Sachsenheim „Hoffen auf klaren Menschenverstand“

Von Martin Hein
Julia Nägele (links) und Jörg Nägele (2.v.l.) möchten das Wohngebäude um 1,50 Meter aufstocken. Rechts Armin Waldbüßer und Georg Heitlinger (2.v.r.) von der Kommission des Ausschusses Foto: /Oliver Bürkle

Der Petitionsausschuss des Landtages war zu einer Ortsbesichtigung beim Leonhardshof in Großsachsenheim. Streitpunkt ist die geplante Aufstockung eines Wohnhauses um 1,50 Meter.  

Nicht alle Tage erscheint eine Kommission des Petitionsausschuss zu einer Ortsbesichtigung. Am Freitag war dieses Gremium beim Leonhardshof.

Grund ist ein Bauantrag von Jörg und Julia Nägele, den die beiden vor rund anderthalb Jahren gestellt haben. Die junge Familie möchte mit ihrer kleinen Tochter aus der Zwei-Zimmer-Wohnung in Oberriexingen auf den elterlichen Leonhardshof ziehen. Dazu soll das dortige Wohnhaus aus dem Jahr 1960/61 um exakt 1,50 Meter aufgestockt werden.

Kurz darauf kam die Ablehnung der Unteren Baurechtsbehörde des Landratsamtes. Insgesamt wurden nach Auskunft von Julia Nägele die Pläne dreimal abgeändert, um eine Genehmigung zu bekommen. Was die Familie zudem irritiert, ist der Umstand, dass alle Wohnhäuser der anderen Aussiedlerhöfe mehrgeschossig sind und über die Wohnfläche verfügen, die bei Nägeles geplant ist. Nach einer erneuten Ablehnung habe man Widerspruch eingelegt und den Petitionsausschuss angerufen, erläuterte Julia Nägele.

Einverständnis der Stadt

Bürgermeister Holger Albrich erklärte bei der Ortsbesichtigung, dass man seitens der Stadt das Einverständnis zum Bauantrag der Familie erteilt habe.

Der Landtagsabgeordnete Georg Heitlinger (FDP), selbst Landwirt, leitete die Kommission des Petitionsausschusses. Ihm zur Seite stand Armin Waldbüßer (Grüne), ebenfalls Landtagsabgeordneter. Georg Heitlinger wies darauf hin, dass eine Kommission des Petitionsausschusses eher selten Ortsbesichtigungen vornehme. Dies sei nur in rund einem Prozent der Fälle notwendig; nun wolle man sich vor Ort ein genaues Bild von dem Vorhaben zu machen. Armin Waldbüßer ergänzte, dass man versuche, eine Lösung zu finden, und verwies darauf, dass die Kommission nicht entscheiden könne. Das Ziel sei, dass alle Beteiligten aufeinander zugehen würden.

Steuerberater Hans-Peter Striebich erklärte stellvertretend für die Familie Nägele, dass vom landwirtschaftlichen Betrieb aus auch die nahe gelegene Biogasanlage, bei der die Familie Nägele Mitgesellschafter ist, mitbetreut wird. Der Landwirtschaftliche Betrieb der Nägeles habe sich 1960/61 auf dem Leonhardshof angesiedelt. Eine energetische Sanierung des Gebäudes sei nicht möglich, das Dach erneuerungsbedürftig. Von den Nachbarn gab es keinerlei Einwände gegen das Bauvorhaben.

„Wir verbrauchen keinen Quadratmeter zusätzliche Fläche, sondern schaffen Wohnraum“, sagte Striebich. Die Ablehnung des Landratsamtes kam völlig überraschend. Es sei kein Behördenvertreter da gewesen, um sich die Örtlichkeiten anzuschauen, kritisierte Striebich: „Wir können die Ablehnung nicht nachvollziehen“. Nach dem Rundgang trafen sich Kommission und alle Beteiligten zur Kommissionssitzung im Kulturhaus Sachsenheim.

Baubehörde beruft sich auf Gesetz

Udo Hofmann von der Unteren Baurechtsbehörde des Landratsamtes betonte, dass man keine Ablehnung mache, um die Leute zu ärgern. Das Landratsamt beruft sich auf Paragraf 35, Absatz 1 im Baugesetzbuch. Dieser besagt, dass im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig ist, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist, und wenn es einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient, und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Man sei an das Gesetz gebunden, sagte Hofmann.

Demnach sei eine Erweiterung des Wohnraums um maximal 20 bis 25 Prozent zulässig. Mit der kompletten Aufstockung liege das Bauvorhaben deutlich darüber. Eine Erweiterung dürfe ausschließlich der Verbesserung der Wohnraumsituation dienen. Eine Aufstockung müsse dem bisherigen Bestand vom Umfang her untergeordnet sein. Würde man dies nun genehmigen, würde man künftig die Entstehung von Splittersiedlungen ermöglichen. Eine Gaube wäre denkbar. Man habe keine Rechtsgrundlage für eine Aufstockung.

Regierungsbaumeister Philipp Walter, Referent für Städtebau, Bauplanungsrecht und Baukultur beim Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen, sagte, dass man mit der Aufstockung die Rechtsgrundlage verlassen würde. „Die kleine Variante wäre angemessen, so Philipp Walter.

„Belange des Bürgers berücksichtigen“

Hans-Peter Striebich betonte erneut, dass öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden: „Hier sollte man die Belange des Bürgers berücksichtigen.“ Deshalb habe man den Petitionsausschuss angerufen. Bürgermeister Albrich erläuterte, dass der Technische Ausschuss dem Bauvorhaben zugestimmt habe. Er bitte das Landratsamt, die Ablehnung zu überdenken. „Wir glauben, dass noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind“, so Holger Albrich.

Udo Hofmann sagte: „Man kann uns schlecht vorwerfen, dass wir uns an das Gesetz halten.“ Referent Philipp Walter warb für einen Kompromiss und regte eine Neuplanung an. Es gebe keine andere Möglichkeit, so Walter.

Georg Heitlinger schloss die Sitzung der Kommission mit der Bemerkung, dass die Fronten klar seien. Er könne noch nicht sagen, wie sich der Petitionsausschuss entscheidet. Der Sachverhalt werde erst in der übernächsten Sitzung des Ausschusses verhandelt.

Julia Nägele wünschte sich nach der Sitzung, dass in die abschließende Entscheidung klarer Menschenverstand einfließt, und hofft, dass die Familie das Bauvorhaben doch noch umsetzen kann.

 
 
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