In den Städten und Gemeinden der Region sind derzeit so viele Flüchtlinge und Asylsuchende wie lange nicht. Da ist die Integration eine Herkulesaufgabe. In Sachsenheim gibt es nun einen Integrationsbeauftragten, der sich dieses Themas annimmt. Der BZ verrät Abdoul Issaka, wie er seine Aufgabe angeht.
Sachsenheim „Flüchtlingszustrom ist kräftezehrend“
Seit Februar hat die Stadt Sachsenheim einen Integrationsbeauftragten. Abdoul Issaka kommt aus Benin und engagiert sich schon länger für die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund. Über seine Ziele in Sachsenheim berichtet er im Interview.
Herr Issaka, wie kamen Sie zur Stelle in Sachsenheim?
Dr. Abdoul Issaka: Seit über sechs Jahren engagiere ich mich sowohl beruflich als auch privat im Bereich Soziales und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und habe aufgrund meiner sozialarbeiterischen Tätigkeiten in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen in Büdingen und Lehrtätigkeiten in Integrationskursen sowie im Bereich Deutsch als Fremdsprache auch Kenntnisse im selbstverantwortlichen Arbeiten und in der interkulturellen Pädagogik erworben. Ich wollte mein soziales Engagement in einem Feld, in welchem eine hohe kulturelle Sensibilität gefragt, interkulturelle, soziale Kompetenzen und ein hohes Maß an Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein Voraussetzungen sind, fortsetzen. So kam ich auf die Idee, mich nach einer Stelle umzusehen, die die oben genannten Schlüsselkompetenzen voraussetzt.
Was gehen Sie als erstes an?
Als Integrationsbeauftragter der Stadt Sachsenheim möchte ich zuerst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Flüchtlingssozialarbeit sowie die Mitglieder des Arbeitskreises Asyl in Sachsenheim kennenlernen. Mein Ziel ist es, mehr über ihre Arbeit zu erfahren und herausfinden, in welchen Bereichen Unterstützung notwendig ist. Darüber hinaus möchte ich ein Treffen aller Akteurinnen und Akteure im Bereich Integration initiieren und diese miteinander vernetzen. Das Ermitteln der Bedürfnisse der in Sachsenheim lebenden Menschen mit Fluchthintergrund und das Erarbeiten und Durchführen entsprechender Projekte ist ein weiterer Aufgabenschwerpunkt.
Was sind die größten Herausforderungen?
Integration findet in erster Linie vor Ort statt und hat große Bedeutung für das Zusammenleben innerhalb einer Stadt. Wichtig ist deshalb ganz allgemein die Sensibilisierung für Themen wie Flucht und Migration. Ziel sollte sein, Strukturen, Angebote und Dienstleistungen innerhalb unserer Stadt so zu gestalten und laufend anzupassen, dass sie zu der sich unter anderem durch Migration stetig weiterentwickelnden Bürgerschaft passen. Den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen mit Migrationshintergrund gerecht zu werden sehe ich darüber hinaus als eine große Herausforderung. Diese müssen bereits bei der Ankunft in Sachsenheim ermittelt und fortlaufend hinterfragt werden.
Eine wichtige und wertvolle Ressource im Bereich Integration sind ehrenamtlich engagierte Helferinnen und Helfer des Arbeitskreises Asyl aber auch in den Vereinen. Diese kontinuierlich in ihrer Arbeit zu unterstützen sowohl durch persönliche Beratung als auch mit Hilfe von Fortbildungen, Workshops und Ähnlichem, sehe ich ebenfalls als eine zentrale Aufgabe.
Wie steht es um das Netz aus Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe?
In Sachsenheim gibt es einen Arbeitskreis Asyl. Dieser leistet bereits seit vielen Jahren wertvolle Arbeit. So nehmen sich spezielle Arbeitsgruppen innerhalb des Asylkreises den verschiedensten Themen an. Dazu gehören beispielsweise die Arbeitsmarktintegration, der Spracherwerb oder Alltagsbegleitung.
