Sanja Holetic als Frau im Männerfußball „Ich wusste, worauf ich mich einlasse“

Von Niklas Braiger
Sanja Holetic wahr mehr als ein Jahrzehnt Teil des FV Löchgau und spielt nun in der Männer-Kreisliga in Möglingen. Foto: Ralf Poller/Avanti

Sanja Holetic spielt als Frau bei den Männern. Einiges ist bekannt, manches neu.

Jahrelang war Sanja Holetic Teil des FV Löchgau. Sie erlebte den Aufstieg und Fall des Vereins mit, machte über 100 Spiele für den Klub und suchte nun nach der Auflösung der Mannschaft eine neue Herausforderung. Und die fand die 30-Jährige bei ihrem Heimatverein, dem TV Möglingen. Dort spielte sie bereits in der Jugend, nun kehrt sie hierher zurück. Jedoch nicht zur Frauenmannschaft. Holetic läuft inzwischen für die zweite Männermannschaft in der Kreisliga B4 auf.

Nach dem Training ist Bier Pflicht

„Es ist anders, auf jeden Fall. Man merkt die Unterschiede zwischen Kreisliga und Regionalliga schon, sowohl taktisch. Aber für mich ist es auch ein Novum, nach jedem Training als Pflichtveranstaltung ein Bier zu trinken. Damit habe ich aber kein Problem“, erklärt die sechsfache kroatische U-Nationalspielerin, denn „ich wusste, worauf ich mich einlasse.“ Mit dem Wechsel in die Heimat geht es für sie fünf Spielklassen nach unten. „Manchmal fehlt ein bisschen die Ernsthaftigkeit“, scherzt sie.

Bislang hat sie allerdings noch nichts gefunden, über das sie sich beschweren könnte: „Mit der Mannschaft war es absolut nie problematisch. Bei den Jungs kannte ich viele schon.“ Auch der Aufwand ist in der B-Liga deutlich geringer, als in der Oberliga beim FVL: „Ich habe Jahre lang Zeit investiert für Auswärtsfahrten und um ins Training zu kommen. Jetzt ist es super einfach. Ich laufe vier Minuten zum Sportplatz, das ist zeitlich ein Luxus.“

Gegen Renningen in der Startelf

Auch ihr Debüt hat Holetic bereits feiern dürfen. Am vergangenen Sonntag stand sie beim Spiel gegen die Spvgg Renningen in der Startelf – zu ihrer Überraschung: „Ich hätte nicht damit gerechnet. Renningen ist ein schwieriger Gegner gewesen, sie sind Tabellenzweite. Ich habe meinem Trainer gesagt, wenn es nicht passt, lass mich draußen.“ Doch Coach Benjamin Weidner machte Holetic klar: „Du bist eine sehr gute Spielerin. Er hat mich bestärkt“, berichtet die Stürmerin. Die Gegner blieben beim 1:1 am Ende entspannt, unangebrachte Kommentare musste sich Holetic nicht anhören, im Gegenteil: „Sie haben nach dem Spiel normal bei mir abgeklatscht, da war alles wie immer. Einmal habe ich nur gehört, dass irgendeiner von den Renningern gesagt hat ‚Die ist schon krasser, als wir dachten’“, erzählt sie.

Die Stürmerin spielt nicht zum ersten Mal gegen Männer. 2018 war sie bei einem Freundschaftsspiel gegen die erste Mannschaft des VfB Stuttgart auf dem Feld, auch in ihrer Freizeit spielt sie regelmäßig mit Männern. „So ganz neu ist es deswegen nicht“, sagt sie. Vor einigen Jahren wurde sie bei einem Betriebsturnier von einem Gegenspieler heftig und offensichtlich absichtlich ausgeknockt. „Das ist auch die größte Angst, die mein Umfeld hat. Die Kreisliga ist zwar nicht mehr so schlimm, dass man nur noch die Holzfäller drin hat, aber sie foulen anders, als Regionalligisten“, sagt Holetic.

Ex-Mitspielerin in Botnang aktiv

Sie befürchtet, dass solch ein Verhalten andere Frauen und Mädchen abhält, den gleichen Schritt wie sie zu gehen: „Es gibt viele Mädels die sich das nicht trauen oder sich wohlfühlen mit den Männern und Angst haben. Aber es gibt genügend, die mithalten könnten.“ Dabei ist sie nicht die Einzige: Ihre ehemalige Mitspielerin Julia Rudolph spielt inzwischen bei der SKG Botnang in der B-Liga Stuttgart/Böblingen.  Niklas Braiger

 
 
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