Regionale Tierwelt im Klimawandel Sind alle Vöglein schon da?

Von Bigna Fink
Der Zilpzalp ist wie der Hausrotschwanz Mittelstreckenflieger und seit März wieder bei uns. Regionale Vogelzähler sichten immer häufiger auch die kleinen, lauten Vögel im Winter. Foto: Uwe Mollenkopf

Es zwitschert und fliegt in der Region mittlerweile fleißig. In der heimischen Welt der Gefiederten beobachten drei Experten aus der Region Veränderungen, vermutlich verursacht vom Klimawandel.

Welch ein Singen, Musiziern, Pfeifen, Zwitschern, Tierelier’n: Ende Februar sind die ersten Vögel aus dem Süden zurück nach Deutschland gekehrt. Bis in den Mai hinein treffen die Nachzügler ein wie die Nachtigall und der Mauersegler.  Viele heimische Vögel wie Amsel, Drossel, Fink und Star sind bereits in der Brutzeit, beginnen Nester zu bauen und Eier abzulegen.

Vogelkundler, auch Ornithologen aus der Region, beobachten in den vergangenen Jahren Veränderungen im Verhalten einiger Vogelarten und sehen den Klimawandel als einen Hauptverursacher davon. Aufgrund der wärmeren Winter überwintern mehr Vögel hier, oder kehren früher aus dem Süden zurück, einige brüten früher, neue wärmeliebende Vogelarten werden gesichtet, so die Tendenz aus Fachkreisen und Studien. Der Klimawandel verursache ein ökologisches Missverhältnis zwischen Vögeln und ihrer Insektenbeute, heißt es etwa vom renommierten Ornithologen Franz Bairlein im Fachmagazin Science. Sprich, Vögel kehren früher heim in unsere Gefilde, aber die Insekten hier sind noch nicht so weit.

Kommt der Kuckuck zu spät?

Aktuell kehren die Langstreckenflieger aus Zentralafrika zurück, wie die Kuckucke und die Mehlschwalben. „Den Kuckuck erwarte ich jederzeit“, sagt Ann Marie Ackermann, eine leidenschaftliche Hobby-Ornithologin aus Bönnigheim In der Fachwelt gilt das graue turmfalkengroße Tier als beispielhafter Zugvogel, der vom Klimawandel bedroht ist. Mit dem früher beginnenden Frühling bei uns könnte der sowieso schon seltener werdende Nestparasit es bisweilen nicht mehr schaffen, fremde Nester für seine Eier zu finden, so die Befürchtung etwa vom NABU Deutschland: Viele Wirtsvögel, wie etwa der Hausrotschwanz, sind zeitiger dran als früher und haben dann schon ausgebrütet.

Ann Marie Ackermann und auch der renommierte Vogelkundler Prof. Dr. Claus König aus Ludwigsburg beobachten allerdings auch beim Kuckuck eine Anpassung in unserer Region: „Der Kuckuck kehrt mittlerweile etwas früher zurück“, so König.

Mehr Gezwitscher im Winter

„Die Beobachtungszeit der wärmeren Phasen ist noch relativ kurz und wir haben noch zu wenige Daten“, sagt Claus König, „deshalb sprechen wir vorsichtig von gewissen Anzeichen, dass der Klimawandel einen Einfluss auf die Vogelwelt hat.“ Ähnlich äußern sich die hier befragten Vogelexperten Ann Marei Ackermann und Ronald Meinert. Claus König war in die Mitte der 80er Jahre Präsident des Deutschen Bundes für Vogelschutz (DBV, heute NABU). Rund 30 Jahre hat er am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart als Ornithologe, zuletzt als dessen Direktor gearbeitet. „Der Zilpzalp und der Hausrotschwanz etwa kommen mittlerweile recht früh, Ende Februar, wieder aus den Mittelmeergebieten zu uns“, weiß der 89-Jährige, „zum Teil gibt es sogar Überwinterungsversuche.“ Sie suchen Stellen wie etwa Werkhallen, wo sie sich wärmen können, so König.

Da im März noch wenige Insekten zu finden sind, ernähren sich die Vögel gerne auch von Efeufrüchten, die im Winter heranreifen, erzählt König. Seine Garage sei mit Efeu überzogen. „So kann ich dort ganzjährig Insekten und Vögel beobachten, die sich daran erfreuen.“ Auch Fallobst sei gefundenes Winterfressen für Vögel, und in altem Holz fänden sich Spinnen und andere Insekten. Überwinternde Vögel lieben zudem Weintraubentrester, also den Rückstand vom Pressen der Weintrauben, laut Vogelexpertin Ackermann.

Winterbeobachtungen von Vögeln, die normalerweise in den Süden ziehen, nehmen in der Region grundsätzlich zu laut Ronald Meinert. Der Unterriexinger ist Regionalkoordinator der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Landkreis Ludwigsburg und hat seit 2010 die Sammlung von Vogelbeobachtungen im Kreis übernommen. So sind die Zahlen von Hausrotschwanz, Singdrossel und Zilpzalp in den letzten zehn Jahren sichtbar gestiegen. Wurden in den Jahren 2012 bis 2019 durchschnittlich sechs Zilpzalpe im Kreis gesichtet und gemeldet, waren es von 2020 bis 2023 bereits rund 55.

Neue Art in der Region gesichtet

An kälteres Klima angepasste Arten nehmen ab, an wärmere Bedingungen angepasste Arten zu, heißt es im Journal of Ornithology. Auch Ann Marie Ackermann kennt solche Beobachtungen. Die Bönnigheimerin ist beim NABU Erligheim aktiv und bei der ornithologischen Gesellschaft Baden-Württemberg. Mit ihrem Fernglas ist sie im Frühjahr etwa zweimal die Woche zur Vogelbeobachtung und -zählung in der Natur.

„Die Zaunammer konnte ich vor circa vier Jahren zum ersten Mal hier in der Region beobachten, bei Cleebronn“, erzählt die Vogelkundlerin. Sie erwartet die Vögel, die bisher im Süden Europas und in Nordafrika vorkommen, jederzeit bei uns. Laut Ronald Meinert wurden die kleinen Vögel mit ihren schwarz-gelb gestreiften Köpfchen bereits im Vaihinger Stadtteil Rosswag gesichtet. „Die Zaunammer hat Reviere hinter Tripsdrill und ist eine Art, die sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren über die Landkreisgrenze ausdehnen und bei uns brüten wird“, ist Ackermann gespannt.

Mithelfen beim Erforschen der regionalen Vogelwelt

Bei Ronald Meinert in Unterriexingen laufen die Zahlen des Kreises zusammen: Der Vogelkundler sammelt für die ornithologische Gesellschaft Baden-Württemberg Vogelmeldungen in einer Datenbank. Dazu geben Freiwillige auf der Meldeplattform ornitho.de Sichtungen von Vogelarten an. Das hilft, Entwicklungen der lokalen Vogelpopulation zu erfassen. Meinert freut sich über einen Zulauf an Meldern.

Vom 12. bis 14. Mai ist auch wieder die „Stunde der Gartenvögel“, die große NABU-Vogelzählung. Naturliebhaber sind aufgerufen, Vögel zu notieren und dem Naturschutzbund zu melden.

 
 
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