Fünf Jahre war Jochen Sandig Intendant der Ludwigsburger Schlossfestspiele, Internationale Festspiele Baden-Württemberg. Vor einem Jahr hatte er mitgeteilt, dass er seinen Vertrag nicht verlängert. 2022 war Gabriele Zerweck als Geschäftsführerin dazugekommen. Sie hatte einen Vertrag bis 2026, bat jedoch um Aufhebung, weil sie durch die Nachfolgeregelung für sich keine Zukunft bei den Schlossfestspielen sieht (die BZ berichtete). Am heutigen Freitag verabschieden sich die beiden offiziell bei der Freiluftmusik auf dem Ludwigsburger Marktplatz (ab 17 Uhr), einem Lieblingskind der beiden, die sie für die Schlossfestspiele entwickelt haben.
Schlossfestspiele Ludwigsburg Der Tag des Loslassens ist gekommen
Bei der Freiluftmusik an diesem Freitag verabschieden sich Geschäftsführerin Gabriele Zerweck und Intendant Jochen Sandig von den Schlossfestspielen.
Verlassen Sie die Schlossfestspiele mit einem lachenden und einem weinenden Auge?
Gabriele Zerweck: Ich war, zugegeben, sehr traurig, als der Aufsichtsrat seine Entscheidung bekannt gab, denn ich hatte eigentlich vor, meinen Vertrag bis Ende 2026 zu erfüllen, beziehungsweise auch gerne zu verlängern. Es waren für mich drei unglaublich intensive Jahre, die viel Kraft gekostet haben, aber auch eine ungemein freudvolle Zeit. Doch nun, nach einem schmerzlichen Prozess, kann ich nun in die Phase des Loslassens eintreten.
Jochen Sandig: Sowohl als auch. Mein Ziel war es, die Schlossfestspiele in eine Transformation zu führen, sie moderner aufzustellen und fit für die Zukunft zu machen. Nach fünf sehr intensiven Jahren ist dies nun ein guter Moment für eine Übergabe. Wehmütig bin ich vor allem, dass hiermit auch die Doppelspitze mit Gabriele Zerweck endet, denn das war die beste Entscheidung, die ich je hier getroffen habe, sie an Bord zu nehmen. Wir konnten die Schlossfestspiele verändern und haben gemeinsam viel geschafft. Wir hinterlassen auch wirtschaftlich eine sehr stabile Situation.
Was haben Sie aus Ihrer Sicht in Ihrer Amtszeit geschafft?
Jochen Sandig: Wir können mit Freude auf viel Erreichtes zurückschauen. Wir haben viele neue Akzente gesetzt und Weichen gestellt. Wir haben die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, die ich mir als Kompass für unseren Weg gab, gut umgesetzt. Wir haben mit der „Frei Luft Musik“ eine Öffnung zu einem vielfältigen Publikum geschaffen, mit der „Artist in Residence“-Reihe den Aufenthalt unserer Gäste intensiviert. So entstanden einige Uraufführungen „made in Ludwigsburg“, denn es ist eine wichtige Aufgabe eines innovativen Festivals, Neues zu schaffen. Künstlerisch haben wir sehr viele Akzente gesetzt und uns dabei immer auch gesellschaftlich sehr engagiert – für eine lebendige Demokratie.
Gabriele Zerweck: Für mich ist ein Erfolg, dass die Schlossfestspiele als Kulturunternehmen nun modern aufgestellt sind. Die Digitalisierung wurde vorangetrieben, das Team ist optimal zusammengesetzt. Wir haben Kreativität und Finanzen gemeinsam gedacht. Wir haben in dieser Saison die Eine-Million-Marke im Sponsoring geknackt, was 25 Prozent unseres Haushalts ausmacht. Wir haben die Rücklagen wieder aufgebaut und übergeben finanziell stabile Schlossfestspiele. Wir konnten die Drittmittel um 45 Prozent steigern, die Karteneinnahmen um 34 Prozent und die Besucherzahlen sind in den vergangenen drei Jahren um 27 Prozent hochgegangen. Und das bei gleichbleibenden öffentlichen Zuschüssen. Darauf sind wir stolz. Alle Mitarbeiter der Schlossfestspiele haben alles gegeben, um das zu erreichen.
