Schwerpunkt Literatur Unliebsame Geister

Von Jonathan Lung
In  Asperg, im Gefängnis Hohenasperg saßen seit dem Mittelalter auch einige unliebsame Schrieftsteller.⇥ Foto: Martin Kalb

Der Hohenasperg war lange politisches Gefängnis. Auf ihm wurden auch zahlreiche Dichter festgehalten, die den Staat kritisierten.

Hausberg der schwäbischen Intelligenz“ wurde er unter anderem genannt – wegen den zahlreichen auf ihm internierten Intellektuellen. Ab dem späten Mittelalter wurde die Festung Hohenasperg bis 1945 nahezu durchgehend als Gefängnis genutzt. Neben abgeurteilten Straftätern saßen dort auch politische Gefangene ein. So war die Festung wuchtiges Symbol der aktuellen Staatsmacht. Der Aufstieg auf „Württembergs höchsten Berg“ dauerte vielleicht nur wenige Minuten, der Abstieg für viele aber Jahre.

Zehn Jahre brauchte Christian Friedrich Daniel Schubart für diesen metaphorischen Abstieg. Von 1777 bis 1787 wurde der Dichter dort festgehalten – ohne Verhör, Anklage oder Urteil. Grund war seine kritische Haltung zu politischen Missständen, die er in seiner „Deutschen Chronik“ vertrat. Auch private spöttische Äußerungen über den Herzog dürften dazu beigetragen haben, dass dieser ihn in eine Falle locken und verhaften ließ.

Auf dem Hohenasperg durchlief der Delinquent verschiedene Haftstrafen, berichtet Joachim Rüeck, Sprecher des „Haus der Geschichte“, das das Museum in der Festung betreibt, wo heute die Schicksale der Gefangenen gezeigt werden. Die härteste Phase begann direkt nach Haftantritt: 377 Tage verbrachte er in Einzelhaft im heute nach ihm benannten Schubart-Turm. Die Zelle, die heute zugänglich ist, ist nicht die, in der er tatsächlich saß. Diese ist ein Stockwerk tiefer und nicht mehr zugänglich. Die Zellentür, die im Museum gezeigt wird, ist aber tatsächlich die seiner Zelle. Er durchlief eine Art religiöses Umerziehungsprogramm. „Im Gefängnis der Aufklärungszeit stand also nicht mehr die körperliche Züchtigung, sondern die geistig-moralische Disziplinierung im Vordergrund“, stellt Franziska Dunkel, Kuratorin im Haus der Geschichte, fest.

Die Behandlung zeigte aus Sicht der Mächtigen, Wirkung: Thema von Schubarts Gedichten, die er unter strenger Zensur während der Haft verfasste, waren Buße und Reue. Aber: „Man kann in den Menschen nicht reinschauen“, so Rüeck. Was tatsächlich neue Überzeugung war und was Überlebensstrategie, bleibt offen. Erst 1787 kam Schubart unter öffentlichem Druck frei. Ob ihn Friedrich Schiller während der Haft besuchte, ist zweifelhaft. Klar ist: Dieser musste ein ähnliches Schicksal befürchten, als er sein Drama „Die Räuber“ verfasste. Um dem zu entgehen, floh er nach Mannheim.

Der Arzt und Dichter Theobald Kerner war auch Gefangener in der Festung. Am 7. September 1850 wurde der Sohn von Justinius Kerner wegen Aufrufs zum Hochverrat zu zehn Monaten Festungshaft verurteilt. Während der Revolution von 1848/49 hatte er sich politisch engagiert, war in Weinsberg Hauptmann der Bürgerwehr und Stadtrat geworden. Seiner Verhaftung, die ihm nach einer revolutionären Rede in Heilbronn bevorstand, entzog er sich zuerst durch Flucht nach Frankreich. 1849 kehrte er aus familiären Gründen zurück und kandidierte für die Verfassungsrevidierende Landesversammlung Württembergs.

 
 
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