
9,3 Millionen Euro werden für diesen Umbau benötigt. So soll eine fünfzügige Grundschule mit Ganz- und Halbtagsbetreuung entstehen. „Je nachdem, wie viele Anmeldungen eintreffen, können dann auch Betreuungen an nur drei oder vier Tagen in der Woche nötig werden.“ In allen drei Grundschulen der Stadt ist das Personal unterbesetzt, sagt Hambach. Zur Unterstützung werden regelmäßig Aushilfen eingesetzt.
Falsche Versprechungen
Über die Verteilung der Förderung per Los ist auch Jan Hambach nicht erfreut. „Da wird auf Bundesebene Unterstützung versprochen und dann werden diese Erwartungen nicht erfüllt. Besonders für kleine Kommunen ist es schwierig, wenn der Ausbau nicht gefördert wird“, sagt Hambach. Zum Zeitpunkt des Gesprächs mit der BZ habe die Stadt Freiberg die Nachricht erhalten, dass die Verteilung der Förderung in angemessener Zeit verkündet wird. Wann genau das der Fall ist, war jedoch noch unklar.
Der Schultes bleibt trotzdem optimistisch. „Wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken. Ich hoffe aber auch auf ein Umdenken der Regierung. Die Kommunen, die auf die Fördermittel angewiesen sind und nun keine erhalten, haben dann richtige Probleme. Dann muss eingespart werden, um den Ausbau selbst zu finanzieren.“
Sachsenheim hat für zwei Schulen Anträge auf Förderung für den Ausbau der Ganztagsbetreuung gestellt. „Dies betrifft den Um- und Ausbau der Kirchbachschule in Hohenhaslach und den Umbau der Gemeinschaftsschule am Sonnenfeld (GMS) in Großsachsenheim“, sagt Pressesprecher Arved Oestringer.
Derzeit gibt es genügend Personal
In der GMS fehlen demnach derzeit Räume für die Ganztagsbetreuung. Diese werde an der Kirbachschule in der Grundschule noch nicht angeboten. „Sollten die Fördermittel ausbleiben und sich der Umbau dadurch verzögern, kann das zu einem Raumproblem werden“, sagt Oestringer. Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor, denn durch den möglichen Wegfall der Werkrealschulabschlüsse steht der geplante Gesamtumbau der Kirbachschule derzeit sowieso auf etwas wackligen Füßen (BZ berichtete).
Besser sieht es beim Personal aus. Das sei an den Sachsenheimer Grundschulen ausreichend vorhanden, so Oestringer. Aufgrund des deutlich steigenden Bedarfs könnte es absehbar aber zu Personalengpässen kommen. „Wir erarbeiten derzeit Konzepte und planen so, dass dieser Effekt bestmöglich abgemildert werden kann.“
Wenig erbaut ist die Stadt über die Mittelzuteilung per Losverfahren. „Damit werden nicht nur die Kommunen, sondern auch Tausende Eltern mit enttäuschten Erwartungen im Regen stehen gelassen“, findet der Pressesprecher und ergänzt: „Wir sind für die notwendige Erweiterung der Grundschule an der GMS als auch für die Entwicklung der Kirbachschule zur Ganztagsgrundschule dringend auf die von uns beantragten Fördermittel angewiesen und können uns eigentlich nicht vorstellen, dass es bei der Zuteilung der Fördergelder ausschließlich beim Losglück bleibt. Wir erwarten, dass entsprechend nachjustiert wird.“
Ziel sei es, die Herausforderungen, die durch den Rechtsanspruch entstehen, anzugehen und Lösungen zu entwickeln. „Die Landespolitik macht die Vorgaben und die Kommunen setzen sie um – das ist an sich das übliche Vorgehen. Wir appellieren allerdings daran, mehr Verlässlichkeit im politischen Vorgehen walten zu lassen. Bürgermeister Albrich wird die Kritik am vorgesehenen Losverfahren in einem Schreiben an Frau Ministerin Schopper verbunden mit Lösungsvorschlägen zum Ausdruck bringen“, teilt er mit.
Auch die Stadt Ludwigsburg befasst sich laut Pressestelle intensiv mit der Thematik und bereitet sich auf die steigenden Schülerzahlen in der Betreuung vor. 13 Anträge auf Förderung für neun Schulen wurden gestellt. „Alle Anträge wurden fristgerecht bis zum 22. April eingereicht. Wir müssen zunächst abwarten, was das Losverfahren für die beantragten Projekte bedeutet“, sagt Pressesprecher Peter Spear. „Da das im Vorfeld vom Land anders kommuniziert wurde, stellt dies auch uns vor Herausforderungen.“
Kein Problem mit Räumen
An allen Ludwigsburger Grundschulen gebe es ausreichend Platz für die Ganztagsbetreuung. Allerdings: „Wie auch in anderen Bereichen ist die Personalsituation im Betreuungsbereich angespannt. Deshalb können wir aktuell nicht an allen Standorten die vorhandene Platzzahl voll ausschöpfen.“
Bereits jetzt böten alle Grundschulen ohne Ganztagsbetrieb im Rahmen der Schulkindbetreuung eine Betreuung von 7 bis 17 Uhr an. Das Modell der Schulkindbetreuung werde auch nach Inkrafttreten des Rechtsanspruches an Schulen ohne Ganztagsbetrieb weitergeführt, eine konkrete Ausgestaltung stehe aber aktuell noch nicht fest.
„Wir gehen davon aus, dass mit Inkrafttreten des Rechtsanspruchs etwa zehn Prozent mehr Kinder einen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen werden. Das Thema Personalakquise für den Betreuungsbereich wird uns weiterhin stark in Anspruch nehmen.“ Insgesamt sieht sich Ludwigsburg aber auf einem guten Weg, den Rechtsanspruch zur Ganztagsbetreuung umsetzen zu können, so der Sprecher der Stadt Ludwigsburg weiter.