Sachsenheim Wie ein Experte die unechte Teilortswahl bewertet

Von Martin Hein
Die unechte Teilortswahl bleibt in Sachsenheim weiter Thema Foto: Martin Kalb

Professor Dr. Arne Pautsch hat sich die Situation in Sachsenheim näher angeschaut und bewertet. Alle bisher diskutierten Lösungen sind denkbar. Welches Vorgehen der Experte favorisiert.

Die Kommunalwahl 2024 wirft in Sachsenheim ihre Schatten voraus Die unechte Teilortswahl steht erneut zur Debatte. Vor allem weil die Kommunalwahl in Tauberbischofsheim 2019 für ungültig erklärt wurde.

Nach Ansicht der Stadt Sachsenheim wäre die Zusammenlegung von Ochsenbach und Spielberg zu einem Wohnbezirk eine Möglichkeit, unter eine Überrepräsentation von 30 Prozent zu kommen, die der Verwaltungsgerichtshof (VGH) allem Anschein nach noch toleriert. Die BZ hat Professor Dr. Arne Pautsch von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg um eine Einschätzung der Situation in Sachsenheim gebeten.

Ob die Kommunalwahl nach dieser, von der Stadt aufgezeigten Zusammenlegung rechtmäßig wäre, lasse sich schwerlich konkret prognostizieren. Es gehe ja darum, die verallgemeinerungsfähigen Maßstäbe der Entscheidung des VGH aus dem Juli 2022 auf Sachsenheim zu übertragen, um dort eine rechtssichere Ausgestaltung der unechten Teilortswahl zu erreichen. Das Gericht selbst hat ausdrücklich betont, so Pautsch weiter, dass sich die Grenze der zulässigen Abweichung von einer an Einwohnerzahlen orientierten Sitzverteilung nicht schematisch festlegen lasse, sondern es immer einer Betrachtung des Einzelfalls bedarf.

Zusammenlegung wäre denkbar

Eine einzelfallbezogene Lösung könnte nach Ansicht von Pautsch, die Zusammenlegung von Ochsenbach und Spielberg zu einem Wohnbezirk sein. Damit würden seiner Ansicht nach, am Maßstab der örtlichen Verhältnisse die bestehende Überrepräsentation abgemildert werden. Die oft zitierte 30-Prozent-Grenze sieht Pautsch allenfalls als ein Indiz, nicht jedoch als starre Vorgabe. Diese Grenze rühre aus der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und sei daran gebunden gewesen, dass in dem betreffenden Teilort ein Ortschaftsrat eingeführt war. Daran könne man sich orientieren.

Eine weitere Möglichkeit, das Problem zu beheben, sieht die Stadt darin, den Gemeinderat zu verkleinern oder zu vergrößern. Dazu wäre eine Änderung der Hauptsatzung notwendig. Pautsch weist darauf hin, dass eine Änderung der Hauptsatzung in jeden Fall erforderlich wäre, auch bei der Zusammenlegung von Ochsenbach und Spielberg zu einem Wohnbezirk.

Nach Einschätzung von Arne Pautsch wäre dies der probate Weg, um das Problem der durch die Überrepräsentation in Spielberg und Häfnerhaslach noch verstärkten Verzerrung im Gemeinderat abzumildern. Eine Verkleinerung oder Vergrößerung des Gemeinderats wäre aus seiner Sicht eher eine grobe Stellschraube, die weniger die örtlichen Verhältnisse in den Teilorten berücksichtigt und stärker auf die gesamtgemeindliche Sicht bei der Lösung des Problems setzt.

Arne Pautsch hält die demokratischen Effekte, die mit der unechten Teilortswahl verbunden werden, für inzwischen überholt. Sinnvoller erscheint es ihm, die Ortschaftsverfassung konsequent einzuführen, also in allen Ortsteilen einen Ortschaftsrat und Ortsvorsteher zu installieren.

Gewollte Option

Die unechte Teilortswahl beizubehalten sei vor allem von den Erfahrungen vor Ort abhängig. Wenn „starke“ Mandatsträger über die gesicherten Sitze die Interessen – und damit auch die lokale Vielfalt innerhalb der Gesamtgemeinde – im Gemeinderat gut vertreten haben, spreche nichts gegen eine Beibehaltung der unechten Teilortswahl. Sie sei eine vom Gesetzgeber gewollte Option für die lokale Demokratie, die sogar durch die Landesverfassung abgesichert sei, so Arne Pautsch.

Die Sachsenheimer Ortschafts- und Bezirksbeiräte kamen zu dem Schluss, dass das Gericht nicht die Überrepräsentation einzelner Stadtteile kritisiert habe, sondern die Unterrepräsentation des größten Stadtteils. Eine Unterrepräsentation bis 20 Prozent würde der VGH scheinbar tolerieren, weshalb man in Sachsenheim nichts ändern müsse.

Diese Lesart des Urteils greift, nach Auskunft von Arne Pautsch, zu kurz. Aus dem vierten Leitsatz des Urteils werde deutlich, dass eine über die systembedingte Verzerrung sowohl in einer Überrepräsentation als auch in einer Unterrepräsentation liegen kann. Diese sei rechtfertigungsbedürftig durch überwiegende sachliche Gründe, die jeweils am Maßstab der örtlichen Verhältnisse zu ermitteln sind. Das, was für Tauberbischofsheim geurteilt wurde, könne nicht eins zu eins auf Sachsenheim übertragen werden.  

 
 
- Anzeige -