SG BBM, Interview mit Sportdirektor Gerit Winnen „Spielerinnen waren zu oft am Limit“

Von Andreas Eberle
Da herrschte im Bietigheimer Lager noch eitel Sonnenschein: SG-Sportdirektor Gerit Winnen trägt nach der deutschen Meisterschaft 2018/19 stolz die Goldmedaille um den Hals. ⇥ Foto: Jan Simecek

Sportdirektor Gerit Winnen spricht über das schlechte Abschneiden der SG BBM Bietigheim im internationalen Geschäft und richtet den Fokus nun auf die Titelverteidigung in der Bundesliga.

Seit 2011 fungiert Gerit Winnen bei den Handballerinnen der SG BBM Bietigheim als Sportlicher Leiter. Im Interview spricht der 45-Jährige über die Gründe für das Scheitern auf europäischer Ebene, den Bundesliga-Zweikampf mit Borussia Dortmund und die Personalplanungen für die neue Saison.

Warum ist die SG BBM als Deutscher Meister international nicht konkurrenzfähig?

Gerit Winnen: Der Tanz auf drei Hochzeiten war in dieser Saison für uns eine Riesenherausforderung. Im Rückblick haben wir der großen Belastung Tribut zollen müssen. In der Champions League waren wir mit Brest, Buducnost und Valcea in einer attraktiven, aber auch sehr schwierigen Gruppe. In Valcea haben wir unglücklich zu hoch verloren und hatten später dann auch im direkten Vergleich selbst verschuldet knapp das Nachsehen. Die Champions League hat ein sehr hohes Niveau. Da ist es auch für einen Deutschen Meister nicht selbstverständlich, in die Hauptrunde einzuziehen, obwohl das vor der Saison unser Ziel war.

Am Wochenende folgte nun auch im Europapokal das vorzeitige Aus. Wie konnte das passieren?

Ganz klar: Wir waren in der Gruppe Mitfavorit. Leider haben wir auch hier dreimal die Big Points nicht gemacht. Man sollte aber den extremen Terminschlauch, den wir hatten, berücksichtigen – auch wenn das keine Entschuldigung sein soll. Zehn Spiele absolvierten wir im Januar abwechselnd im Europapokal und in der Bundesliga – und dazwischen noch das wichtige Pokalduell in Dortmund um die Qualifikation für das Olymp Final Four in Stuttgart. Nach der WM in Japan waren die vielen Partien für die Spielerinnen eine enorme Belastung. Sie waren zu oft am Limit.

Aber der Thüringer HC, Erster der Gruppe A mit fünf Siegen in fünf Spielen, hat sich im EHF-Cup wesentlich besser geschlagen – trotz einer ähnlichen Belastung.

Das stimmt, wobei ich unsere Gruppe D nicht mit der Gruppe A qualitativ gleichstellen möchte, die der Thüringer HC hat. Lada und Herning-Ikast sind keine Laufkundschaft. Dasselbe gilt für Storhamar, gegen die wir in der vergangenen und in dieser Europapokal-Saison zweimal in letzter Sekunde mit einem Tor Unterschied verloren haben.

In beiden europäischen Wettbewerben gab es im Ausland Niederlagen, sechs am Stück. Liegt bei der Vorbereitung auf diese Spiele oder der Reiseorganisation etwas im Argen?

Wir verfügen über sehr professionelle Rahmenbedingungen und reisen immer mit entsprechend Vorlauf an. So sind dann auch im Ausland gute Trainingseinheiten und Taktikbesprechungen gewährleistet. Da kann ich nur ein Lob an die Mitarbeiter im Verein aussprechen, die das organisieren. Neben unserer eigenen Leistung sind für mich die Spielstärke der Gegner und, speziell im EHF-Cup dieses Jahr, die Terminflut im Januar mit ausschlaggebend für unser enttäuschendes Abschneiden.

Im Heimspiel am Sonntag in Ludwigsburg geht es für Bietigheim nur noch um die Ehre, während der Gegner Storhamar noch ums Weiterkommen kämpft. Wird sich das Team noch mal zusammenreißen?

Grundsätzlich verkörpern wir immer eine Siegermentalität und wollen jedes Spiel gewinnen. Mit Storhamar haben wir noch eine große Rechnung offen. Ich bin davon überzeugt, dass die Zuschauer ein ähnlich attraktives und kämpferisches Spiel unserer Mannschaft sehen werden wie vor gut einer Woche gegen Metzingen. Wir wollen uns mit Charakter und Anstand aus dem Europapokal verabschieden.

