Sachsenheim Im Kirbachtal formiert sich der Widerstand

Von Michaela Glemser
Fachbereichsleiter Michael Ilk (stehend) Foto: /Oliver Bürkle

Die Bürger im Sachsenheimer Kirbachtal machen bei der Einwohnerversammlung deutlich, dass sie an der unechten Teilortswahl festhalten wollen

Nach diesem Abend ist den Vertretern des Gemeinderats und der Stadtverwaltung wohl klar, was viele Bürger aus dem Kirbachtal über die Abschaffung der unechten Teilortswahl in der Stadt Sachsenheim denken.

Bei der Einwohnerversammlung in der Kirbachtalhalle in Hohenhaslach mit rund 50 Besuchern, zum überwiegenden Teil aus den Kirbachtalorten, wurde deutliche Kritik an dieser möglichen Option laut, welche die Fachbereichsleiterin Inga Mollerus als eine von drei Möglichkeiten in einer Präsentation der Öffentlichkeit vorstellte.

Nach einem Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs wurde die Gemeinderatswahl der Stadt Tauberbischofsheim für ungültig erklärt, weil Teilorte zu ungerecht repräsentiert waren. Die Wahl musste im Februar dieses Jahres wiederholt werden. „Dieses höchstrichterliche Urteil hat für die Kommunen im Land quasi Gesetzeswirkung. Wir können es nicht ignorieren, sondern müssen etwas ändern, sonst ist die künftige Wahl 2024 ungültig“, betonte Mollerus. Nach dem Gerichtsurteil werden nur noch Über- oder Unterrepräsentationen der Bevölkerung in einzelnen Wohnbezirken bis zu 20 Prozent zugelassen, wobei teilweise auch bis 30 Prozent in der aktuellen Rechtsprechung akzeptiert werden.

In der Hauptsatzung der Stadt Sachsenheim werden 21 Sitze im Gemeinderat festgelegt. Seit der vergangenen Wahl im Jahr 2019 sitzen tatsächlich 26 Vertreter im Ratsgremium, da es für Großsachsenheim vier Ausgleichsmandate und für Kleinsachsenheim eins gab. Damit hat aktuell Großsachsenheim insgesamt 14 Sitze, Kleinsachsenheim sechs, Hohenhaslach drei, Spielberg, Ochsenbach und Häfnerhaslach jeweils einen Sitz. Dadurch ergibt sich für die 433 Einwohner von Spielberg eine Überrepräsentation von 53,49 Prozent.

Um dies abzumildern, könnte die Sitzzahl im Gemeinderat nicht auf 21, sondern auf 26 festgeschrieben werden. Damit bliebe die Sitzverteilung wie im aktuellen Gremium, doch würden sich dazu noch Ausgleichsmandate addieren, sodass letztlich bei vier Ausgleichsmandaten 31 Mitglieder am Ratstisch Platz nehmen könnten. Damit würde sich die Überrepräsentation von Spielberg auf 42,42 Prozent reduzieren, was eventuell nach einer plausiblen Abwägung auch vor Gericht genehmigt werden würde. Diese Option wurde von den meisten Besuchern der Einwohnerversammlung befürwortet. Weit weniger Zustimmung fand die Option, 22 Sitze im Rat vorzuschreiben und die Bezirke Spielberg und Ochsenbach zusammenzulegen und ihnen insgesamt zwei Gemeinderäte zu zusprechen. Bei dieser Variante hätte Großsachsenheim 11. Kleinsachsenheim fünf, Hohenhaslach drei, Ochsenbach und Spielberg zwei sowie Häfnerhaslach ein Vertreter. Damit läge die Überrepräsentation des Bezirks Ochsenbach/Spielberg bei 27,5 Prozent.

So gut wie keine Befürworter für die Abschaffung

So gut wie keine Befürworter gab es in der Kirbachtalhalle für die Abschaffung der unechten Teilortswahl und eine Senkung der Sitze im Gemeinderat auf 21 oder sogar 18. „Es ist mir absolut schleierhaft, wie die Vertreter der Verwaltung und Teile des Gemeinderats darauf kommen, die unechte Teilortswahl abzuschaffen. Hier wird die Demokratie mit den Füßen getreten. Bei jeder Wahl seit 2003 gibt es diese Diskussionen. Warum werden jetzt alte Gräben wieder aufgerissen?“, empörte sich der Hohenhaslacher Ortsvorsteher Alfred Xander in einem sehr emotionalen Statement, das mit viel Applaus von den Besuchern bedacht wurde. Er erinnerte den aus Krankheitsgründen abwesenden Bürgermeister Holger Albrich an sein Wahlversprechen, dass unter ihm die unechte Teilortswahl nicht abgeschafft werde. „Wenn die unechte Teilortswahl wirklich fällt, frage ich mich, ob die Stadtteilfeste in diesem Jahr zu 50 Jahre Gesamtstadt Sachsenheim überhaupt noch stattfinden werden. Brauchen wir diese dann noch?“, betonte Xander, der darauf verwies, dass das jahrzehntelange Zusammenwachsen der Stadt durch einen solchen Beschluss mit einem Schlag auseinandergerissen werde.

Bürgerentscheid für den Fall der Abschaffung angekündigt

Xander kündigte bereits jetzt an, wenn die unechte Teilortswahl durch einen Gemeinderatsbeschluss abgeschafft werde, einen Bürgerentscheid in Sachsenheim umsetzen zu wollen, um diesen Beschluss wieder aufzuheben.

Ähnlich ablehnend äußerten sich auch seine Ortsvorsteher-Kollegen. „Es ist elementar für die Stadt Sachsenheim und das Kirbachtal, dass die unechte Teilortswahl beibehalten wird. Dadurch sind alle sechs Stadtteile am Ratstisch repräsentiert“, unterstrich Viola Lepp aus Spielberg.

„Zeit für die Abschaffung noch nicht gekommen“

Auch Dieter Baum aus Ochsenbach sieht die Zeit für die Abschaffung noch nicht gekommen, da am „Haus“ der Stadt Sachsenheim noch viel zu bauen sei und Gefahr bestünde, dass die kleineren Stadtteile nicht mehr im Gemeinderat vertreten seien.

Auch die Bürger, die sich bei der Einwohnerversammlung zu Wort meldeten, darunter viele Ortschaftsräte aus dem Kirbachtal, fanden für eine mögliche Abschaffung der unechten Teilortswahl deutlich Worte. Viele erinnerten an die historischen Eingliederungsverträge in die Gesamtstadt, die immer noch Gültigkeit haben sollten.

Schwindender Einfluss der Ortschaftsräte befürchtet

Andere befürchteten, dass auch die Ortschaftsräte keinen Einfluss mehr haben würden, weil ihr Stadtteil ohne Vertreter im Gemeinderat sei, der das Ansinnen des jeweiligen Ortschaftsrats vertreten könne. Der von Ortsvorsteher Baum aus Ochsenbach eingebrachte Vorschlag, bei einer Abschaffung der unechten Teilortswahl den Ortsvorstehern jeweils ein Stimmrecht im Rat zu zubilligen, erteilte Mollerus eine Absage, da dies nicht rechtmäßig sei.

Dass die kleineren Stadtteile ohne unechte Teilortswahl künftig sogar noch mehr Vertreter in den Gemeinderat entsenden könnten, daran glaubte kaum einer der Anwesenden. Nicht ganz auf Ablehnung stieß der Vorschlag eines Sachsenheimers, das gesamte Kirbachtal zu einem Bezirk zusammenzulegen und diesem entsprechende Ratssitze zuzusprechen.  

 
 
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