Sachsenheim Urteil: Zwölf Jahre Haft für versuchten Mord an Ehefrau

Von Jennifer Stahl
Im Juli 2024 hat Sergej S. seine Frau mit einem Messer attackiert und lebensbedrohlich verletzt. Nun wurde das Urteil gefällt: Er muss für zwölf Jahre ins Gefängnis. Foto: /Martin Kalb

Im Prozess um den versuchten Mord am Bahnhof Großsachsenheim vergangenen Sommer ist das Urteil verkündet worden. Weil der Angeklagt Reue zeigte, muss er nicht lebenslang in Haft.

Sergej S. blickt starr geradeaus, als der Richter die Urteilsbegründung vorliest. Er habe aus Heimtücke gehandelt, heißt es, wollte erst seiner Ehefrau und anschließend sich selbst das Leben nehmen. Zwölf Jahre Gefängnis lautet das Urteil für versuchten Mord und schwere Körperverletzung. Der Angeklagte starrt weiter vor sich hin und sagt kein Wort. „Ich bitte um Vergebung. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist“, hatte er am Tag zuvor gesagt. Diesem Ausdruck von Reue hat er es unter anderem zu verdanken, dass er nicht zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden ist.

Gutachten vorgetragen

Am fünften Prozesstag um den versuchten Mord am Sachsenheimer Bahnhof im Juli 2024, am vergangenen Mittwoch, sind sowohl das medizinische als auch das psychiatrische Gutachten verlesen worden.

Durch die intensivmedizinsche Behandlung am Bietigheimer Krankenhaus konnte Natalja S. das Leben gerettet werden, sagte die Sachverständige im medizinischen Gutachten. Ihr Zustand war äußerst kritisch – mindestens zwölf Mal habe Sergej S. zugestochen, vor allem in der Nähe ihres Herzens. Die Geschädigte habe heute noch mit den Folgen dieser schrecklichen Tat zu kämpfen. Unter anderem sei sie noch immer stark geschwächt – ihr Zustand könnte sich zudem jederzeit wieder verschlechtern.

Der Psychiater und Suchtmediziner ging im psychiatrischen Gutachten am Mittwoch insbesondere auf die psychische Gesundheit des Angeklagten ein. Bei ihm konnte keine Erkrankung, wie beispielsweise eine Schizophrenie, festgestellt werden. Lediglich der hohe Alkoholkonsum des Angeklagten wurde genannt. Am Tattag habe er Alkohol getrunken, er sei aber dadurch nicht erheblich gehemmt gewesen, sagte der Sachverständige.

Aus Heimtücke gehandelt

Die Staatsanwältin plädierte auf eine 14-jährige Freiheitsstrafe. Sergej S. habe aus Heimtücke gehandelt, die Arglosigkeit der Geschädigten ausgenutzt und die Tat geplant, weil sie sich von ihm trennen wollte. Auch hätte diese Trennung für den Angeklagten den Verlust seiner Aufenthaltsgenehmigung bedeutet, sagte die Staatsanwältin. Dem Einzug in den Ukraine-Krieg konnte der wehrfähige Mann nämlich nur entgehen, weil seine Frau einen Behinderungsgrad hat, durch den er als unterstützende Hilfe mit ihr ausreisen durfte. Eine Milderung der lebenslänglichen Haftstrafe auf 14 Jahre bestehe, so der Schlussvortrag der Staatsanwaltschaft, da es sich um einen fehlgeschlagenen, aber beendeten Tötungsversuch handelt.

Die Anwältin von Natalja S., die als Nebenklägerin auftritt, forderte eine lebenslange Gefängnisstrafe. Sergej S. habe seine Frau absichtlich in der Öffentlichkeit abgepasst. Die Nähe zum Tod müsse berücksichtigt werden, denn ohne die sofortige ärztliche Hilfe wäre die Geschädigte verstorben. „Meine Mandantin hat heute noch Todesangst. Von Reue oder einer Entschuldigung fehlt jede Spur.“

Der Verteidiger von Sergej S. sagte, dass an der durch den Täter eingeräumten Tat nichts zu beschönigen sei. Weiterhin ging er auf den durchaus ernst gemeinten Suizidversuch ein. Das patriarchalische Weltbild seines Mandanten sei zusammengebrochen, als er vom Trennungswillen seiner Frau erfahren habe. Ob das Merkmal der Heimtücke erfüllt sei, fragte sich der Anwalt, denn das Opfer habe so häufig von Morddrohungen und Todesangst gesprochen, dass man nicht von Arglosigkeit ausgehen könne. Er forderte deswegen einen Strafrahmen von zwei Jahren bis elf Jahre und drei Monate.

Versuchter Mord am Bahnhof

Der Richter fasste den Fall am Donnerstag zusammen: Die Ehejahre seien schon in der Ukraine von Gewalt und Streitigkeiten sowie Mord- und Suiziddrohungen geprägt gewesen. Nachdem er am 9. Juli 2024 seine Frau mit einem Rucksack geschlagen hatte, war ein Annäherungsverbots ausgesprochen worden. Der Angeklagte wollte nicht wahrhaben, dass sich seine Frau endgültig von ihm trennen möchte und plante, ihr am Sachsenheimer Bahnhof aufzulauern, um erst sie und dann sich selbst zu töten. Spätestens am 17. Juli soll er ein Messer unter dem linken Hosenbein versteckt haben. Natalja S. habe nicht mit einem Angriff gerechnet, sagte der Richter. Unter anderem, weil sie sich in der Öffentlichkeit sicher gefühlt habe. Nach einem kurzen Gespräch hat der Täter mehrmals auf sie eingestochen und erst damit aufgehört, als er von Passanten weggeschubst worden sei. Dann habe er sich in den Hals geschnitten. Trotz starken Blutverlusts seien dabei keine großen Gefäße verletzt worden.

Hätte Sergej S. seine Frau getötet, wäre er lebenslänglich ins Gefängnis gekommen. Der Umstand, dass sie überlebt hat und dass er während des Prozesses Reue gezeigt und die Tat eingeräumt hatte, haben laut Urteil zu der Strafmilderung von zwölf Jahren beigetragen.

 
 
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