Fühlten Sie sich durch die Stadt, den Gemeinderat und den Aufsichtsrat nicht richtig unterstützt?
Jochen Sandig: In finanzieller Hinsicht haben wir versucht, auf kreativen Wegen unseren Etat zu erhöhen, weil der städtische Zuschuss sich nicht erhöhte. Wir haben beispielsweise eine Drei-Millionen-Förderung des Bundes erhalten, aufgrund unseres Konzepts der Demokratie und Nachhaltigkeit. Eigentlich war diese Förderung als Anschubfinanzierung gedacht, um Stadt und Land für höhere Zuschüsse nach dieser Maßnahme zu motivieren. Als wir dann auch neue potente Sponsoren an Land zogen, gab es zu wenig Wertschätzung und das fand ich auf Dauer sehr frustrierend. Ich glaube, dass die Stadt sich klar sein muss, dass Sponsoren dann gerne Geld geben, wenn sie von dem inhaltlichen Konzept der Kultureinrichtung überzeugt sind und nicht, weil sie städtische Löcher füllen wollen.
Gabriele Zerweck: Es wurde ja ein sehr produktiver Prozess mit der Zukunftskommission in Gang gesetzt, in der das Gefühl, dass alle gemeinsam im Sinne der Schlossfestspiele an einem Strang ziehen, sehr präsent war. Ich hätte mir daher gewünscht, dass Aufsichts- und Gemeinderat den daraus resultierenden Empfehlungen, auch hinsichtlich der Doppelspitze, gefolgt wären. Wir haben vieles auf den Weg gebracht, was weiterentwickelt werden sollte, und dazu braucht es natürlich die Unterstützung und auch Wertschätzung aller Gremien.
Von welchen Konzepten, die sie eingeführt haben, hoffen Sie, dass diese bestehen bleiben?
Jochen Sandig: Ich wünsche mir, dass die Festspiele die Themen Demokratie und Nachhaltigkeit auch weiterhin im Fokus behalten, sowohl in der Organisation als auch als Konzept für Veranstaltungen. Dass die „Frei Luft Musik“ auf dem Marktplatz beibehalten wird, auch weil sie viele Erstbesucher angezogen hat, so viele wie nie zuvor. Auch die Education-Projekte mit den Schulen sollten weitergeführt werden. Die Talentsuche war mir sehr wichtig, es wäre schön, wenn spätere Stars weiterhin in Ludwigsburg ihre ersten Auftritte hätten. Und die Aktion „Bäume statt Blumen“ – wir haben in meiner Amtszeit 990 Bäume gepflanzt, dieser „Festspielwald“ möge weiterwachsen.
Gabriele Zerweck: Inhaltlich liegen mir die Künstlerresidenzen besonders am Herzen und strukturell bin ich absoluter Fan der Doppelspitze von Intendanz und Geschäftsführung, das ist die ideale Struktur, so eine Institution zu führen.
Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft der Schlossfestspiele?
Gabriele Zerweck: Ich wünsche den Schlossfestspielen alles erdenklich Gute für die Zukunft. Das Festival sollte dem Anspruch, etwas Außergewöhnliches und Besonderes zu sein, gerecht werden dürfen. Und dazu bedarf es nicht zuletzt einer finanziellen Basis.
Jochen Sandig: Ich hoffe, dass der Stadt bewusst wird, wie wichtig Kultur für eine Gesellschaft ist und dass das Budget nicht das Programm bestimmen sollte, sondern dass das Programm das Budget findet, das es braucht. Dass Kultur in Ludwigsburg noch funktioniert, ist vor allem den kreativen Akteuren zu verdanken, die sich unermüdlich für die Finanzierung der Projekte einsetzen.
Haben Sie schon Zukunftspläne?
Jochen Sandig: Ich freue mich auf eine kreative Pause mit meiner Frau in Form eines halbjährigen Sabbaticals. Danach möchte ich ein fast 100-jähriges Festival in Europa wieder wachküssen.
Gabriele Zerweck: Auch ich habe vor, wieder eine leitende Funktion bei einem Festival zu übernehmen, es gibt Gespräche in diese Richtung.