Europäischer Tag des Notrufs „Notfallrettung ist viel Improvisationskunst“

Von Heidi Vogelhuber
Bietigheim
DRK Rettungswache am Krankenhaus
von links: Franziska Schorn, Tobias Mäule und Simon Pfisterer Foto: Martin Kalb

Drei Notfallsanitäter, drei Geschichten, ein Ziel: Leben retten. Ein Blick in den Arbeitsalltag der DRK-Rettungswache in Bietigheim-Bissingen.

Kurz vor zwölf, Zeit für’s Mittagessen. Gesellig setzen sich die Notfallsanitäter der Rettungswache Bietigheim-Bissingen, die gegenüber der Notaufnahme des Krankenhauses angesiedelt ist, an den Tisch in ihrem gemütlichen Gemeinschaftsraum. Es herrscht gelöste Wohnzimmer-Atmosphäre. Einen Augenblick später werden die entspannten Gespräche durch das Piepsen der Melder unterbrochen. Ein letzter Blick auf das Mittagessen und schon sind die Retter auf dem Weg zu ihrem Einsatzfahrzeug.

Der Ton macht die Musik

Am Ton des Melders ist erkennbar, wie dringend der Einsatz ist. Die Leitstelle hat bereits entschieden, ob es ein „Einsatz mit Sonderrechten“ – also mit Blaulicht und Martinshorn – ist oder nicht. „Mit“ heißt eine Minute bis zur Abfahrt, „ohne“ sind es drei.

„Ja, das passiert uns hier öfters, dass das Essen kalt wird“, sagt Franziska Schorn und lacht. Die 23-Jährige ist seit Oktober fertig mit ihrer Ausbildung zur Notfallsanitäterin. „Ich sage meinen Freunden für Verabredungen gar keine feste Uhrzeit mehr zu“, sagt sie. Denn selbst wenn der Melder 20 Minuten vor Feierabend anspringt, eilen die Retter noch zum Einsatzfahrzeug. Das ist zumeist ein Rettungstransportwagen (RTW) mit integrierter Liege oder ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF). Für geplante Fahrten gibt es noch die Krankentransportwagen (KTW). Pro Schicht habe man im Schnitt vier Patienten.

In den Fahrzeugen wird jeder Stauraum genutzt. Im RTW gibt es zig Schubladen, die nummeriert sind. „Damit jeder Notfallsanitäter in jedem Fahrzeug instinktiv die richtige Schublade öffnet“, erklärt Tobias Mäule, Leiter der DRK-Rettungswache Bietigheim. Auch gibt es farbige Rucksäcke, die sich die Einsatzkräfte über die Schulter werfen und zum Einsatzort mitnehmen können: Rot für Kreislauf und blau für Atmung. Außerdem gibt es noch ein tragbares EKG mit integriertem Defibrillator. „Wenn man nichts genaues weiß, nimmt man alle drei Dinge mit“, sagt Mäule.

Ob es nicht ein Nachteil sei, in diesem Job klein und zierlich zu sein? „Man wächst mit seinen Aufgaben“, sagt Schorn und lacht. Sie hat vor ihrer Ausbildung zur Notfallsanitäterin Gesundheits- und Krankenpflegerin im Krankenhaus gelernt, das sei nicht minder körperlich anstrengend. Warum der Wechsel? „Als Notfallsanitäterin kann ich selbstständiger arbeiten. Ich habe mehr Verantwortung, schließlich wird nicht immer der Notarzt hinzugerufen“, sagt sie. Was viele nicht wissen: Seit 2014 wurde die Bezeichnung und auch die Qualifikation des Berufs geändert. Zuvor gab es die Rettungsassistenz, die eine zweijährige Ausbildung absolvierte. Der Notfallsanitäter lernt hingegen drei Jahre. Nicht zu verwechseln mit dem Rettungssanitäter, der vier Monate ausgebildet wird. „Der Notfallsanitäter hat auf dem Fahrzeug das Sagen. Es arbeiten immer ein Notfall- und ein Rettungssanitäter zusammen. Zusätzlich kann ein Notarzt hinzugerufen werden“, erklärt Mäule. Als Notfallsanitäter habe man deutlich mehr Fachwissen und es komme auch immer wieder etwas Neues dazu, „das ist das Spannende an dem Beruf“, sagt Schorn.

Das sieht auch Simon Pfisterer so. Der 26-Jährige hat in seinem Bundesfreiwilligendienst auf einem Krankentransportwagen gearbeitet, später ist er Rettungswagen gefahren und hat sich letztendlich dazu entschlossen, Notfallsanitäter zu werden. Klar habe er Respekt vor dem Ernstfall. „Aber immer wenn man nicht weiter weiß, ist ein erfahrener Kollege da und hilft“, sagt Pfisterer. Er konnte schon vor seiner Ausbildung Erfahrung im Führen des Rettungsfahrzeuges sammeln. Denn das Fahren über rote Ampeln kostet Überwindung und vollste Konzentration. „Man muss immer zwei Schritte vorausschauen, denn die Leute reagieren unterschiedlich“, sagt der Azubi. Das Verhalten der Autofahrer sei „ausbaufähig“, ergänzt Schorn.

In der Rettungswache Bietigheim arbeiten 25 Personen, die Regelbesatzung pro Schicht besteht aus fünf Leuten. Es wird im Drei-Schicht-System gearbeitet. Ein anstrengender Job und trotzdem sagen Schorn, Pfisterer und auch Mäule, der bereits seit über 20 Jahren als DRK-Retter arbeitet, dass sie den Beruf immer wieder erlernen würden. „Notfallrettung ist viel Spontaneität, Improvisationskunst und Wissen.“ Das fasziniere sie jeden Tag aufs Neue.

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