Serie Fußball lokal: Großer Umbruch beim SGV Freiberg Grüttner ist der neue Leitwolf

Von Andreas Eberle
Torjäger, Kapitän, Identifikationsfigur und Sportlicher Leiter in Personalunion: Marco Grüttner wechselte vom Zweitligisten SSV Jahn Regensburg zum SGV Freiberg. ⇥ Foto: Hansjürgen Britsch/Imago

Der Oberligist SGV Freiberg verstärkt sich hochkarätig, will aber von der Favoritenrolle nichts wissen. Nur ein Spieler ist im Team bisher gesetzt.

Vor dem Start der Oberliga-Spielzeit 2020/21 tun die Verantwortlichen des SGV Freiberg ihr Bestes, um die Erwartungshaltung im Umfeld zu dämpfen. „Wir gehen mit viel Demut in die Saison“, sagt Sportdirektor Christian Werner und setzt die Messlatte bewusst niedrig an: „Unser grundsätzliches Ziel ist es, besser abzuschneiden als letzte Saison.“ Zur Erinnerung: Damals standen die Wasen-Kicker bis zum Rundenabbruch auf Rang 16 – einem Abstiegsplatz. Insofern war der SGV am Ende sogar einer Nutznießer von Corona und der Regelung, dass es keine Absteiger aus den Amateurligen gibt.

Dass die Freiberger nun tatsächlich mit einem Mittelfeldplatz zufrieden wären, darf allerdings getrost bezweifelt werden. Denn erstens sieht ihr auf zwei Jahre angelegtes Projekt den Sprung in die Regionalliga Südwest bis spätestens 2022 vor. Und zweitens hat der Verein den Transfermarkt in den vergangenen Wochen und Monaten so durcheinandergewirbelt wie kaum ein anderer Klub in der Liga. 21 Abgängen stehen 19 Zugänge gegenüber. Hinzu kam ein Trainerwechsel, der zu dem Zeitpunkt überrascht hat: Nach gerade mal drei Wochen Vorbereitung schickte der SGV Milorad Pilipovic weg. Dabei war der 62-jährige Serbe erst im November 2019 als Retter in der Not verpflichtet worden. Sein Nachfolger wurde Evangelos Sbonias (37), der zuletzt die TSG Backnang aus der Verbandsliga zurück in die Oberliga geführt hat. Wie es der Zufall will, ist der von allen nur „Laki“ genannte Grieche zum Rundenauftakt am Samstag mit seiner neuen Mannschaft just in Backnang zu Gast.

Kapitän und Sportlicher Leiter

Von einem „brutalen Kader-Umbruch“ spricht Werner mit Blick auf die große Fluktuation, zu der sich der SGV nach der verkorksten Vorsaison gezwungen sah. Als „Königstransfer“ bezeichnet der Sportchef die Rückkehr von Marco Grüttner, der schon von 2007 bis 2009 am Wasen kickte. Den 34-jährigen Mittelstürmer zog es vom SSV Jahn Regensburg in die schwäbische Heimat zurück. Beim Zweitligisten aus der Oberpfalz trug Grüttner drei Jahre lang die Kapitänsbinde. Diese Ehre wird ihm nun auch beim Oberligisten zuteil. „Ich bin nicht nach Freiberg gekommen, um meine Karriere ausklingen zu lassen. Ich habe auf das Projekt hier richtig Bock“, bekräftigt der gebürtige Ludwigsburger, der vor Tatendrang sprüht. In Freiberg ist er nicht nur als Torjäger, Führungsspieler und Identifikationsfigur eingeplant, sondern auch als Sportlicher Leiter und damit rechte Hand von Werner.

Doch auch die weiteren Verstärkungen haben Klang und Namen: Linksaußen Michael Klauß (33), bei den Stuttgarter Kickers aus Altersgründen aussortiert, bringt viel Profi-Erfahrung mit und hat in seiner Vita 76 Zweitliga- und 134 Drittliga-Spiele stehen. Wegen einer Fußverletzung hat er aber die Vorbereitung weitgehend verpasst. Der gleich alte Dominik Salz stand in der Vergangenheit regelmäßig auch auf dem Wunschzettel vom Nachbarn FSV 08 Bissingen. „Er ist ein sensationeller Spieler und war für mich in den letzten Jahren immer der beste Stürmer der Oberliga. Außerdem ist er ein Riesentyp“, schwärmt dessen Trainer Alfonso Garcia vom langjährigen Pforzheimer Torjäger.

