Sachsenheim beschließt Verkehrsentwicklungsplan bis 2030 Radwegenetz soll ausgebaut werden

Von Heidi Vogelhuber
Sachsenheim versucht unter anderem das massive Verkehrsproblem in der Innenstadt in den Griff zu bekommen. ⇥ Foto: Werner Kuhnle

Rad- und Fußverkehr werden im Verkehrsentwick­lungs­­­plan bis 2030 vorrangig behandelt. Ein Drittel der Autos soll von den Straßen.

Willkommen zum Maskenball“, eröffnete Sachsenheims Bürgermeister Holger Albrich die Sitzung des Technischen Ausschusses am Donnerstagabend. Die Stadtverwaltung hatte sich entschlossen, als Sicherheitsmaßnahme die Mund-Nasen-Bedeckung die komplette Sitzung über auf zu behalten. Jeweils nach etwa einer Stunde wurde gelüftet sowie von den Ausschussmitgliedern eine kleine Runde an der frischen Luft gedreht.

Das Abkühlen tat dem einen oder anderen Ratsmitglied auch gut, denn die Diskussion zum Verkehrsentwicklungsplan 2030 wurde hitzig geführt und gipfelte in einem spontanen Antrag, den Grünen-Rat Günter Dick stellte, der die Verwaltung offiziell damit beauftragte, einen Verkehrsentwicklungsplan auszuarbeiten. Dieser wurde einstimmig angenommen. Laut Sitzungsvorlage war der Tagesordnungspunkt im Zuständigkeitsbereich der Verwaltung und vom Ausschuss nur zur Kenntnis zu nehmen. Das jedoch war dem Grünen-Rat ein zu schwaches Signal nach außen. „Der Beschluss wäre das richtige Zeichen“, so Dick. Nur zögerlich ließ sich Albrich darauf ein, da er aufgrund des geringen Geldbetrages von 15 000 Euro, der in den Haushalt eingestellt war, eine Aushöhlung der Zuständigkeitsregeln befürchtete. Letztendlich wurde aber abgestimmt.

Paradigmenwechsel

Mit dem Verkehrsentwicklungsplan wurde das Ingenieurbüro IGV mit Geschäftsführer Peter Sautter beauftragt. Nicht weniger als einen Paradigmenwechsel versprach er. Früher sei man bei der Verkehrsplanung fast ausschließlich vom Motorisierten Individualverkehr (MIV) ausgegangen. ÖPNV sowie Rad- und Fußverkehr spielten eine untergeordnete Rolle. Moderne Planungsansätze behandeln jedoch alle Verkehrsteilnehmer auf Augenhöhe.

„In den letzten Jahrzehnten hat man sich daran orientiert, wie viel Verkehr ist und wie viele Bewohner eine Stadt hat. Dann wurde die Stadt autogerecht ausgebaut“, erklärte Thomas Feiert, bei der Stadt zuständig für Stadtplanung und Mobilitätskonzepte. „Eine Klimaneutralität bis 2030 ist nur zu erreichen, wenn wir unter anderem ein Drittel der Autofahrer von der Straße bekommen“, so Feiert weiter. Man habe früher nachfrageorientiert geplant, nun wolle Sachsenheim als „Bekenntnis der Stadt“ angebotsorientiert handeln, ergänzte Bürgermeister Albrich.

Sachsenheim wolle durch eine Stärkung des Rad- und Fußverkehrs auch eine Steigerung der Aufenthaltsqualität bewirken. „Dafür ist aber eine Verkehrsberuhigung notwendig“, sagte Sautter. Tempolimits seien Optionen, das Städtle für den Durchgangsverkehr unattraktiver zu gestalten. Aber auch der Ausbau der Radwege solle die Bürger dazu bringen, über die Verkehrsmittelwahl nachzudenken.

Verschiedene Radfahr-Typen

Dazu müsse man wissen, dass es verschiedene Typen von Radfahrern gebe, so Sautter: „Es gibt die Furchtlosen, die gefühlt auch auf der Autobahn fahren würden.“ Das jedoch seien nur zwei Prozent. Weitere fünf Prozent seien Gewohnheitsfahrer, auch durchaus unerschrocken. Diese beiden Gruppen führen bereits durch die Stadt. „Dann gibt es noch 33 Prozent, die man nicht auf’s Rad bekommt“, so der IGV-Geschäftsführer. Die 60 Prozent dazwischen, die wolle man erreichen. „Das sind Interessierte und Freizeitfahrer, die sich jedoch nicht sicher fühlen.“ Radwege müssten abseits des MIV verlaufen und gut erkennbar sein. Auch müssten Radfahrer an Knotenpunkten gleichwertig behandelt werden. In Rottweil habe das Ingenieursbüro bereits ein Konzept erarbeitet, das auch für Sachsenheim funktionieren könnte: Alle wichtigen Ziele werden durch ein Radwegenetz verbunden, sodass sie gut erreichbar sind.

Thomas Wörner (GLS) merkte an, dass der ganze Kreis einbezogen werden müsse, da sich der Verkehr sonst nur verlagere. Zumeist sei der Binnenverkehr das größte Problem, antwortete Sautter, gab dem Grünen-Rat jedoch recht. „Das sind 15 000 Euro, die zunichte gemacht werden“, sagte Oliver Häcker (fraktionslos). Sachsenheim sei „eine der unattraktivsten Städte zum Einkaufen im ganzen Kreis.“ Das Reduzieren von Parkplätzen könnte noch mehr Kunden vertreiben. Dem widersprach Bürgermeister Albrich vehement: „Ganz im Gegenteil. Wenn weniger Autos im Städtle sind, steigt die Aufenthaltsqualität, was zu einem Kundenzuwachs führen könnte.“ Feiert ergänzte, dass vielleicht sogar mehr Parkplätze entstehen könnten, jedoch dezentral. Günter Dick (GLS) merkte noch an, dass alle Stadtteile berücksichtigt werden müssten, nicht nur Großsachsenheim. „Die Problemstellen werden sich durch eine Bürgerbeteiligung herauskristallisieren – in allen Stadtteilen“, so Sautter.

 
 
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