Sachsenheimer Künstlerin Uli Lüth „Normal ist aber langweilig“

Von Heidi Vogelhuber
Künstlerin Uli Lüth in der Galerie Bayer in Bietigheim-Bissingen mit ihren Ziegen, die bald auf der Art Karlsruhe zu sehen sind. Alle sechs Figuren sind aus Bronze, jedoch unterschiedlich patiniert. Foto: /Martin Kalb

Die Künstlerin Uli Lüth stellt im Mai sechs Bronze-Ziegen auf der Art Karlsruhe aus. Warum Individualität nicht vom Was, sondern vom Wie abhängt, berichtet sie im Gespräch mit der BZ in der Galerie Bayer in Bietigheim-Bissingen. Und auch, warum sie Kunst des Geldes wegen macht.

Der Treffpunkt für das Gespräch mit der BZ ist nicht zufällig gewählt. In der Galerie Bayer in Bietigheim-Bissingen sind nicht nur einige der Kunstwerke von Uli Lüth ausgestellt. „Rudolf Bayer hat von Beginn an an mich geglaubt“, sagt die Künstlerin. „Nicht, dass es ihr an Selbstbewusstsein gefehlt hätte“, scherzt der Galerist.

„Ich will berühmt werden.“ Nicht weniger habe sich Uli Lüth vorgenommen, als sie 1995 den Schritt in die Öffentlichkeit wagte und begann, Kunst „ernsthaft zu betreiben“, wie sie sagt. Zuvor schon war sie künstlerisch aktiv, jedoch eher im Verborgenen. „Ich war von vornherein von mir überzeugt und ich bin mir sicher, dass meine Arbeit gut ist. Nur ein bisschen, das wollte ich nicht.“

Eine große Portion Selbstkritik

Seitdem sind bestimmt 100 bis 150 Figuren entstanden, schätzt die Künstlerin, die in Sachsenheim wohnt. Entstanden seien natürlich mehr, aber die gebürtige Wienerin sei sehr selbstkritisch mit ihren Plastiken. „Wenn eine Figur fertig ist, nehme ich sie mit nach Hause und stelle sie an einen Ort, an dem ich sie immer sehe“, beschreibt Uli Lüth das finale Ritual im Schaffungsprozess. Immer wieder betrachte sie die Figur, entscheide, wo noch gefeilt werden muss. Dabei sage sie sich stets: „Hör rechtzeitig auf.“ An einem bestimmten Punkt sei jeder weitere Eingriff zu viel, zerstöre die Seele der Figur.

Durch die eigene kritische Kontrolle hat es unter anderem auch eine kleine Ziege geschafft, die vom 4. bis 7. Mai auf der Art Karlsruhe zu sehen sein wird – und das in sechsfacher Ausführung. Das kleine, zerbrechlich wirkende Tier mit seinem lang gestreckten Hals, den knochigen Beinen, den filigranen Hörnern liegt überraschend schwer in der Hand. Zartes Aussehen trifft auf massive Bronze, die einen metallischen Geruch verströmt.

Lüths Kunst ist hartes Handwerk, das wird schnell klar, wenn sie vom Schaffensprozess erzählt. Aus Holz baut sie ein Skelett, das anschließend mit Wachs ummantelt und heiß bearbeitet wird. Ihre Kunst sei immer gegenständlich, sagt sie. „Normal ist aber langweilig“, erklärt sie ihre Figuren mit deren dürren, lang gezogenen Gliedmaßen. Dabei seien ihr die Gesetzmäßigkeiten des Körpers wichtig. Abstraktion funktioniere erst, wenn man die Anatomie des Körpers beherrsche, „sonst wird’s lächerlich“, sagt sie.

