RKH-Kliniken Ludwigsburg „Es gibt derzeit keinen Impfstoff gegen Krebs“

Von Gabriele Szczegulski
Dr. Matthias Ulmer. Foto: /RKH-Kliniken

Dr. Matthias Ulmer, Ärztlicher Leiter des Krebszentrums Nordwürttemberg an den RKH-Kliniken Bietigheim-Ludwigsburg über Krebstherapien in der klinischen Erprobung.

Schlagzeilen über neueste Erkenntnisse in der Krebsforschung und neue Therapien gebe es fast täglich, sagt Dr. Matthias Ulmer, der am RKH-Klinikum Ludwigsburg das Krebszentrum Nordwürttemberg leitet. Vor allem mRNA-Impfstoffe werden in diesem Zusammenhang immer wieder genannt, nachdem sie als Corona-Impfstoffe so gute Wirkung erzielten. „In der Forschung ist die mRNA-Technik schon seit Jahren in der Entwicklung als potenzieller Krebsimpfstoff. Als ein Impfstoff gegen Covid 19 benötigt wurde, wurde dieser aus dieser Grundlage entwickelt“, sagt Dr. Ulmer. „Der Corona-Impfstoff war praktisch ein Nebenprodukt der Krebsforschung“, so der Onkologe. Der Vorteil bei der mRNA-Technologie sei, so Ulmer, dass „ganz schnell daraus ein Impfstoff für ein neues Ziel, hier also Covid, entwickelt werden kann, was Biontech dann ja auch getan hat.“ Totimpfstoffe benötigten, so der Mediziner, eine längere Zeit der Entwicklung.

Es sei verständlich, so Ulmer, dass Menschen mit fortgeschrittener Krebserkrankung die Sorge haben, dass ihnen neue Therapieansätze, die in den Medien als neue Hoffnung gefeiert werden, vorenthalten werden. „Wir Onkologen sind natürlich daran interessiert, die besten Therapien für unsere Patienten auszuwählen, also sind wir ganz dicht dran an der Forschung“, sagt er, „wir enthalten ihnen keine sinnvollen und in ihrer Wirkung durch Studien bestätigte Therapien“.

Krebs ist nicht gleich Krebs

Bis zum heutigen Zeitpunkt aber, so stellt er klar, gebe es in der Therapie maligner Erkrankungen keinen zugelassenen Impfstoff, der auf der mRNA-Technik basiere. Seit Jahrzehnten werde die Idee, einen Impfstoff gegen Krebszellen zu entwickeln, verfolgt. Dies sei, so Ulmer, schwierig, da es keine allgemeingültigen Eigenschaften einer Krebszelle selbst bei gleicher Erkrankungsart gebe. Die einzige zugelassene Impfung gebe es gegen Harnblasenkrebs, und diese sei auf Grundlage der Tuberkulose-Impfung entstanden. Diese werde nach Entfernung oberflächlicher Tumoren vorbeugend zur Verhinderung eines Rückfalls lokal angewendet. Zudem gibt es Impfstoffe, die das Risiko bestimmter Krebserkrankungen reduzieren können. Zum Beispiel die Impfung gegen das HP-Virus.

Jedoch habe man in der Onkologie durchaus Hoffnung, dass auf Basis der mRNA-Technologie in fünf bis zehn Jahren ein Impfstoff entstehen könne, der dann auch in der klinischen Routine zur Verfügung steht. „Vor Corona gab es die Angst, dass ein mRNA-Impfstoff auf die genetische Information der körpereigenen Zellen Auswirkungen habe, aber das ist rein physiologisch nicht möglich“, sagt Ulmer. Denn die „Blaupause zur Herstellung eines Eiweißstoffes“ könne nicht in die DNA eingreifen und eine Genveränderung herbeiführen. Viele Hindernisse seien aber noch zu überwinden, bis es einen mRNA-Impfstoff gegen Krebs gebe: „Letztendlich soll durch die Impfstoffe das Immunsystem dazu gebracht werden, den Krebs zu bekämpfen. Ein potenzielles Risiko besteht darin, dass das Immunsystem körpereigene Organe angreift.“ Zudem besitzt jeder Krebs unterschiedliche molekulare Eigenschaften, die sich im Lauf einer Erkrankung auch verändern können.

Momentan werden verschiedene Immuntherapien in der Krebsbehandlung eingesetzt, auch hier sei die Gefahr, dass das Immunsystem körpereigene Organe angreift. „All das hat dazu geführt, dass es bis jetzt noch keine wirksame Impfung gegen Krebserkrankungen gibt, die zuverlässig und langfristig hilft“, sagt Ulmer.

Im Krebszentrum Nordwürttemberg werden viele Patienten innerhalb aktueller klinischer Studien behandelt. Eine Phase 3-Studie mit mRNA-Impfstoffen gegen Krebserkrankungen ist aktuell jedoch noch nicht verfügbar. „Aber andere immunologische Verfahren wie Checkpointinhibitoren, CART-Zelltherapien oder bispezifische Antikörper sind eben schon weiter“, sagt Ulmer. Für ihn spricht für eine mögliche Heilung immer noch die Früherkennung.

 
 
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