Die Druckwelle trifft den Zuschauer auch noch in gut fünf Metern Entfernung wie ein kräftiger Stoß, als „Karle‘s Oma“ losgeht: Eine Pulverwolke schießt aus dem gegossenen Rohr der Kanone, das mit einem nicht näher identifizierten Wappen geschmückt ist. Irgendwo aus Ostdeutschland kommt das Geschütz, eins der Prunkstücke des Vereins der Erligheimer Schwarzen Jäger, das wissen die Mitglieder und Schützen. Wegen ihrer sehr guten Pflege rangiert sie an der Spitze der Preisspanne für ein solches Geschütz: immerhin 4500 Euro.
Schwarze Jäger Erligheim Mit Pulver im Lauf darf niemand vom Platz
Beim Übungsschießen bereiteten sich die Schwarzen Jäger auf das bisher größte Böllerschützentreffen ihres Bestehens vor.
Die Ursprünge der Schwarzen Jäger liegen in den Revolutionskriegen: 1799, als die deutschen Länder von den französischen Revolutionsheeren bedroht wurden, dekretierte der Herzog am 6. Oktober in Stuttgart die Aufstellung der Fußjägerkompanie von Scharffenstein, die als Flügelkompanie dem Grenadierbataillon von Zobel zugeteilt wurde.
300 Mann war die Fußjägerkompanie stark, vier von ihnen kamen aus Erligheim. Es war eine besondere Einheit von Schützen, die nicht in den damals üblichen Formationsreihen vorrückten, sondern mit ihren Steinschlossgewehren das Ziel einzeln anpeilten und gezielt schossen. Die grüne Uniform mit dem schwarzen Aufklapp und dem schwarzen Hut, auf dem ein F II an ihren kurfürstlichen Dienstherren erinnerte, machten sie zu den „Schwarzen Jägern“. Heute gehören zur „Bewaffnung“ aber neben den Vorderladern auch die Stangenböller, die ihren Ursprung in der Stangebüchse des 13. Jahrhunderts haben, die Handböller, und eben mehrere Kanonen.
All das war am vergangenen Freitagabend zum Übungsschießen auf den Bauhof Erligheim gebracht worden. 19 Millimeter Durchmesser hat das Rohr von „Karles‘s Oma“, 25 Gramm Schießpulver kommen hinein, und 15 Gramm Verladung – ein Korken. Denn scharf geladen wurde sie natürlich nicht. Eine echte Kugel verschoss sie wohl noch nie, dazu müsste man wohl auch auf einen Bundeswehrübungsplatz, weiß man bei den Schwarzen Jägern.
Nur mit den Vorderladern wird manchmal beim Schützenverein geschossen. Denn: Sicherheit ist alles, und die Auflagen sind streng. „Wenn man es nicht übt, kann man es nicht“, weiß Markus Dröse, der Böllerbeauftragte der Schwarzen Jäger. Die sichere Feuerkraft der Mitglieder ist seine Verantwortung, und so hat er das Übungsschießen einmal im Monat etabliert. Die Nachbarn des Bauhofs hätten sich wohl daran gewöhnt, angemeldet sei es auch – ein paar Mal sei aber doch schon die Polizei dagewesen, wegen dem Schusslärm.
„Laden!“, „Korken setzen!“, „Gemeinsames Verdämmen!“, „Zünder setzen und Böller hoch“, „3-2-1-Feuer!“, gibt Dröse das Kommando für die Stangen- und den Handböller. Geübt werden so nacheinander der „Salut“, bei dem alle Schützen gleichzeitig abschießen, die „schnelle Reihe“, bei der die Böller direkt nacheinander gezündet werden, ebenso die „gegenläufige Reihe“, bei der drei Sekunden zwischen den Schüssen liegen. Das Üben lohnt sich, wie schnell deutlich wird. „Der ging nicht raus“, bemerkt der Böllerbeauftragte plötzlich, ausgerechnet nach dem Salut, wo beim gleichzeitigen Schuss die Fehlzündung leicht unbemerkt geblieben wäre – auch beim Schützen selbst. Der Grund: Das Zündplättchen hat nicht gezündet, das kommt öfter vor, wissen die Schwarzen Jäger.
Mit Pulver im Lauf darf niemand vom Platz, ist die glasklare Regel. „Versager Abschießen“ heißt die Nachzündung, die dann auch funktioniert. Dass man in dem Fall gleich weiß, wie zu handeln, ist Sinn und Zweck des regelmäßigen Übungsschießens, erklärt Dröse. Die Sicherheit steht an erster Stelle.
Zu Gast beim Süddeutschen Böllerschützentreffen
Das Übungsschießen fand am Vorabend des bisher größten Böllertreffens statt, das die Jäger bisher überhaupt besuchten: Am Samstag ging es zum Süddeutschen Böllerschützentreffen nach Kadeltshofen – wo sage und schreibe 750 Teilnehmer erwartet werden. Das sei schon ein ganz anderes Spektakel als dort auf dem Bauhof, wenn beim „Flächenbrand“, der „schnellen Reihe“ aller Züge, alle 750 Teilnehmer nacheinander abfeuerten.
Die Schwarzen Jäger rücken zu acht an, mit einer der Kanonen (Karle‘s Oma konnte nicht mit), einem Handböller und mehreren Standböllern. Und die Kleiderordnung wurde auch festgelegt: Weste, Lagermütze, weißes Hemd, Jägerkittel. So rücken die Schwarzen Jäger, auch 226 Jahre nach Napoleon und im 26. Jahr ihres modernen Bestehens, noch aus.