Schillernde Figur Ludwig Christian Haeusser Der Bönnigheimer Heiland

Von Martin Hein
Ludwig Christian Haeusser, der „Inflationsheilige. ⇥ Foto: picture alliance/dpa/Stadtverwaltung Bönnigheim / Privat

Vor 140 Jahren wurde Ludwig Christian Haeusser geboren. Der charismatische Bönnigheimer ging als „Inflationsheiliger“ in die Geschichte ein.

Ludwig Christian Haeusser war eine schillernde Figur. Vom Wengerter Sohn aus Bönnigheim über ein Leben in Luxus als halbseidener Geschäftsmann, bis zum Wanderprediger und zur Beinahe-Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten – Haeusser hat keine dieser Facetten ausgelassen. Absehbar war diese Entwicklung nicht.

Ludwig Christian Haeusser wurde am 6. November 1881 als Sohn des Bönnigheimer Wengerters Adam Haeusser geboren. Wie der ehemalige Bönnigheimer Stadtarchivar Dieter Gerlinger vor Jahren recherchierte, war ihm keine sonderlich schöne Kindheit vergönnt. Er litt unter der sehr strengen Erziehung seines jähzornigen Vaters. Mit Viehzucht und Feldarbeit hatte der kleine Ludwig nicht viel im Sinn. Ihn interessierten vielmehr Bücher, was den Vater wohl noch mehr in Rage brachte. „Er hatte den Wahn, mir durch viehische Behandlung und so brutales Schlagen, dass ich oft wochenlang nicht zur Schule konnte, die Freude am „Sinnieren“ wie er es nannte, zu vertreiben. Aber es hat meinen Drang nach Wissen nicht gebändigt“, beschrieb Ludwig Christian Haeusser später die Beziehung zu seinem Vater.

Leben in Saus und Braus

Nach einer Kaufmannslehre in Stuttgart ging Ludwig Christian Haeusser im Alter von 17 Jahren nach London, zog zehn Monate später nach Paris und häufte mit halbseidenen Geschäften ein kleines Vermögen an. 1905 heiratete er die vermögende Gabriele, gründete auf, wie es hieß, „schwindlerische Weise“ eine Aktiengesellschaft für den Vertrieb von mittelmäßigem Sekt.

Dem Pariser Leben in Saus und Braus folgte ein erster Dämpfer. Wegen gewerbsmäßigen Betriebs von Wettgeschäften erging 1914 ein Haftbefehl gegen  Haeusser, dem er sich entzog, weil er rechtzeitig seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegte und von dort nicht an Frankreich ausgeliefert wurde.

Suche nach der Wahrheit

1917 geriet der gebürtige Bönnigheimer in eine Lebenskrise, verließ Frau und Kind und begann mit der Suche nach der „Wahrheit“. Haeusser schrieb einen Brief an Kaiser Wilhelm II und forderte ihn auf, abzudanken, um das Blutvergießen zu beenden.

In Zürich lebte Haeusser, völlig heruntergekommen und mittellos, vom Essen in Volksküchen. 1919 wurde er verhaftet und als unerwünschter arbeitsloser Ausländer ausgewiesen. Bettelarm strandete der inzwischen 38-Jährige Ende 1919 bei seiner Schwester in Pforzheim.

Dann verschlug es ihn  in die Lebensreformersiedlung Monte Veritá (Berg der Wahrheit) in Ascona. Dort studierte er die ostasiatische Weisheit des Laotse. Später verglich Haeusser diese Erfahrung mit den 40 Tagen, die Jesu in der Wüste verbrachte.  Haeusser entwickelte sich vollends zum Wanderprediger und zog fortan mit wallendem Bart und Mönchskutte durch die Lande.

Als Wanderprediger unterwegs

Er betrachtete sich zu dieser Zeit als religiösen Führer und predigte in ganz Deutschland eine abenteuerliche Mischung aus urchristlichen Gedanken, Taoismus und Thesen von Nietzsche. Offensichtlich besaß er ein beachtliches rhetorisches Talent, das die Massen anzog. Zuweilen beschimpfte er seine Zuhörer bei seinen Vorträgen und Predigten sogar als Säue und Affen und konnte trotzdem, oder gerade deshalb, in kurzer Zeit etliche Anhänger um sich scharen.

„Reinigung durch Sex“

Viele Frauen fühlten sich von dem predigenden Heilsbringer magisch angezogen, vielleicht auch weil er ihnen einredete, dass sie gereinigt und geheiligt durch den sexuellen Kontakt mit ihm hervorgehen würden.

Nach dieser Phase begab sich Haeusser auf das politische Parkett und gründete im November 1922 zusammen mit Graf Adolf von Bothmer die Christlich-radikale Volkspartei, in der sich die zahlreichen Anhänger der Inflationsheiligen sowie Republikfeinde von linken und rechten Gruppierungen in Deutschland sammelten. Erklärtes Ziel dieser Partei war nichts Geringeres als die Vernichtung der alten Ordnung.

Haeusser bezeichnete sich als „Oberster Kriegsherr der Wahrheitsarmee“. Er wurde umgehend mit Redeverboten, Ausweisungen und Gefängnisstrafen belegt. Zudem erfolgten mehrere Einweisungen in Nervenkliniken. Dort diagnostizierte man bei ihm Hypomanie, mit der man seine gehobene Stimmung, das übergroße Selbstwertgefühl, die starke Kontaktfreudigkeit sowie die Neigung zu Grenzübertretungen im sozialen Bereich erklärte und stufte ihn zudem als Psychopathen ein.

Haeusser-Bibel verfasst

Als er in Oldenburg eine Haftstrafe absitzen musste, verfiel er in eine Depression. Dort überkam ihn, wie Stadtarchivar Gerlinger herausfand, ein unbändiger Schreibzwang. Auf Zetteln, Pack- und Klopapier verfasste Haeusser auf insgesamt 2413 Seiten das dritte und vierte Testament. Haeussers Anhängerschaft machte daraus ein Buch und vertrieb dieses unter dem Titel „Haeusser-Bibel“.

Im Juli 1923 wurde er in eine Berliner Haftanstalt verlegt und wegen geplatzter Rechnungen und Beamtenbeleidigung dort angeklagt. Dies brachte ihm eine relativ geringe Geldstrafe ein. Jedoch war Haeussers Stern im Sinken. Bei den Reichstagswahlen 1924 trat er mit dem von ihm selbst gegründeten „Haeusserbund“ an, mit dem er insgesamt 24 451 Stimmen erhielt, was 0,08 Prozent der abgegebenen Stimmen entsprach. Bei der Volkswahl zum Reichspräsidenten wollte Haeusser ebenfalls kandidieren, mangels Unterstützung scheiterte jedoch seine Kandidatur.

Nachdem er 1925 wieder einmal aus dem Gefängnis frei gelassen wurde, war seine Gesundheit ruiniert. Haeusser war innerlich gebrochen und politisch gescheitert. Ludwig Christian Haeusser starb am 9. Juni 1927 im Städtischen Krankenhaus Neukölln an Herzmuskelentzündung.

 
 
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