Der Beruf des Lehrers hat sich verändert. Nicht nur durch den Einsatz von mehr Technik. Diversere Klassenzusammensetzungen bringen andere Ansprüche mit sich, nicht zuletzt ist es der fortschreitende Ausbau der Ganztagsschule, der neue Konzepte erforderlich macht und den Lehrkräften mehr abverlangt.
Serie: Bildungskompass Lehrkräfte beklagen zu viel Bürokratie
In diesem Serienteil betrachtet die BZ den Lehrerberuf und die Umfrageergebnisse dazu. Positiv wurde die Zusammenarbeit im Kollegium bewertet, negativ das Übermaß an Bürokratie.
Lehrer bewerten im Kreis ihren Beruf mit 3,36
Im Rahmen des „Bildungskompass“ (siehe Info-Box), der sich dem Thema Bildung auf unterschiedliche Art nähern will, wurden unter anderem auch Lehrkräfte anhand von einzelnen Beurteilungen zu ihrem Beruf befragt.
Mit einer 3,36 im Durchschnitt haben befragte Lehrer und Lehrerinnen im Landkreis Ludwigsburg ihren Beruf bewertet. Dabei wurde die Zusammenarbeit im Kollegium mit der Bestnote eins ausgezeichnet. Mit einer vorzeigbaren 1,85 im Durchschnitt bewerteten die befragten Lehrkräfte die Chance, sich ausreichend weiterzubilden. Die Zusammenarbeit mit der Schulleitung bekam ein „gut“ (Durchschnittsnote 2,15), die mit den Eltern rutschte in den Dreier-Bereich (3,31). Problematisch bewerteten die Befragten Verwaltungsaufgaben und Bürokratie, die im Schulsystem viel Zeit rauben. Als Schulnote ausgedrückt: Mangelhaft (im Durchschnitt 5,46).
Bürokratischer Aufwand von Lehrkräften ist gewachsen
Die BZ hat bei Markus Nutz nachgefragt, welche bürokratischen Aufgaben Lehrkräfte bewältigen müssen. Nutz ist Schulleiter der Waldschule in Bissingen, die eine Gemeinschaftsschule mit einer Primarstufe (Klasse 1 bis 4) und einer Sekundarstufe (Klasse 5 bis 10) ist. Ebenso ist er geschäftsführender Schulleiter der Schulen in Bietigheim-Bissingen (ausgenommen Gymnasien). Erst einmal mache es einen großen Unterschied, in welchem Bereich eine Lehrkraft tätig sei, erklärt der Schulleiter. Im Ganztagsbereich beispielsweise oder auch in der Sonderpädagogik gebe es für die Lehrer und Lehrerinnen deutlich mehr bürokratischen Aufwand, sagt Nutz.
Im Ganztag müsse etwa schriftlich festgehalten werden, welcher Schüler nachmittags an welchem Angebot teilnimmt. „Dazu müssen Listen geführt werden und es muss mit Eltern und Involvierten kommuniziert werden“, so Nutz weiter. Der Verwaltungsaufwand sei erheblich. Denn diese Gespräche beispielsweise mit den Eltern über Telefon, Messenger-Dienste und E-Mails müssten dokumentiert werden. Es gebe zahlreiche Formulare und Dokumentationsbögen, in denen Ziele formuliert werden, auch gebe es Coaching-Gespräche. „Das ist alles deutlich mehr geworden – in der Gemeinschaftsschule sowieso, aber auch in der Grundschule“, sagt der Schulleiter.
Es hat sich viel verändert in den vergangenen Jahren
Nutz stellt den heutigen bürokratischen Aufwand mit dem vor 30 Jahren gegenüber. Damals hätten Lehrer und Lehrerinnen eben Noten gegeben und nur im Einzelfall Elterngespräche geführt. Heutzutage gebe es regelmäßige Gespräche mit den Eltern, die dann auch noch dokumentiert werden müssen. Auch Erhebungen zum Lernstand und andere Überprüfungen aller Art seien hinzugekommen. „Es gab früher auch fast nichts zum Datenschutz“, sagt er weiter. „Mittlerweile gibt es in dem Bereich eine unheimliche Fülle.“
Mit den neuen Kommunikationsmedien seien auch neue Abfragen hinzugekommen, etwa wenn es um die (Online-)Veröffentlichung von Namen bei der Einschulung geht oder auch, ob Kinder auf Fotos zu sehen sein dürfen.
Die Vielfalt habe ebenso im Bereich Ernährung und Erkrankungen zugenommen, die gerade Klassenlehrer im Ganztagsbereich kennen und schriftlich festhalten müssen. „Ich verstehe natürlich auch die Eltern, die um ihre Kinder besorgt sind. Für uns aber ist das ein sehr weites Feld“, sagt Nutz und gibt noch ein Beispiel: Heutzutage sei schriftlich festzuhalten, ob Kinder nach der Schulkindbetreuung alleine nach Hause gehen oder abgeholt werden; und wer abholberechtigt ist. Nicht immer seien das beide Elternteile oder alle Verwandten. Das müsste von den Schulkindbetreuern im Blick behalten werden.
Ist der Lehrerberuf unattraktiver geworden?
Vielerorts wird ein Mangel an ausgebildeten Lehrkräften verzeichnet. Hat der Beruf des Lehrers demnach in den letzten Jahren durch die neuen Pflichten und Aufgaben an Attraktivität verloren? Das verneint Markus Nutz. „Der Zulauf ist ungebrochen und die jungen Lehrer und Lehrerinnen, die zu uns kommen, sind sehr motiviert.“ Der Grund für die fehlenden Lehrkräfte liege bei der Steuerung durch das Land und bei der mittel- und langfristigen Planung, sagt der Schulleiter deutlich.
Zur Umfrage „Bildungskompass“
An der nicht repräsentativen Umfrage zum Thema Bildung haben im Verbreitungsgebiet der Südwest Presse im Frühjahr dieses Jahres insgesamt 6211 Leserinnen und Leser teilgenommen. Der Großteil der Antworten (5788) kam von Erwerbstätigen und Rentnern im Alter von 30 bis 79 Jahren, zwei Drittel der Teilnehmer waren weiblich.