Selbsthilfegruppe in Bönnigheim Ein Raum für Sternenkinder

Von Gabriele Szczegulski
Gabi Knoblauch mit einer Pusteblume, die sie an ihren „still“ geborenen Sohn Lukas Mourice erinnert. Nun eröffnet sie in Bönnigheim eine Selbsthilfegruppe. Foto: /Oliver Bürkle

Gabi Knoblauch eröffnet an diesem Freitag die Selbsthilfegruppe „Pusteblume“ für Eltern von Babys, die in der Schwangerschaft oder vor oder nach der Geburt gestorben sind.

Pusteblume“ hat die Bönnigheimerin Gabi Knoblauch (44) die Selbsthilfegruppe genannt, die sie mit dem ersten Treffen am heutigen Freitagabend im evangelischen Gemeindehaus in Bönnigheim ins Leben ruft.  „Das Leben ist wie eine Pusteblume, wenn die Zeit gekommen ist, muss jeder Samen für sich alleine fliegen“, erklärt Knoblauch die Wahl des Namens für die Selbsthilfegruppe.

Der Verlust eines Kindes verändert alles

Und diese Beschreibung passt auf Sternenkinder. So werden Kinder genannt, die noch während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder kurz nach der Geburt verstorben sind. „Der Verlust eines Kindes verändert alles“, sagt Knoblauch, auch wenn dieses Kind nie am Leben teilnehmen konnte. „Viele im Umfeld verstehen nicht, wie dieser Verlust einem den Boden unter den Füßen wegreißen kann und dass man ein Leben lang mit dem Sternenkind lebt“, sagt sie. Für Eltern, die – wie sie selbst – von diesem Verlust betroffen sind, will sie in der Selbsthilfegruppe einen Raum unter Betroffen schaffen.

19 Jahre alt wäre Gabi Knoblauchs Sohn Lukas Mourice jetzt. Er kam in der 26. Schwangerschaftswoche „still“ zur Welt, Still heißt, er wurde tot geboren, weil sich die Plazenta abgelöst hatte. „Das war vollkommen überraschend, die Schwangerschaft verlief gut, alles war in Ordnung“, erinnert sie sich. Als sie mit plötzlichen Schmerzen in die Klinik Heilbronn eingeliefert wurde, schickten die sie mit Magnesium-Tabletten und dem Rat, sich zu beruhigen, nach Hause, erzählt sie. „Es seien normale Vorwehen, hieß es“, so Knoblauch. Am nächsten Tag wurde dann ihr Sohn im Krankenhaus Bietigheim tot zur Welt gebracht. „Meine Welt stürzte ein, ich wollte nicht mehr leben“, sagt sie.

„Sie sind noch so jung, sie können wieder Kinder kriegen“, sagte eine Pflegerin zu ihr. „Diesen Satz will man in dieser Situation nicht hören“, sagt sie. Dennoch fühlte sie sich sehr verstanden vom Rest des Personals. „Man machte sogar Fotos von meinem Sohn, was wichtig für die Mütter ist“, zudem durfte sie ihren Sohn noch eine ganze Zeit lang in den Armen halten. Nach psychologischer Betreuung stand ihr in dem Moment nicht der Sinn, sie wollte nur trauern, mit dem Vater des Kindes, mit ihren Angehörigen,

Nach einer Zeit der tiefen Trauer aber fühlte sie sich nicht mehr verstanden. „Keiner wollte das Thema ansprechen, es ist immer noch ein Tabu in der Gesellschaft, ich hatte das Gefühl, keiner weiß, wie ich leide und hinzu kamen noch die Selbstvorwürfe und Schuldgefühle, nicht das richtige getan zu haben, schuld am Tod des eigenen Kindes zu sein“, sagt sie. Sie fand Hilfe und Trost in einer Selbsthilfegruppe in Ludwigsburg, die es aber nicht mehr gibt. Im Babyzentrum Ludwigsburg haben inzwischen die Ingersheimer Katrin und Sven Lasinski den Gesprächskreis Wolkenband gegründet (die BZ berichtete), auch zu ihnen hat Knoblauch Kontakt.

0,3 Prozent der Baby kommen „still“ zur Welt

Die Lasinskis verloren Zwillinge „still“, das war der Grund für sie, diesen Kreis zu gründen. „Es gibt viel zu wenig Möglichkeiten für Eltern mit Sternenkindern, sich zu treffen“, sagt Knoblauch. Im Bundesschnitt kommen rund 0,3 Prozent der Babys „still“ zur Welt oder sterben kurz nach der Geburt. Es sei wichtig, das hat sie selbst gemerkt, mit den Gefühlen nicht alleine zu sein, sondern mit Menschen, die ähnliches erlebt haben. Auch, dass Eltern von Sternenkindern Erinnerungen brauchen oder symbolische Akte wie einen Erinnerungsbaum oder die Schmetterlingsbeerdigung, verstünden Außenstehende nicht. „Ich bekam ein Moosherz auf der Station, das habe ich heute noch und erinnert mich an meinen Sohn.“ Auch dass sie ein Grab hat, zu dem sie gehen kann, sei wichtig. Die meisten Sternenkinder kommen in ein Gemeinschaftsgrab.

Die Angst, noch mal ein Kind zu verlieren

Knoblauch bekam ein Jahr später Zwillingsmädchen – „ein großes Glück“. „Ich war übervorsichtig und ängstlich in der Zwillingsschwangerschaft, ich hatte Angst, noch mal nicht noch einmal ein Kind zu verlieren“, sagt sie. Lena und Mariella kamen gesund zur Welt und sind vor Kurzem 18 Jahre alt geworden.

Gabi Knoblauch engagiert sich für die Schmetterlingsbeerdigungen im Krankenhaus Ludwigsburg, machte Ausbildungen in Krisenintervention und zur Trauerbegleiterin, alles neben ihrem Beruf als Kinderpflegerin im evangelischen Kindergarten in Bönnigheim. Sie sammelt Spenden für das Kinderhospiz Ludwigsburg. Zudem wurde sie für das Buch „Von der Traumgeburt bis zum Geburtstrauma“ von Bettina Schiller interviewt.

 
 
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