Vor dem Restaurant Hölderbüschle liegen sauber aufgereiht frisch geschlagene Tannenbäume. „Die sind für unseren Weihnachtsmarkt nächsten Freitag“, sagt Restaurant-Leiter Wolfgang Schmidt. Wie jedes Jahr gebe es schon hunderte Zusagen dafür. Ein Lichtblick für die Belegschaft des Holderbüschle und die Kollegen aus der Industrieabteilung der ISAK GmbH. Denn das Tochterunternehmen der Stiftung Karlshöhe hat Anfang November Insolvenz angemeldet (BZ berichtete).
Sachsenheim In Gedanken immer bei der Insolvenz
Andere denken an Adventsmärkte und Weihnachtsgeschenke. Bei den Beschäftigten der insolventen ISAK GmbH kreisen die Gedanken um ihre Jobs.
Jeder hat ein Handicap
Davon betroffen sind insgesamt 61 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Problem: Sollte die ISAK GmbH tatsächlich Pleite gehen, wird es für viele Beschäftigte wahrscheinlich sehr schwer, wieder eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden: Die Hälfte der ISAK-Belegschaft ist schwerbehindert.
„Um ihnen eine Chance zu geben wurde die Firma ja einmal gegründet“, sagt Schmidt, der auch stellvertretender Betriebsleiter von ISAK ist. „Deswegen heißt das Unternehmen ja auch so.“ ISAK steht für Initiative zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Körperbehinderte.
Ein Wort, das Schmidt weniger schätzt. „Ich finde Handicap besser“, sagt der agile 55-Jährige. Denn so eines habe letztlich jeder, auch wenn es nicht sichtbar ist. Seines: „Rücken, Diabetes und das Herz.“ Auch Manuela Plötzsch sieht man ihr Handicap nicht an. Die stellvertretende Vorarbeiterin in der ISAK-Industriesparte und Schwerbehinderten-Vertreterin musste ihren alten Job als Reinigungskraft nach einem Arbeitsunfall aufgeben. Sie konnte die körperlich schwere Arbeit einfach nicht mehr bewältigen, wie sie erzählt. „Dann habe ich Gott sei dank hier eine Arbeit gefunden“, sagt sie.
Die 56-Jährige kann sich noch gut an die Arbeitssuche erinnern. „Wenn du ein Handicap hast, schaut sich der Personaler die Bewerbung nicht einmal an.“ Sollte die Firma tatsächlich pleite gehen, bedeute das für viele Arbeitslosigkeit und Bürgergeld.
Angst vor der Arbeitslosigkeit
Auch eine Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt sei schwierig. „Anders als bei ISAK sind das von der Krankenkasse oder Rentenkasse vollfinanzierte Arbeitsplätze“, erklärt Wolfgang Schmidt. Die Voraussetzung dafür sei eine schwere Behinderung, oft von Geburt an. „Da fallen wir bei ISAK durchs Raster“, sagt Schmidt. „Für die einen Arbeitgeber sind die Leute zu stark gehandicapt, für die anderen zu wenig.“
Entsprechend groß sind die Sorgen und Ängste in der Belegschaft, gerade auch jetzt in der Weihnachtszeit, in der viele ihren Familien und sich selbst etwas gönnen. Auch Schmidt treibt die Insolvenz um, nicht nur im Betriebsalltag. Auch privat wird der bei vielen Vereinen aktive 54-Jährige häufig darauf angesprochen. „Du gehst zu Bett und denkst ‚Insolvenz’. Du wachst auf und denkst ‚Insolvenz“, erzählt er. „Manchmal ist es zum Heulen.“
Hoffnung auf Insolvenzverwalter
Aufstecken wollen er und seine Kollegen aber nicht. „Wir haben uns in der Vergangenheit immer bemüht, flexibel zu sein und neue Industrieaufträge zu bekommen“, sagt Schmidt. Das sei seit Corona und aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage immer schwieriger geworden.
Die Hoffnung ruhe nun auf dem Insolvenzverwalter, dem Heilbronner Rechtsanwalt Martin Mucha. Er soll neue Auftraggeber und Investoren finden. „Vielleicht so etwas wie die „Neue Arbeit“. sagt Schmidt. Das Sozialunternehmen gehört zur Evangelischen Gesellschaft in Stuttgart.
Und das bei den Sachsenheimern als Restaurant und Partylocation beliebte Holderbüschle? Aktuell müssten die Buchungen für Hochzeiten und Feiern 2025/26 laufen, so Schmidt. „Die ersten haben ihre Veranstaltung im nächsten Jahr aber schon wieder abgesagt.“
Dabei brumme der Laden gerade in dieser Jahreszeit wegen der Weihnachtsfeiern und am Wochenende sowieso immer. Unter der Woche sei allerdings etwas weniger los. „Wenn uns jemand helfen will, dann kommt auch unter der Woche abends zum Essen“, sagt Schmidt. „Und besucht unseren Weihnachtsmarkt am Freitag.“