Sachsenheim Von Augenzeugen überwältigt

Von Yannik Schuster
Am Sachsenheimer Bahnhof hat im vergangenen Juli eine Bluttat stattgefunden. Foto: /Martin Kalb

Der Angeklagte im Prozess um den versuchten Mord am Bahnhof habe sich gegen jegliche ärztliche Versorgung gewehrt, so die behandelnde Notärztin.

Hätte er ein drittes Mal zugestochen, wäre die Frau wahrscheinlich tot“, sagte ein Augenzeuge am dritten Prozesstag in der Verhandlung um den versuchten Mord am Sachsenheimer Bahnhof vor dem Heilbronner Landgericht. Besagter Zeuge war es, der den Angeklagten überwältigte, ehe dieser seiner zum Tatzeitpunkt getrennt lebenden Ehefrau mit einem rund 20 Zentimeter großen Küchenmesser weitere Stichverletzungen zufügen konnte.

Aus einem gegenüberliegenden Café habe er einen Jugendlichen um Hilfe schreien hören, sei über die Straße gerannt und habe den Beschuldigten gestoßen, sodass dieser zu Boden ging. Wie weitere Augenzeugen bestätigten, habe der bislang nicht identifizierte Jugendliche, der mit einem Roller vor Ort war, gerufen, der Angeklagte solle die Frau in Ruhe lassen. Zudem habe er Kieselsteine nach dem Angreifer geworfen, die jedoch keinerlei Wirkung zeigten.

Kritische Stichverletzungen

Mehrere Treffer konnte der Angeklagte den Aussagen der diensthabenden Sanitäter und Notärzte zufolge jedoch setzen. Darunter eine besonders große, rund 15 bis 20 Zentimeter lange, Schnittwunde am Oberschenkel der Frau sowie eine kritische Verletzung am Bauch, deren Tiefe vor Ort nicht eindeutig festzustellen war. Der behandelnde Notarzt habe die Frau als „kritische, schwer verletzte Patientin“ wahrgenommen.

Erneut wurde während der Verhandlung deutlich, dass häusliche Gewalt kein neues Phänomen in der Beziehung des aus der Ukraine stammenden Ehepaares war. Die 28-jährige Tochter der Betroffenen sagte am Freitag mithilfe eines Dolmetschers aus, dass sie rund eine Woche vor dem Vorfall am Bahnhof bereits die Polizei wegen eines eskalierten Streits hinzugezogen habe. Bereits in der Vergangenheit habe ihr Vater ihre Mutter mehrfach bedroht und geschlagen. Als die Familie noch in der Ukraine lebte, habe sie ihre Mutter häufig mit blutender Nase oder Kratzern gesehen. Einmal habe er in betrunkenem Zustand einen Nachbarn mit einer Pistole bedroht. Ihre Mutter habe ihr zudem davon erzählt, dass sie als Dreijährige ebenfalls Opfer ihres Vaters geworden sei, inklusive gebrochener Nase. Sie selbst habe daran jedoch keine Erinnerung.

In Deutschland habe sie nur wenig Kontakt zu ihren Eltern gehabt. Gespräche mit ihrer Mutter habe ihr Vater versucht zu verhindern. Dieser wiederum habe sich vor allem dann gemeldet, wenn er Geld brauchte.

Mehrfach am Bahnhof gesehen

Die Schwester der Angeklagten beschrieb die Beziehung als „unglückliche Ehe“. Trotz Kontaktverbots habe der Angeklagte auch in den Tagen vor dem Vorfall regelmäßig versucht, seine Frau telefonisch zu erreichen. Ein Augenzeuge berichtete zudem davon, den Beschuldigten in dieser Zeit mehrfach am Bahnhof beobachtet zu haben, wie er seine Runden drehte. „Der hat jemanden gesucht“, so seine Erklärung für das Verhalten. Eine Polizeibeamtin, die dem Angeklagten in diesem Zusammenhang empfohlen habe, sich an die Sozialberatung Ludwigsburg zu wenden, habe er gefragt, ob dort Hypnose möglich sei, um seiner Frau zu beweisen, dass er sie nicht betrüge.

Nachdem der Beschuldigte am 17. Juli überwältigt wurde und mit stark blutender Wunde am Hals am Boden lag, habe er sich zunächst eine Zigarette angezündet, berichteten mehrere Augenzeugen übereinstimmend. Die diensthabende Notärztin, die den Mann vor Ort behandelt hat, sagte aus, er habe „getobt und wild um sich geschlagen“. Er habe vehement versucht jegliche Hilfe zu unterbinden.

Der nächste Verhandlungstermin ist für den 5. Februar angesetzt, unter anderem sollen die Sachverständigen dann ihre Gutachten vortragen.

 
 
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