Der Sachsenheimer Totschlag-Prozess, bei dem ein Angeklagter als Waffe eine Spatengabel benutzt haben soll, ist gestern am Heilbronner Landgericht fortgesetzt worden. Der Vorsitzende Richter belehrte den Angeklagten, dass er nicht verpflichtet ist, Angaben zum Tatvorwurf zu machen, falls er es nicht wolle. Doch der Mann erzählte plötzlich aus seinem Leben.
Sachsenheim/Heilbronn Angeklagter berichtet aus seinem Leben
Der Mistgabel-Tötungsprozess geht weiter. Der Angeklagte verzichtet auf sein Schweigerecht.
Überraschung vor Gericht
Damit hatte das Gericht nicht gerechnet, nachdem der 45-Jährige am ersten Prozesstag von seinem Schweigerecht Gebrauch machte. Dennoch hatte er bereits an diesem ersten Prozesstag vor einer Woche nach der Verlesung der Anklageschrift in einem verbalen Disput mit dem Vorsitzenden Richter angemerkt, dass er von seinem Opfer immer wieder „angepöbelt“, beleidigt und angegriffen worden sei, ehe es dann am 24. Februar dieses Jahres gegen 18.25 Uhr im Ortsteil Häfnerhaslach zu der schrecklichen Tat kam. Macht der Angeklagte Notwehr geltend?
Sein Rechtsanwalt äußerte sich auf Anfrage dazu am gestrigen Verhandlungstag noch nicht. Laut dem Vorwurf soll der 45-Jährige dem Opfer, das gerade von einer kurzen Radtour zurück kam, nach kurzem Streit mit einer Grabegabel mit voller Wucht auf den Kopf geschlagen und ihn dadurch getötet haben. Bei den Schlägen wurde sogar der Fahrradhelm des 58-Jährigen vollkommen zertrümmert, was nach Meinung der Anklagebehörde auf sehr wuchtige Schläge hindeutet. Hierzu wird die Heilbronner Schwurgerichtskammer im Laufe des Verfahrens noch einen medizinischen Sachverständigen hören. In der sogenannten Sammelanklage werden dem 45-Jährigen allerdings noch zahlreiche Beleidigungen, Körperverletzungen, darunter ein Messerangriff, und Bedrohungen vorgeworfen. Taten, die zunächst am Amtsgericht angeklagt waren, nun aber von der Schwurgerichtskammer zur Gesamtentscheidung übernommen wurden.
Was die Person des 45-jährigen Beschuldigten angeht, wussten die Richter und deren Schöffen bislang nur, dass er in Russland geboren ist, in einer Obdachlosenunterkunft gegenüber dem Häfnerhaslacher Feuerwehrhaus untergebracht war und geschieden ist. Er habe inzwischen aber die deutsche Staatsbürgerschaft. Gestern entschied sich der Angeklagte unerwartet, mehr Einzelheiten aus seiner Vergangenheit preiszugeben: Demnach sei er im Jahre 1979 in Kasachstan geboren und habe dort auch die Grundschule sowie eine weitere Schule besucht, allerdings ohne Abschluss. Im Jahre 1993 sei er als 25-Jähriger nach Deutschland eingereist. Er habe etwas Deutsch gesprochen, musste aber noch lernen, sagt er. Danach habe er eine Wirtschaftsschule absolviert und gearbeitet. 1998 die Heirat mit einer Deutschen; er habe auch eine 20-jährige Tochter. Mehrere Arbeitsstellen habe er gewechselt, jeweils Kündigungen. Es habe oft Streit mit dem Chef gegeben. 2025 sei er psychisch erkrankt, habe sich behandeln lassen. Jetzt lebe er von seiner Erwerbsminderungsrente. Vor vier Jahren sei er geschieden worden.
Zum Vorwurf könnte der Mann erst am nächsten Verhandlungstag Stellung beziehen. Ob er aber neben seiner ersten spontanen Notwehräußerung dazu bereit ist, ist offen. Seit seiner Festnahme noch am Tattag schweigt er zum eigentlichen Motiv des Geschehens. Die Vernehmung der ersten Zeugen und Sachverständigen sind ebenfalls erst zu den nächsten Prozesstagen, ab dem 13. September vorgesehen.
Bernd Winckler