Wenn einer eine Reise tut, braucht er einen Pass. Zumindest im EU-Ausland. Den gibt es bei den Bürgerbüros. Oder auch nicht, denn in diesem Jahr sind die Wartezeiten auf neue Reisedokumente so lang wie selten. Teilweise mussten sich Urlauber in dieser Saison monatelang auf ihre Pässe gedulden – und auch zu Ferienende hin sind die Wartezeiten deutlich länger als üblich. Woran liegt das und wie gehen die Behörden im Kreis damit um? Wir haben nachgefragt.
Sachsenheim Vorübergehend unpässlich
Bis zu zwölf Wochen Lieferfrist auf einen Reisepass: Das verärgert in diesem Sommer viele Urlaubshungrige. Warum dauert es dieses Jahr mit den Reisedokumenten länger als sonst?
Sachsenheim empfiehlt weiterhin, neue Reisepässe zehn bis zwölf Wochen vor dem Reisebeginn zu beantragen. Grund dafür seien die erhöhten Lieferzeiten, so Pressesprecher Arved Oestringer.
Offenbar sei es so, dass die Bundesdruckerei seit Jahresanfang innerhalb von vier Wochen mehr als 600.000 Passbestellungen aufgelaufen seien, sagt Oestringer. So eine große Nachfrage habe es noch nie gegeben.
Dafür gebe es verschiedene Gründe, unter anderem habe es während der Corona-Pandemie weniger Behördentermine für Passbestellungen gegeben als sonst. Zudem seien pandemiebedingte Reisebeschränkungen aufgehoben worden.
Die deutsche Reisebranche verzeichnet laut Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen für 2024 erneut einen Rekord an Fernreisezielen; diese machen demnach 9,3 Prozent aller Auslandsreisen aus (2023: 9,0 Prozent). Dementsprechend steigt die Nachfrage nach Reisepässen.
Wer auf Nummer sicher gehen will, kann einen Express-Reisepass beantragen. „Der sollte in vier Tagen fertig sein“, sagt Oestringer.
Sollte ein Reisepass nicht rechtzeitig vor Urlaubsbeginn kommen, kann die Stadtverwaltung auch einen vorläufigen Reisepass ausstellen. Diesen gibt es sofort. Nachteil: Er ist nur für ein Jahr gültig und nicht alle Länder akzeptieren so ein Dokument.
In Bietigheim-Bissingen sieht man die Verzögerungen bei den Reisedokumenten relativ gelassen. Die Bundesdruckerei sei tatsächlich in Lieferverzug. „Das ist nichts Ungewöhnliches, aber in diesem Jahr stärker“, sagt Pressesprecherin Anette Hochmuth. Die Stadt mache zwar immer vorab per Pressemitteilungen auf die Überprüfung und die rechtzeitige Beantragung neue Dokumente aufmerksam. Vier bis sechs Wochen veranschlagte die Verwaltung dafür laut Pressemitteilung vom 4. Juli. Die noch längeren Wartezeiten in diesem Jahr seien für die Verwaltung nicht absehbar gewesen, so Hochmuth.
In Vaihingen sind die Erfahrungen mit der Anfertigung von Reisepässen gemischt. Derzeit liege die Wartezeit bei acht bis zehn Wochen, so Stadtsprecherin Astrid Kniep. Es gebe aber auch Fälle, in denen das Dokument bereits nach drei Wochen vorliege. Eine mögliche Ursache für die langen Auslieferungszeiten in diesem Jahr sei der Wegfall des Kinderreisepass zum 1. Januar. Den habe die Kommune früher selbst in kurzer Zeit erstellen können. Nun benötigten diese einen normalen Reisepass, wodurch sich die Nachfrage erhöhe. Da sie sich im Wachstum stark verändern, sei künftig auch mit erhöhter Nachfrage in dieser Altersgruppe zu rechnen.
Ähnliche Vermutungen stellt auch das Fachgebiet Bürgerdienste in Markgröningen an. Dort geht man momentan von einer Lieferfrist von zehn Wochen für den regulären Reisepass aus. Insgesamt seien die Anträge dafür seien im Juli im Vergleich zum Juni leicht rückläufig; dafür hätten sich die Express-Passbestellungen im Vergleich zum Vorjahresdurchschnitt verfünffacht. Die Bundesdruckerei erreiche dabei eine Liefertreue von 99,6 Prozent (Juni 2024). Die Herstellungsdauer eines regulären Reisepasses habe im Juli im Schnitt 34,4 Werktage betragen (Juni: 28,9 Werktage).
Das legt den Schluss nahe, dass die Verzögerung bei den Reisepässen auch auf die stark gestiegene Zahl von Expressbestellungen zurückgeht.
In Ludwigsburg geht die Verwaltung aktuell von etwa acht Wochen Lieferfrist aus. „Wir erinnern die Leute mehrmals jährlich daran, ihren ablaufenden Reisepass rechtzeitig zu erneuern“, sagt Jürgen Schindler, Fachbereichsleiter Bürgerdienste. Vielen falle das aber erst kurz vor dem Urlaub oder in der Ferienzeit ein, sodass sich die Nachfragen häuften. Allein bei den vorläufigen Reisepässen seien das zwischen Mai und Juli 500 Exemplare pro Monat mehr als sonst. Insgesamt stelle die Stadt Ludwigsburg rund 17.000 Ausweisdokumente pro Jahr aus. Das Problem: Bei allen Bemühungen den saisonal gestiegenen Bedarf gerecht zu werden, sei die Anzahl der möglichen Termine für einen Passantrag endlich. „Zumal auch unsere eigenen Leute mal in den Urlaub gehen“, sagt Schindler. Daher dauere es vor und während der Hauptreisezeit im Sommer ungefähr sechs Wochen, bis man einen Termin für die Beantragung eines Ausweisdokuments bekommt. Sonst sind es 14 Tage. Obendrauf kommt dann die Zeit, die die Bundesdruckerei für benötigt, um den Reisepass zu produzieren.
Es sei verständlich, dass das vor dem großen Sommerurlaub zu Stress führen könne, sagt Schindler. „Es ist aber nicht in Ordnung, den bei den Leuten am Schalter abzulassen“, betont er. Es komme immer wieder zu völlig unakzeptablen Szenen. „Die Leute werden unverschämt, ausfällig und aggressiv Das geht gesellschaftlich quer durch die Bank“, berichtet Schindler. Die Stadt erstattete in solchen Fällen regelmäßig Anzeige, solche Vorfälle seine für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr belastend.
Um die Lage etwas zu entspannen, werde die Stadt zeitnah und Januar Besitzer von bald ablaufenden Ausweisdokumenten per Brief daran erinnern, diese möglichst bald zu erneuern – und nicht erst wieder kurz vorm Abflug in den Urlaub.