Sachsenheimer erforscht PFAS Agrarbiologe will das Übel an der Wurzel packen

Von hevo
Der Diplom-Agrarbiologe Dr. Walter Frölich aus Hohenhaslach arbeitet an einem Verfahren, kontaminierte Böden mit vertretbarem Aufwand wieder landwirtschaftlich nutzbar zu machen.  Im Mittelpunkt stehen Maiswurzeln – und für deren optimale Versorgung, Dolomitkalk und Magnesiumsulfat. Foto: /Oliver Bürkle

Mit PFAS verseuchter Boden ist weltweit ein wichtiges Thema. Der Diplom-Agrarbiologe Dr. Walter Frölich aus Sachsenheim-Hohenhaslach möchte das Problem lösen – mithilfe von Maiswurzeln. Sein Experiment könnte bereits kurz nach Ostern auf den kontaminierten Feldern bei Rastatt starten – und möglicherweise in Tamm weitergehen.

Als Dr. Walter Frölich den Zeitungsartikel in der BZ über die kontaminierten Böden einiger Parzellen der Kleingartenanlage Tamm durch Spuren von Gießereisanden gelesen hat, wusste er: Ich kann da vermutlich etwas machen. Prompt meldete er sich bei der BZ. Denn der Diplom-Agrarbiologe aus Hohenhaslach ist da an einer großen Sache dran. Gemeinsam mit dem Diplom-Ingenieur Wolfgang Bengel möchte der Sachsenheimer die kontaminierten Böden wieder landwirtschaftlich nutzbar machen – und das mit überschaubarem Aufwand und Ressourceneinsatz.

Fokus liegt auf Rastatt

Tamm steht dabei eigentlich nicht im Fokus. Die Forscher, die beide das Abitur in Bietigheim-Bissingen erwarben und sich daher kennen, haben vor allem die 480 Hektar durch PFAS (Per- und Polyflourierte Alkylverbindungen, die unter anderem in Verdacht stehen, Krebs zu verursachen, siehe Infobox) stark verseuchte Ackerfläche in Rastatt (Baden) im Blick. Über Jahre wurde Kompost, vermischt mit Schlämmen aus der Papierproduktion, die mit verschiedenen Vorläufersubstanzen verunreinigt waren, von einem Unternehmen aus der Kompostwirtschaft auf den Feldern ausgebracht. Eigentlich, um den Boden zu düngen. Im Laufe der Zeit wurden jedoch die enthaltenen Verbindungen zu PFAS abgebaut und reicherten sich in den Pflanzen an. Wie auch in Tamm, wird, seitdem das festgestellt wurde, geraten, keinen Spargel, Erdbeeren, Wurzelgemüse oder andere bodennahen Gewächse mehr dort anzubauen. Wird Mais angebaut, sollen nur die Körner, nicht jedoch die ganze Pflanze genutzt werden.

Bereits nächste Woche haben die beiden Wissenschaftler einen Vor-Ort-Termin in Rastatt. Dann entscheidet sich, ob ihr Experiment gestartet werden kann. Im besten Fall ist die Erde danach von den toxischen Chemikalien befreit – und das, ohne die Erde durch starke Hitze zu behandeln, was sie unfruchtbar werden ließe.

Maiswurzel steht im Mittelpunkt

Der Kern der Idee ist die Maispflanze. Damit kennt sich Frölich gut aus, hat er doch in Maiszüchtung promoviert. „In den Hauptwurzeln des Maises sind die sogenannten Caspary-Streifen“, erklärt der Agrarbiologe, der eigentlich schon in Rente ist, was ihn jedoch nicht davon abhält, weiterhin intensiv zu forschen. Diese Streifen sind eine Art Kontrollzentrum, das verhindert, dass Wasser- und Mineralstoffe unkontrolliert in die Pflanze eindringen. „Auch Schadelemente wie Arsen werden vom Caspary-Streifen zurückgehalten“, sagt Frölich. Wird der Mais geerntet, werden die Körner und Rispen beispielsweise als Tierfutter genutzt und die Stengel werden in der Biogasanlage verbrannt. Die Wurzeln jedoch bleiben auf dem Feld – mit allem, was sich im Caspary-Streifen angereichert hat. In Rastatt werden aufgrund der PFAS-Anreicherung die Stengel auch schon nicht mehr verwendet.

