Sachsenheim Fast 900 Euro für einen Kita-Platz

Von Jennifer Stahl und John Patrick Mikisch
Die Teilnehmer der Demonstration sind am Dienstagnachmittag vom Sachsenheimer Schlossgarten zum Kulturhaus gezogen. Foto: /Werner Kuhnle

Rund 180 Eltern und Kinder demonstrieren gegen zu hohe Elternbeiträge. Sie fordern, die Kita-Gebühren nicht weiter zu erhöhen.

Der Ärger ist groß bei den Sachsenheimer Eltern, zumindest bei denen, die bei der Betreuung ihrer Kinder auf eine Kita angewiesen sind. Rund 180 sind am späten Dienstagnachmittag vom Schlossgarten zum Kulturhaus gezogen, um ihren Unmut über die Sachsenheimer Kita-Politik kund zu tun. Der Endpunkt der Demo war mit Bedacht gewählt: Im Anschluss begann dort die zweite Sitzung des neu gewählten Gemeinderats. An der Demo, zu der der Sachsenheimer Gesamtelternbeirat (GEB) Kita aufgerufen hatte, beteiligten sich auch der Gesamtelternbeirat des Landkreis Ludwigsburg sowie der Bundeselternbeirat.

Beiträge sind zentrales Problem

Bei der ersten Kita-Demo Mitte Mai (die BZ berichtete) waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Sachsenheimer Schloss gezogen, um die Stadtverwaltung auf Missstände aufmerksam zu machen. Im Fokus schon damals: die Elternbeiträge. Die belaufen sich nach einer Erhöhung zum 1. September bei der Altersgruppe der Ein- bis Dreijährigen für einen Ganztagsplatz mit Mittagsessen bis zu 865 Euro im Monat. „Es funktioniert nur mit Druck“, sagt Markus Linnow vom GEB in Bezug auf die Demos. Auch auf die Ferienbetreuung, die in diesem Jahr abgelehnt wurde, soll so aufmerksam gemacht werden.

„Vor allem als junge Familie kommt man sich so vor, als hätte man etwas falsch gemacht“, bestätigt Nicole Oehler den Eindruck. Mit ihren beiden Kindern nimmt sie an der Demo teil. „Mein Mann und ich sind beide berufstätig, da können wir das noch eher verkraften. Für andere Familien wird es aber richtig schwierig, wenn die Gebühren steigen“, sagt sie.

Im kommenden Jahr ist eine weitere Erhöhung der Elternbeiträge geplant. Die Ganztagsbetreuung werde dann etwa 940 Euro kosten, wie Sascha Mößner schätzt. „Wer soll das dann noch bezahlen?“, fragt der Sachsenheimer GEB-Vorsitzende, der selbst Vater von vier Kindern ist. Viele Mütter arbeiteten halbtags, so Mößner. „Es kann doch nicht sein, dass die dann praktisch nur noch für die Kinderbetreuung arbeiten.“ Mütter würden so wieder in die Hausfrauenrolle gedrängt. „Was wird dann aus der Gleichberechtigung?“, fragt Mößner. „Mal ganz abgesehen davon, dass wir überall einen Arbeitskräftemangel haben.“

Das sieht auch Familie Schludecker so. „Auch wir sind wegen der hohen Gebühren hier“, sagt Großvater Norbert Schludecker. Willige für den Erzieherberuf gebe es, seiner Ansicht nach sollte vor allem bei der Ausbildung der Fachkräfte angesetzt werden. Auch Isabell Korherr und Carolin Neumann wollen auf die Situation aufmerksam machen. „Den Eltern wird ungerechtfertigt in die Tasche gegriffen“, sagt Korherr, die mit ihren drei Kindern im Schlossgarten auf den Beginn des Demonstrationslaufs wartet. Neumann ist mit ihren zwei Kindern vor Ort. „Die Differenz im Haushalt sollte durch andere Kosten beglichen werden. Auch flexiblere Betreuungsmodelle könnten eine Lösung sein“, meint sie. Die Mütter schließen nicht aus, dass man sich als Eltern aufgrund der schwierigen Situation in einer anderen Gemeinde nach einem Kita-Platz umsehen müsse.

Zwar haben sich Städtetag, Gemeindetag und kirchliche Träger darauf geeinigt, die Elternbeiträge bis 2026 in zwei Schritten um 7,5 und 7,3 Prozent anzuheben. Ziel ist es, dass Eltern 20 Prozent der Betreuungskosten decken. Die empfohlenen Erhöhungen sind jedoch nicht bindend. Die Elternbeiträge in Sachsenheim vorerst einzufrieren, wäre daher möglich.

Deutlicher Erhöhung zugestimmt

Im Kita-Jahr 2023/24 lag die Deckungsquote in Sachsenheim mit 11,7 Prozent deutlich unter dem 20-Prozent-Ziel. Der alte Gemeinderat hatte daher bereits vorigen Oktober einer Vorlage der Verwaltung zugestimmt, die eine deutliche Erhöhung der Beiträge vorsieht. Die Stadt hatte die Anhebung damit begründet, dass die Kommunalaufsicht die geringe Deckungsquote bemängelt habe; wenn dies so bleibe, könnten Fördermittel von Land und Bund verloren gehen, so die Befürchtung.

Bleiben die Elternbeiträge so hoch wie geplant, könnten hingegen viele Familien zum Förderfall werden. Die Stadt habe im Frühjahr darauf hingewiesen, dass Familien, die Probleme mit dem Elterngeld haben, staatliche Unterstützung beantragen können, so Mößner. „Damit werden arbeitende Eltern, die normal verdienen, zu Sozialfällen gemacht“, sagt er. Seine Befürchtung: Statt den Gang zum Amt werden jungen Familien künftig lieber in eine andere Gemeinde ziehen.

 
 
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