Inspirationen bietet das Leben

Inspirationen für ihre Figuren bietet ihr das Leben. Ob eine Fotografie, ein Werbeplakat oder zufällige Personen auf der Straße. Zumeist erkenne sie die Pose, die für ihr Kunstobjekt die richtige ist, auf den ersten Blick. Dann wiederum spiele sie mit der Figur. „Es ist interessant, die langen Gliedmaßen zu verschachteln“, sagt sie und deutet auf die Bronze „Drei sich Bückende“, die in der Galerie Bayer ausgestellt ist. Die Figur „Zwei sich Bückende“ etwa sei ein Fortspinnen der Idee.

Das Material Bronze sei sehr vielseitig, sagt Uli Lüth und verweist auf die unterschiedlichen Oberflächenstrukturen, die bei ihren Figuren zu finden sind. Sie probiere viel aus, von groben, angerauten Strukturen wie der Oberfläche der Ziegen bis hin zu den zarten, glatt polierten Beinen der „Kleinen Tänzerin“, die auch schon auf der Artexpo New York ausgestellt und verkauft wurde. Etwas Neues zu erfinden sei schwer bis unmöglich, da es alles schon gebe. Das Wie jedoch, das könne immer wieder anders gestaltet und neu erfunden werden. Auch das ist an der Ziegen-Serie, die auf der Karlsruher Messe zu sehen sei wird, nachvollziehbar. Auch wenn es mehrere Ziegen gibt, ist jede ein Unikat durch das unterschiedliche Patinieren.

Ist eine Wachsfigur fertig, bringt sie Lüth nach Niefern in die Skulptur-Manufaktur Rohr. Die Wachsfigur wird mit feinem Schamotte-Sand ummantelt. Das Wachs wird im Wachsausschmelz- und Sandgussverfahren verflüssigt. Dann werden feine Gusskanäle angelegt, durch die über 1000 Grad heiße Bronze in das Negativ gelangt. Nach dem Erkalten wird der Stein weggeschlagen. Die Figur wird im letzten Schritt individuell patiniert.

Uli Lüths Weg ins Kunstbusiness verlief auf Umwegen. „Ich bin früh von zu Hause weg und hätte mir nie erlauben können, Kunst zu machen“, erzählt sie. Es war für sie klar, dass sie etwas „Handfestes“ lernen muss. So wurde sie Erzieherin, leitete unter anderem zehn Jahre lang die Kindertagesstätte der Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim. Ein „toller Job“, erinnert sich Lüth gerne zurück. Sie unterrichtete auch an der Pflegeschule, bis sie nach der Geburt ihres zweiten Sohnes Hausfrau wurde.

Vor 30 Jahren etwa, habe sie eine Bronze des Bildhauers Kurt Tassotti, einem Schüler des Löchgauers Karl-Henning Seemanns, gesehen und besuchte dessen Kunstkurse, die sie später übernahm. Knapp 15 Jahre später ging sie eine Ateliergemeinschaft nahe der Rommelmühle in Bissingen mit der Malerin Claudia Böhm ein und widmete sich ab dem Zeitpunkt ganz der Kunst. Später arbeitete sie im Freudentaler Schloss, mittlerweile zu Hause in Sachsenheim.

Des Geldes wegen

Oft werde sie gefragt, warum sie Kunst mache, ist sie doch die Frau eines Rechtsanwalts; doch nicht etwa wegen des Geldes? „Natürlich mach ich’s wegen dem Geld“, sagt sie und erklärt, dass Wertschätzung eben über Geld stattfinde, da brauche man nicht drumrum zu reden. Und doch: „Wenn man so eine Arbeit hat, ist das ein großes Glück“, sagt sie und berichtet von der Ruhe und Zufriedenheit, die sie während dem Arbeiten verspürt.

Uli Lüth, die mit vollem Namen Ulrike Rentmeister-Lüth heißt, habe sich ihren androgyn klingenden Namen absichtlich gegeben. Einige Male schon habe man mit einem Mann gerechnet und sei ganz überrascht gewesen, eine Frau zu sehen. Das habe sie amüsiert.

 
 
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