Sachsenheim Rehkitz in Häfnerhaslach gerettet

Von Michaela Glemser
Die Rehkitzretter haben Handschuhe an und Grasbüschel in der Hand, damit die junge Tiere keinen menschlichen Geruch annimmt. Foto:  

Ehrenamtliche Mitarbeiter der Jägervereinigung Ludwigsburg überfliegen frühmorgens mit Drohnen Wiesenflächen und retten behutsam junge Rehe vor der Mahd. 

Es ist sechs Uhr morgens. Die Sonne geht gerade über den Feldern bei Häfnerhaslach auf, doch Hannah Reutter und Nils Hamm von der Jägervereinigung Ludwigsburg sind schon lange auf den Beinen. „Früh am Morgen, wenn die Temperaturen noch kühl sind, ergibt die Drohne mit der Wärmebildkamera die besten Bilder“, erläutert Nils Hamm und fügt hinzu: „Je wärmer es wird, umso schwieriger ist es, mögliches Jungwild auf dem Bildschirm zu erkennen, da sich auch die Oberfläche erwärmt.“

Die Landwirte, die in diesen Tagen ihre Wiesen abmähen, sind verpflichtet, vorher nach möglichem Jungwild zu schauen. Sie kommen auf die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Kreisjägervereinigung zu und zeichnen auf Karten genau die Feldflächen ein, die sie abmähen wollen. „Wir bieten seit rund einem Jahr diesen Service in enger Zusammenarbeit mit den Landwirten und den Jagdpächtern an“, berichtet Hamm. „Vor der Mahd überfliegen wir die Wiesen systematisch mit unserer Drohne mit einer Flughöhe von rund 50 Metern.“

Gefundenes Tier ist höchstens zwei Wochen alt

Die Infrarotbilder werden auf einen kleinen Bildschirm übertragen, den Hamm in der Hand hält. Tauchen auf den übertragenen Bildern winzige weiße Punkte in der sonst dunklen Wiesenfläche auf, deutet dies auf ein Jungwild hin, das aufgrund seiner höheren Körpertemperatur als hellere Fläche zu erkennen ist. Schon schnappt sich Hamm in Begleitung des zuständigen Jagdpächters einen Korb sowie ein großes Keschernetz und stapft vorsichtig durch das hohe Gras in die auf dem Infrarotbild ausgemachte Richtung. „Mehr nach rechts. Gleich seid ihr unmittelbar davor“, dirigiert Reutter ihren Kollegen per Funk zum vermuteten Rehkitz.

Behutsam streicht der Jäger die hohen Grashalme auseinander. Plötzlich sind dazwischen weiße Punkte auf braunem Fell zu entdecken. Das kleine Rehkitz bewegt sich nicht. Ohne Widerstand lässt es sich von Hamm hochheben und auf einer Grasunterlage in den bereitgestellten Korb legen. „Ich habe dabei Handschuhe an und Grasbüschel in der Hand, damit das Kitz keinerlei menschlichen Geruch annimmt. Das Kitz ist höchstens zwei Wochen alt“, flüstert Hamm leise, um das Tier nicht unnötig zu erschrecken.

In der Ferne ist die Rehgeiß zu sehen, die durch das Gras an den Waldrand hüpft. „Sie lässt ihr Kitz nicht aus den Augen und findet es anschließend wieder, da es mit einem hohen Ton nach der Mutter ruft“, erläutert Hamm, der den Korb mit einem Deckel verschließt und unter Hecken an den Wiesenrand stellt. Unten an der Straße ist schon der große Trecker mit der Mähmaschine des Landwirts zu hören, der sein Feld innerhalb von vier Stunden nach dem Drohnenüberflug abgemäht haben sollte.

Mutter findet schnell zu seinem Kleinen auf der Wiese

Anschließend wird das gesicherte Kitz wieder auf der gemähten Wiese ausgesetzt, wo seine Mutter schnell zu ihm zurückfindet. „Wenn die Kitze noch so jung sind, ducken sie sich bei Gefahr ganz tief auf den Boden“, weiß der zuständige Jagdpächter, der namentlich nicht genannt werden möchte, um sein Revier zu schützen. Die Kitze seien im hohen Gras mit bloßem Auge nahezu nicht zu erkennen. „Früher, als es die Möglichkeiten mit den Drohnen noch nicht gab, wurden die Wiesen mit Menschenketten oder Hunden nach Kitzen durchsucht. Das war aber sehr beschwerlich und nicht immer von Erfolg gekrönt“, erinnert sich der Jagdpächter.

Jede Rehgeiß bringt in der Zeit zwischen April und Juli bis zu zwei Kitze auf die Welt, wobei das Muttertier ihr Revier gegen Eindringlinge hartnäckig verteidigt. „Meist legen die Geißen ihre Kitze an der Stelle vom Vorjahr ab, weil diese gegen Feuchtigkeit oder Feinde gut geschützt war. Das Reh ist dabei ein territorialer Einzelgänger“, schildert Hannah Reutter. Die Jägerin erkennt auf den Übertragungen der Wärmebildkamera nicht nur Rehkitze, sondern auch junge Hasen oder das Gelege von Flugwild. Dieses wird meist mit einem Holzpfosten gekennzeichnet, um welchen der Landwirt großzügig herummäht.

Mit vier bis sechs Wochen sind die Kitze bereits deutlich agiler und springen ihren Rettern auch schon einmal davon und folgen der Mutter in den Wald. Auch an diesen Stellen, die dem Landwirt übermittelt werden, muss er mit den Mähmaschinen besondere Vorsicht walten lassen: Denn die Kitze könnten, bis der Landwirt an der Wiese eintrifft, schon wieder an ihren Ablageort zurückgekehrt sein. Bei den heutigen modernen Mähmaschinen und ihrer hohen Arbeitsgeschwindigkeit haben die jungen Rehkitze sonst keine Chance und sind dem Mähtod hilflos ausgeliefert.

Daher sind die ehrenamtlichen Einsatzkräfte der Jägervereinigung sowie die beteiligten Jagdpächter froh über die Technik und die Möglichkeit des Drohnenflugs und die gute Zusammenarbeit mit den Landwirten, die ihre Fläche direkt bei der Jägervereinigung oder über den zuständigen Jagdpächter möglichst bis 14 Uhr am Vortag zur Mahd anmelden können.

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