Auch national lief es bisher nicht nach Wunsch. Im DHB-Pokal flog die SG BBM in Dortmund raus und verpasste den vierten Einzug ins Final Four hintereinander.

Der BVB hat sich zu dieser Saison extrem verstärkt und Weltklasse-Handballerinnen verpflichtet. Dortmund im Viertelfinale auswärts ist eine extrem schwere Aufgabe, erst recht an einem Mittwoch zwischen zwei Europapokalspielen – eine Ansetzung, die ich übrigens für ein Unding halte. Wir haben in Dortmund alles gegeben, aber es hat gegen eine sehr starke Mannschaft eben nicht gereicht.

In der Bundesliga sind es drei Punkte Rückstand zu Dortmund. Wie sehen Sie da die Ausgangslage?

Ich hätte nicht gedacht, dass wir zum Start der Rückrunde drei Punkte mehr haben als der THC, aber auch nicht, dass wir drei Punkte hinter Dortmund stehen. Ich hoffe nicht, dass unser Unentschieden in Oldenburg der entscheidende Punktverlust im Kampf um die Meisterschaft war. Der Tanz auf drei Hochzeiten ist vorbei, wir kommen bald wieder in den normalen Rhythmus. Wir dürfen keine Federn mehr lassen und müssen das Torverhältnis aufmöbeln, um so für das hoffentlich entscheidende Duell in Ludwigsburg gegen Dortmund gewappnet zu sein. Es geht darum, den Druck auf den BVB aufrechtzuerhalten. Wenn Dortmund strauchelt, sind wir da.

Fehlt in dieser Saison vielleicht auch etwas der Zug, weil schon lange bekannt ist, dass Coach Martin Albertsen den Klub im Sommer verlässt?

Überhaupt nicht. Martin ist ein Toptrainer, der jetzt im fünften Jahr in Bietigheim sehr erfolgreich arbeitet. Seine Entscheidung war, das Angebot aus der Schweiz anzunehmen, und er hat uns das frühzeitig kommuniziert. Viele Spielerinnen arbeiten mit ihm seit Jahren zusammen. Ich bin mir sicher, dass sie sich selbst und vor allem auch Martin einen krönenden Abschluss mit der deutschen Meisterschaft wünschen und dafür alles tun werden.

In den sozialen Medien wird auch Kritik am Trainer laut. Hat Albertsen nach all seinen Verdiensten um die SG bis zu seinem Abschied im Sommer eine Jobgarantie?

Wir haben treue, fantastische und mündige Fans, für berechtigte Kritik haben wir ein offenes Ohr. Sie können aber davon ausgehen, dass wir mit Martin bis zum Sommer zusammenarbeiten. Zwischen Trainer und Team gibt es keine Störung. Als Martin die SG im Dezember 2014 als Cheftrainer übernommen hat, standen wir im Mittelfeld der Bundesliga und haben von solchen Erfolgen, wie wir sie in den vergangenen Jahren hatten, nur geträumt. Das darf man nicht vergessen. Martin ist immer noch mit vollem Einsatz beim Projekt Bietigheim dabei und möchte sich unbedingt mit der dritten deutschen Meisterschaft verabschieden.

Inwiefern wirkt sich der anstehende Trainerwechsel von Albertsen zu Markus Gaugisch schon jetzt aus?

Der Trainerwechsel war in der Mannschaft sicher ein großes Thema. Unsere Spielerinnen sind von anderen Topklubs extrem umworben – und dann liegt der Fokus während der Transferperiode vielleicht auch nicht immer zu 100 Prozent auf dem Sport. Das ist menschlich. Andererseits besteht unser Kader ausschließlich aus Vollprofis. Manche davon haben so eine Situation schon mehrfach erlebt. Deshalb sollte dies kein Alibi darstellen.

Wie weit ist die SG BBM mit der Personalplanung für die neue Runde?

Markus und ich planen schon seit Monaten die neue Mannschaft. Wir verfügen aktuell über einen exklusiven Kader. Mit Xenia Smits ist uns bisher ein Top-Transfer für die kommende Saison gelungen. Wir haben weitere Zusagen und Verträge in der Schublade liegen. Grundsätzlich wird es aber schwer sein, die Mannschaft, die wir jetzt haben, komplett zusammenzuhalten – gerade auch, weil einige Spielerinnen bei der WM herausragende Leistungen gezeigt haben. Aber hier ist aufgrund anhaltender Verhandlungen noch nichts spruchreif.

 
 
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