Auch die letzte freie Planstelle besetzte der SGV mit einer Neuverpflichtung aus der Kategorie „Kracher“: Christian Mauersberger (25) bestritt einst 14 Junioren-Länderspiele für Deutschland und 43 Drittliga-Partien für Zwickau und Chemnitz. Zuletzt war der offensive Mittelfeldmann der Star beim 1. FC Rielasingen- Arlen. Die Neuzugänge Frano Buhovac, Lukas Hoffmann, Yannick Thermann, Aaron Nkansah, Jonathan Zinram, Julian Grupp sowie Rohdiamant Flamur Berisha sind ebenfalls Kandidaten für die erste Elf. Hinzu kommen Leistungsträger, die bereits bisher im Aufgebot standen – wie Torwart-Routinier Sven Burkhardt, die Defensivspezialisten Kevin Ikpide und Volkan Celiktas, die Mittelfeldstrategen David Müller und Patrick Fossi oder Kreativspieler Hakan Kutlu. Letzterer blüht nach seiner Formkrise derzeit unter Sbonias wieder auf.

Gerüst muss noch entstehen

Die große Herausforderung für den jungen Trainer wird es sein, die illustre Ansammlung an Einzelkönnern zu einer Einheit zu formen, die auf und neben dem Rasen harmoniert. Abgesehen von Grüttner hat zunächst noch kein Spieler eine Stammplatzgarantie. „Wie sich das Team um Marco aufstellt und wer neben ihm die weiteren Eckpfeiler sein werden, muss sich noch herauskristallisieren. Das braucht eine gewisse Zeit“, sagt Sbonias.

Übrigens: Zumindest Joachim Plemenik wagte sich beim Saisonziel aus der Deckung. Die Freiberger Vereinsikone trug in der offiziellen Pressemappe, offenbar eigenmächtig, „oben mitspielen“ ins entsprechende Feld ein – und das sollte aus Sicht vieler Experten mit dem Kader wohl auch der Anspruch am Wasen sein.

 

Das Aufgebot des SGV Freiberg

Tor: Sven Burkhardt, Theo Saubert, Julian Guttenson, Alexander Michalik.

Abwehr: Frano Buhovac, Kevin Ikpide, Volkan Celiktas, Yannick Thermann, Steven Keklik, Berkan Alimler, Lukas Hoffmann, Aaron Nkansah, Talha Özen, Nico Seegert, Leon Tarik Cerkez.

Mittelfeld: David Müller, Christian Mauersberger, Patrick Fossi, Julian Grupp, Michael Klauß, Flamur Berisha.

Angriff: Marco Grüttner, Dominik Salz, Jonatahn Zinram, Dean Malo.

Trainer: Evangelos Sbonias.

Zugänge: Marco Grüttner (SSV Jahn Regensburg), Dominik Salz (TSV Grunbach), Jonathan Zinram, Julian Grupp (beide 1. CfR Pforzheim), Christian Mauersberger (1. FC Rielasingen-Arlen), Flamur Berisha (FC 08 Villingen), Lukas Hoffmann (SSV Ulm 1846), Michael Klauß (Stuttgarter Kickers), Aaron Nkansah (Calcio Leinfelden-Echterdingen), Berkan Alimler (FSV Optik Rathenow), Yannick Thermann (vereinslos, bis 2019 SG Sonnenhof Großaspach), Leon Tarik Cerkez (TASV Hessigheim), Julian Guttenson (Stuttgarter Kickers U19), Theo Saubert, Talha Özen, Dean Malo (alle eigene U19).

Abgänge: Ouadie Barini (VfR Aalen), Denis Zagaria (Stuttgarter Kickers), Spetim Muzliukaj, Denis Latifovic, Ruben Volkert (alle FSV 08 Bissingen), Simon Klostermann (TSG Balingen), Steven Kröner, Ali Ferati (beide SV Fellbach), Mert Tasdelen, Niklas Pollex (beide TSG Backnang), Filip Milisic (1. Göppinger SV), Matthias Stüber (TSV Ilshofen), Mario Andric (FC Kufstein), Kreshnik Lushtaku (Türkspor Neckarsulm), Leon-Sky Tuksar (SSV Reutlingen), Besnik Koci (TSV Essingen), Daniel Kaiser (SV Tasmania Berlin), Alexander Loch (Ziel unbekannt).

 
 
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