Welcome to our world“, begrüßten die Künstler von „die Movilés“ am vergangenen Samstag ihr Publikum im ausverkauften Kronenzentrum in Bietigheim-Bissingen. Und tatsächlich war es eine auf den ersten Blick der Realität ganz ähnliche Welt, die dort auf der Leinwand erschien: Ein Mann erlebte seine Woche, wachte auf, wusch sich, ging zur Arbeit auf die Baustelle, fuhr einen Bagger. Kam heim, putzte die Wohnung, ging Golf spielen und ins Museum.
Schattentheater in Bietigheim-Bissingen Bedrohte Welt im Reich der Schatten
Mit ihrem Programm „Moving Shadows: Our World“ brachten „die Movilés“ ihr Publikum im Kronenzentrum sowohl zum Lachen als auch zum Nachdenken.
Die Schatten der Künstler
Der Unterschied: alles, was man auf der bühnenfüllenden Leinwand sah, waren die Schatten der Künstler, die selbst dahinter blieben, angestrahlt von einem Projektor. So formten sie mit ihren Körpern zu zweit, zu dritt oder auch zu sechst etwa einen Tisch, ein Bett, das Bad, den Bagger, ein komplettes Büro, ein Klavier. Vier Frauen flogen, mit durchgestreckten Beinen, vornübergebeugt und mit ausgestreckten Armen als Vögel auf eine Erdkugel zu.
Für das erste Programm der Gruppe vor über zehn Jahren habe man noch ein halbes Jahr gebraucht – inzwischen ginge das deutlich schneller, erklärt Dietmar Weyrowitz von den „Movilés“ nach der Aufführung. Mittlerweile hat man Erfahrung – „wenn wir jetzt einen Kölner Dom brauchen, machen schon die ersten beiden die Türme und der dritte kümmert sich ums Kirchenschiff.“ Aber manchmal gebe es auch Aufgaben, an denen man einen halben Tag sitze – etwa das Känguru, auch wenn das ganz einfach aussehe. Vier Leute wirken hier mit, die sich in einer relativ engen Flucht hintereinanderstellen, schon kleine Abweichungen machen das Tier unerkennbar. Das Trump-Profil, später im Stück, bestand dann aus sechs Künstlern – „das ist auch ein Bild, da haben wir lange dafür gebraucht.“
„Viel anstrengender für den Kopf“ als für den Körper sei die Show, „weil man nicht in den Spielfluss kommt, sondern weil man immer per Plan spielt.“ Je nachdem, wie die Figur ist, kann man auch den eigenen Schatten spiegelverkehrt auf der Leinwand sehen – wenn nicht gerade ein Kollege davorsteht.
So folgt man also im Stück der Hauptperson durch die Woche, erlebt eine musikalische Zeitreise mit Imitationen von ABBA und Elvis, sieht beim Filmeabend Dinosaurier und Harleyfahrer über die Bühne jagen, und folgt schließlich einem Golfball, der, etwas zu stark geschlagen, um die ganze Welt flog und von New York über Peru bis Italien alle Kulturen „streifte“.
Botschaft entwickelt sich
In der zweiten Hälfte des Stücks aber entwickelte sich dann die klare Botschaft: war die Hauptperson bisher mehr oder weniger arglos und liebenswürdig tollpatschig durch ihr Leben gestolpert, lernt er nun in einer Sonderausstellung des Museums, in dem er landet, was im Rest der Welt passiert: Bohrtürme und Umweltzerstörung tauchten nun auf. Das Profil des amerikanischen Präsidenten sprach in Dollarzeichen, Städte wurden überschwemmt, Wälder abgeholzt, Kängurus hüpften vor Buschfeuern davon.
„Make the earth a better place“
„Make the earth a better place“, so die Botschaft – kein Problem im Reich der Schatten, wo sich ein herkömmliches Auto im Nu in ein elektrisches verwandeln ließ und sich Windräder in wenigen Sekunden in den Himmel reckten.
„Entwicklungen, die, egal woher sie auch kommen, alle Menschen was angehen, wo wir alle drüber nachdenken können und sollten“, beschreibt Ensemble-Mitglied Weyrowitz den Gedanken hinter dem Programm. Dass man so ein klares Thema setzen kann, ist auch eine Weiterentwicklung des Könnens der Gruppe. Während es in den ersten Programmen noch eher „technisch“ zuging, wachsen nun mit der Erfahrung auch die Ausdrucksmöglichkeiten.
Die international preisgekrönte Gruppe ist ansässig in Köln und Umgebung, einige haben aber auch internationale Wurzeln. Und auch ein Vater ist zusammen mit seiner Tochter Teil der Gruppe, die sich aus gelernten Tänzern, Akrobaten und Turnern zusammensetzt. Und die schon zum zweiten Mal in Bietigheim sind – im Publikum erinnerten sich noch einige an den ersten Auftritt vor drei Jahren. „Wir kommen bestimmt wieder“, bestätigt Ensemble-Mitglied Weyrowitz lachend – dann wahrscheinlich mit dem im Januar startenden neuen Programm. Ab dem Sommer werden in ihren Übungsräumen neue Schattenfiguren entstehen.