Seit 60 Jahren mit einer Japanerin befreundet Eine Freundschaft fürs Leben

Von Gabriele Szczegulski
Margarete Heinrich und ihre japanische Freundin Rumi Umemura vor einem Badehaus im japanischen Kusatsu bei ihrem ersten Treffen in Japan im Jahr 2017.⇥ Foto: Anke Hertner

Vor 60 Jahren traf Margarete Heinrich bei den Olympischen Spielen in Rom die Japanerin Rumi Umemura. Das geplante Treffen bei der Olympiade in Tokio 2020 fiel leider aus.

Olympische Spiele 1960 in Rom: Zwei junge Frauen schlafen zufällig gemeinsam in einem Zelt nahe des Olympischen Dorfes, in dem  die Sportler, die an den Spielen teilnehmen, leben, und sich oft besuchen dürfen. Sie sind junge Sportlerinnen, die von ihren Verbänden  zur Völkerverständigung nach Rom geschickt wurden, um den Spielen beizuwohnen und die Jugend der Welt zu repräsentieren. Eine davon ist Margarete Klein, Leichtathletin vom TV Germania Miesenheim im Rheinland, die gemeinsam mit 500 jungen Deutschen auserkoren wurde, nach Italien zu reisen. Die andere ist Rumi Umemura, Sportlerin aus Tokio. Die japanischen jungen Leute sollen ebenfalls ihr Land präsentieren, das vier Jahre später, 1964, Austragungsort der Olympischen Spiele war.

Ein Erlebnis, das die beiden bis heute bewegt und prägte. Und der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Heute heißt Margarete mit Nachnamen Heinrich, ist 78 Jahre alt und wohnt seit 1962 in Löchgau, seit sie ihren Mann, einen Löchgauer, beim Skifahren im Allgäu kennengelernt hatte. Rumi Umemura ist heute 80 Jahre alt und lebt in Tokio sowie in einem Sommerhaus in der Nähe von Kusatsu. Seit mehr als 60 Jahren sind die beiden befreundet. Die Töchter der Heinrichs, Jutta und Anke, nennen die Japanerin Tante Rumi.

Rumi Umemura war schon einige Male in Löchgau zu Besuch, da ihre Tochter in Großbritannien auf einem Internat war und mittlerweile dort lebt. Auch Tochter Tami verbrachte ihre Ferien mehrere Male in Löchgau. Mit Margarete Heinrichs Töchtern Jutta und Anke verbindet sie eine Freundschaft.

Doch Margarete Heinrich war bis 2017 noch nie in Japan. „Das war ein Lebenswunsch von mir, einmal Rumi dort zu treffen“, sagt sie. Die japanische Kultur interessiert sie seit ihrem Treffen in Rom sehr. Sie beschäftigte sich mit dem Shintoismus, dem Bhuddismus, der japanischen Meditation und ließ sich zur Reikimeisterin ausbilden. Nur nach Japan kam sie nicht.

„Das ergab sich irgendwie nie, weil Rumi oft in Europa war und mich dann auch besuchte, zudem muss man bei den Japanern auf eine Einladung warten, denn sie sind sehr traditionell und achten auf Höflichkeitsformen“, so Margarete Heinrich. 2017 war es dann soweit: Die Töchter der beiden Frauen überraschten sie mit einer komplett organisierten Reise durch Japan und einem Aufenthalt in Tokio sowie einem sechstägigen Besuch in Rumi Umemuras Sommerhaus in den Bergen in der Nähe von Kusatsu, der Partnerstadt von Bietigheim-Bissingen, gemeinsam mit ihrem Mann und Tochter Anke.

„Das war die Erfüllung meines Lebenstraums, wir haben so vieles gesehen, aber vor allem konnte ich viel Zeit mit Rumi verbringen. Es war so, als ob wir uns nie nicht gesehen hätten“, sagt Margarete Heinrich. Sie war hingerissen von Japan, seiner Kultur, den Menschen und von Kusatsu.

Der Bietigheim-Bissinger Arzt Erwin von Bälz war im 19. Jahrhundert Leibarzt des japanischen Kaisers und führte in Japan die moderne Medizin ein. Auf seine Initiative hin wurden die vulkanischen Quellen von Kusatsu zu dem heute erfolgreichsten Kurort in Japan ausgebaut.

„Ich glaube, von Bälz ist in Japan bekannter als in Deutschland, jeder kennt seinen Namen“, sagt Margarete Heinrich, die mit Mann und Tochter Anke in den heißen Quellen badete, die Stadt erkundete und vor allem die Gespräche mit ihrer Freundin genoss.

„Eigentlich sind wir beide gar nicht so unterschiedlich, außer dass die Japaner erstmal sehr reserviert sind, bis sie einen kennen lernen und sich dann öffnen“, sagt sie. Früher schrieben sich die Frauen lange Briefe.

Durch E-Mails sei jedoch alles etwas leichter geworden, man könne schneller am Leben der anderen teilnehmen. Auch Geschenke, wie japanisches Porzellan, fanden den Weg nach Löchgau und Ludwigsburger oder Meissener Porzellan wurden nach Japan geschickt. Immer wenn Margarete Heinrich Tee aus einer japanischen Tasse trinkt, denkt sie an ihre Freundin.

Die Töchter der beiden Frauen hatten schon ein nächstes Treffen geplant, bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. Da die  Spiele abgesagt wurden, fand das zum Bedauern von Margarete Heinrich nicht statt.

„Wir haben uns lange darüber unterhalten, wie die Pandemie bei uns und in Japan durchgehalten wird, Rumi liest viel über Deutschland“, so Margarete Heinrich. In Japan seien die Regeln viel strenger als in Deutschland. „Die Japaner sind sehr obrigkeitshörig, sie tun, was ihnen gesagt wird.“ An eine Reise sei auch in diesem Jahr wohl  nicht zu denken. Noch sind die Olympischen Spiele, die auf dieses Jahr verlegt wurden, nicht abgesagt, aber: „Rumi glaubt nicht daran, dass sie stattfinden.“

In Japan beträgt die Anzahl bestätigter Fälle derzeit rund 5500 pro Tag, Tendenz steigend, deshalb  besteht die Angst vor einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Aber die Löchgauerin Margarete Heinrich ist voller Hoffnung, dass sie noch einmal in „mein geliebtes Japan und zu meiner lieben Freundin“ reisen kann. „Darauf lebe ich hin.“

 
 
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