„Ich setze auf Dekontamination durch Roden und Verbrennen der Maiswurzeln – sehr effektiv in der Aufnahme der PFAS könnte der Zuckermais sein“, sagt Frölich und weiter: „ausprobiert hat’s noch keiner, das Experiment mit den Wurzeln wurde bislang verpennt.“ Sein Vorschlag: Eine Maschine, die bei der Karotten-Ernte zum Einsatz kommt, soll die Wurzeln der Maispflanzen aus der Erde ziehen. Daraufhin werden die Wurzeln von der anhaftenden Erde befreit, getrocknet und in der Verbrennungsanlage vernichtet. Mit der Asche müsste man sich möglicherweise etwas einfallen lassen, sagt er. Das erfordere allerdings weitere wissenschaftliche Untersuchungen.

Überschaubare Kosten

„Wir könnten das Gift mit den Wurzeln aus der Erde holen“, sagt der 74-Jährige und erklärt: „Mit überschaubarem Geldeinsatz könnten die Flächen so entseucht werden.“ Zudem möchte Frölich den Magnesiumstatus des Bodens optimieren, dadurch könne die Wurzelentwicklung gefördert werden, was zu einem größeren Effekt führe. Ebenso sei auf den Gegenspieler des Magnesiums – nämlich Kalzium – zu achten, um den optimalen Boden-pH-Wert zu erreichen.

Sollten die Wissenschaftler den Auftrag in Rastatt bekommen, wird bereits in wenigen Wochen, um den 15. bis 20. April, der Mais auf den kontaminierten Feldern ausgebracht. „Es wird dann regelmäßig die ganze Pflanze von uns analysiert“, sagt Frölich.

Für die betroffenen Äcker in Tamm empfiehlt der Mais-Experte übrigens Zuckermais anzubauen und dann zu „schauen, was passiert.“

Was sind PFAS?

PFAS sind Per- und Polyflourierte Alkylverbindungen. Es handelt sich bei diesen Chemikalien um eine Gruppe von mehr als 10 000 künstlich hergestellten Stoffen. PFAS sind wasser-, fett- und schmutzabweisend und werden vielseitig eingesetzt.

Sie sind unter anderem in Löschschaum enthalten, aber auch in Regenjacken, beschichteten Pfannen, in Zahnseide, beschichteten Papieren, Kosmetik. In den Produkten sind sie ungefährlich, geraten sie jedoch in die Umwelt, sind sie sehr schädlich.

Das Problem: Sind sie einmal in der Erde, reichern sie sich dort an und können Tiere und Menschen krank machen. Daher nennt man sie auch Ewigkeitschemikalien. Sie stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen, unfruchtbar zu machen, das Immunsystem zu schwächen. Die Stoffe können weder durch Wasser, noch durch Licht oder Bakterien zeitnah abgebaut werden.

PFAS werden bereits als „Jahrhundertgift“ bezeichnet und können an mehr als 1500 Orten in Deutschland nachweisen werden. Hotspots sind beispielsweise die erwähnten Ackerflächen in Rastatt, auf denen belasteter Papierschlamm verteilt wurde oder auch das Umfeld des Düsseldorfer Flughafens, dort gelangte wegen Löschschaum in Boden und Grundwasser.

Bisher wurden immer nur einzelne PFAS verboten. Im Februar 2023 hat die ECHA (Europäischen Chemikalienagentur) den Vorschlag vorgestellt, die gesamte Stoffgruppe der PFAS überwiegend zu verbieten. Eine Entscheidung wird wohl erst 2025 fallen. 

 
 
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