Der starke Zustrom geflüchteter Menschen in den vergangenen Jahren ist jedoch auch an den ehrenamtlich Engagierten nicht spurlos vorübergegangen. Durch die kräftezehrende Arbeit sind Helfer weggebrochen, neue Engagierte vor allem auch jüngerer Generationen zu gewinnen, gestaltet sich schwierig.
Was sind die Schlüssel für eine gelungene Integration?
Gute Sprachkenntnisse und die berufliche Qualifikation gehören zu den wichtigsten Schlüsseln der gelungenen Integration. Sie sind die zentralen Punkte auf dem Weg in ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben.
Wie schafft man es den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden? Sie sind ja integrative Kraft für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und zum Beispiel aus Afrika. Die Menschen haben doch sehr unterschiedliche Voraussetzungen, nehme ich an.
Das ist richtig. Eine individuelle Bedarfsanalyse ist deshalb notwendig. In der Regel lassen sich dann durchaus Schnittstellen herausarbeiten, für die entsprechende Projekte entwickelt werden können. Ziel sollte hierbei immer sein, die Menschen dazu zu befähigen, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu leben.
Welche Rolle spielt bei der Integration das Thema Wohnen?
Das Thema „Wohnen“ stellt neben den bereits oben angesprochenen Punkten „Spracherwerb“ und „Arbeitsmarktintegration“ eine weitere der drei wichtigsten Säulen gelungener Integration dar. Gute Sprachkenntnisse erleichtern den Eintritt in den Arbeitsmarkt. Eine feste Arbeitsstelle ist für viele Vermieter Voraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrages. Gelingt es den Menschen, all diese Schritte erfolgreich zu meistern, ist dies meines Erachtens der beste Beweis für eine gelungene Integration.
Welche Rolle spielt bei der Integration das Thema Arbeit/Schule/Kindergarten?
Wie oben bereits gesagt, ist das Thema „Arbeit“ ein wichtiger Baustein auf dem Weg in ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben. Bei Kindern beginnt dieser Weg bereits mit dem Eintritt in Kindergarten und/oder Schule. Ein gelungener Bildungsprozess ist eine wichtige Grundlage für den späteren Eintritt in die Arbeitswelt. Sprachförderangebote in Kindergarten und Schule erleichtern den Spracherwerb, gute Sprachkenntnisse erleichtern das Lernen ganz allgemein.
Wie sehen Sie die Rolle der (Sport-)Vereine in Sachsenheim bei der Integration?
Die (Sport-)Vereine sind interkulturelle Begegnungsorte. Zum einen können Kontakte geknüpft werden, zum anderen bieten sie Beschäftigungsmöglichkeiten, stärken aber auch durch die Angebote vor Ort den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Vorurteile können durch gemeinsames Erleben beim Sport oder im Verein abgebaut werden.
Der Integrationsbeauftragte
Dr. Abdoul-Kawihi Ibrahima Issaka, (kurz Abdoul Issaka), ist 39 Jahre alt. Er wurde in Benin (Westafrika) geboren. Dort studierte er „Interkulturelle Germanistik“ an der Universität Abomey-Calavi. Die Promotion zum „Doktor der Philosophie (Dr. phil.)“ hat er im Juli 2017 an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd abgeschlossen.
Aufgaben der Integrationsbeauftragten sind die der zentralen Anlauf-, Beratungs- und Koordinierungsstelle für institutionelle Akteure, der Aufbau und Weiterentwicklung eines Integrationsnetzwerkes, die Entwicklung und Fortführung eines kommunalen Integrationsplans, die Förderung der interkulturellen Öffnung der Verwaltung und der Regeldienste sowie die Information in den zuständigen Gremien der Kommune.
Kommunen
ab 20 000 Einwohnern können jährlich maximal 20 000 Euro für eine Vollzeitstelle des oder der Integrationsbeauftragten vom Land erhalten.
Kommunen ab 10 000 und unter 20 000 Einwohnern können jährlich maximal 10 000 Euro für einen Stellenumfang von 50 Prozent erhalten.
Kommunen unter 10 000 Einwohnern können einmalig 10 000 Euro pro Jahr für einen Stellenumfang von 50 Prozent für eine Laufzeit von drei Jahren erhalten.