RS-Virus im Kreis Ludwigsburg „Kinderklinik kurz vor dem Kollaps“

Von Gabriele Szczegulski
Das RS-Virus grassiert derzeit in Kitas, viele Kinder müssen in den Kinderkliniken behandelt werden. Grund für die erhöhten Infektionszahlen ist auch, dass im Lockdown kaum Infektionen auftraten und die Kinder nun ein schwaches Immunsystem haben. Foto: Friso Gentsch

Die hohe Ausbreitung des RS-Virus ist laut dem Leiter der Ludwigsburger Kinderklinik, Professor Dr. Jochen Meyburg, eine Katastrophe. Grund für die hohen Infektionszahlen sind die ausgefallenen Krankheiten im Lockdown, da dadurch die Immunabwehr der Kinder geschwächt ist.

Corona ist in aller Munde. Fast unbemerkt aber hat sich ein eigentlich jährlich wiederkehrendes Virus stark verbreitet und dieses macht vor allem Säuglingen und Kleinkindern zu schaffen: das RS-Virus (siehe Infokasten). Die Kinderkliniken laufen voll, wie der Ärztliche Direktor der Kinderklinik im RKH-Klinikum Ludwigsburg, Prof. Dr. Jochen Meyburg, sagt: „Wie auch andere Kinderkliniken im Land steht auch unsere kurz vor dem Kollaps“.

Isolierstation der RKH-Kliniken immer voll

Man habe auch schon Kinder in andere Krankenhäuser der Region bringen müssen oder aber Kinder aus anderen Kliniken aufgenommen. Das Virus gebe es seit Jahren mal in stärkeren, mal in leichten Wellen, sagt Meyburg, der seit 30 Jahren Kinderarzt ist und seit zwei Jahren die Kinderklinik in Ludwigsburg leitet. „Doch in all den Jahren habe ich es noch nicht erlebt, dass so viele Kinder betroffen sind“, sagt er.

In Ludwigsburg können 22 Kinder auf einer Isolierstation aufgenommen werden und diese ist seit zwei Wochen ständig voll belegt. „Wir entlassen zehn Kinder und am selben Tag bekommen wir zehn eingeliefert“, so der Kinderarzt. „Die Lage ist katastrophal“. Wenn es noch mehr Infektionen gebe, seien die Kapazitäten in den Kinderkliniken erreicht. Denn: Das Virus ist hoch ansteckend, die Kinder müssten von anderen Kranken streng isoliert werden.

Grund für die extreme Ausbreitung der Krankheit in diesem Jahr ist laut Meyburg die derzeit schlechte Immunabwehr von Kleinkindern. „Zwei Winter lang haben die Kinder kaum Infektionen wegen des Lockdowns und der Schließung der Kindergärten bekommen, ihre Immunabwehr ist im Keller“, sagt er. Infektionen hinterlassen bei Kindern einen höheren Immunschutz, den sie momentan nicht haben, so Meyburg. Zudem bleibe das RS-Virus  meist unbemerkt, da die meisten Kinder einen leichten Verlauf haben.

Zwar gebe es Fälle, die tödlich enden, so Meyburg, das habe er aber noch nie erlebt. Die Krankheit aber habe besonders bei Säuglingen einen schweren Verlauf, einen hohen Betreuungsaufwand und es gebe Fälle, die tödlich enden. Die Kinder leiden an Husten und Atemnot. Säuglinge, so Meyburg, stellen, weil sie so schwach und erschöpft infolge der Infektion sind, das Trinken ein, sodass sie Flüssigkeit per Tropf bekommen müssen. „Die Bronchien schwellen vor allem bei Säuglingen an, bei kleinen Bronchien ist das ein großes Problem“, sagt Meyburg. In die Klinik, so der Ärztliche Direktor, kämen nur die schwerkranken Kinder und Säuglinge, aber: „Ich weiß, dass die Eltern mit kranken Kindern den Kinderärzten gerade die Bude einrennen.“ Genaue Zahlen gibt es nicht, da das RS-Virus nicht meldepflichtig ist.

Keine Impfung gegen das RS-Virus

Für Hochrisikopatientinnen und -patienten wie Frühgeborene oder Babys mit angeborenem Herzfehler gibt es eine RSV-Prophylaxe, die kurzfristig Schutz bietet, aber keine aktive Impfung ist. „Wir hoffen nun alle auf die neuen mRNA-Impfstoffe, dass diese auch für das RS-Virus modifiziert werden können.“

Die Ansteckung erfolge „zu 100 Prozent“ in den Kindergärten. Andreas Fritz, Sprecher des Gesundheitsamts des Kreises, bestätigt, dass es in vier Kindertagesstätten im Kreis einen großen Ausbruch des RS-Virus gab. Dem Landratsamt sei bekannt, dass es im Moment eine „heftige Welle“ gebe, so Fritz. Gegen eine Ausbreitung, so Meyburg, helfe nur „Hygiene, Hygiene und nochmals Hygiene und Kinder mit Erkältungssymptomen sollten dringend zu Hause bleiben“.

Was ist das RS-Virus?

Das Respiratorische Synzytial-Virus (kurz RS-Virus oder RSV) ist ein weltweit verbreiteter Erreger von Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege. Am häufigsten treten RS-Virus-Infektionen in den ersten zwei Lebensjahren auf. Bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum Alter von zwei Jahren ist das RSV der häufigste Auslöser von akuten Infektionen der unteren Atemwege. In den ersten drei Lebensmonaten können diese besonders schwer verlaufen. Frühgeborene, Kinder mit Vorerkrankungen der Lunge sowie Kinder mit Herzfehlern haben ein besonderes Risiko für schwere RSV-Verläufe.

Die Übertragung erfolgt vor allem durch Tröpfcheninfektion oder indirekt über kontaminierte Hände, Gegenstände oder Oberflächen. Ist man infiziert, kann man bereits einen Tag nach der Ansteckung und damit noch bevor erste Symptome auftreten, infektiös sein. Die Dauer der Ansteckungsfähigkeit beträgt in der Regel drei bis acht Tage und klingt meist innerhalb einer Woche ab. Frühgeborene, Neugeborene und Menschen mit geschwächtem Immunsystem können das RS-Virus aber auch noch über mehrere Wochen, im Einzelfall sogar über Monate ausscheiden und andere infizieren.

 
 
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