Auch in Zeiten von Corona wird noch Sport getrieben, – im kleinen Kreis in der Freizeit, spontan und unorganisiert. Denn der Trainings- und Spielbetrieb ist in allen Sportarten fast überall zum Erliegen gekommen. Die BZ hat sich am Samstagnachmittag im Bietigheimer Sportpark Ellental und auf dem Enztal-Radweg umgeschaut und umgehört – und die eine oder andere Anekdote zusammengetragen.
Sport in Zeiten des Coronavirus Freizeitsportler lassen sich nicht unterkriegen
Der Trainings- und Spielbetrieb ruht. Viele Menschen sind dennoch aktiv – beim Basketball, Fußball, Laufen oder Radfahren. Ein Ortsbesuch im Bietigheimer Ellental.
Fußball: Zielschießen aufs Tor und auf den Hintern
Aus der Musikbox dröhnen Mallorca-Hits wie „Mama Lauda“, „Bierkapitän“ und „Helikopter, während Magnus Schüler, Kevin Deiß und Luca Schneider (alle 19) auf dem Kunstrasenplatz einen Wettbewerb austragen: Zwei Kicker aus dem Trio schießen vom Sechzehner aufs Fußball-Tor, einer steht zwischen den Pfosten, wobei jeder Spieler zehn Leben hat – bei jedem Treffer wird eines abgezogen. Den Verlierer erwartet eine Bestrafung. „Dann gibt’s Arsch-Abbolzen“, sagt Kevin Deiß und lacht. Vom Fünf-Meter-Raum wird der Ball dabei von den beiden Siegern abwechselnd auf den Hintern des Unterlegenen gefeuert, durchaus mit Schmackes. „Am Tag ist jeder bestimmt drei-, viermal dran. Da tut der Hintern dann schon eine Weile weh“, berichtet Deiß aus eigener leidvoller Erfahrung.
Der 19-jährige Finanzbeamte spielt normalerweise für den SKV Erligheim in der Kreisliga B auf der Spielmacherposition und trägt nun auch beim Freizeittraining das Trikot seines Vereins – so wie auch die beiden Mitstreiter: Magnus Schüler bewacht in der Bezirksliga das Gehäuse des FSV 08 Bissingen II, Luca Schneider ist dort Innenverteidiger. „Wir kicken nicht, um uns fit zu halten, sondern in erster Linie, weil wir Bock darauf haben. Irgendeinen Ausgleich zur Arbeit braucht man ja“, sagt Deiß – und Kumpel Schüler rechnet mit einem langen Fußball-Nachmittag: „Es kann durchaus sein, dass wir bleiben, bis es dunkel wird.“
Basketball: Rettungsschwimmer und Footballer geht auf Korbjagd
Fachfremd ist Jason Bjelic am Samstag unterwegs: Er hat sich im Sportpark Ellental einen der vier Basketball-Körbe gesichert und versucht, aus allen Lagen und mit allen denkbaren Würfen den Ball dort zu versenken. Eigentlich spielt der 18-jährige Bissinger in der Defense der Ludwigsburg Bulldogs und geht für die Rettungsschwimmer der DLRG Bietigheim-Bissingen ins Wasser. Doch wie fast überall in der Sport-Welt ruht auch da wegen der Coronavirus-Pandemie der Wettkampf- und Trainingsbetrieb für mehrere Wochen. „Zu Hause habe ich gerade nichts zu tun. Ich habe einfach Lust, mich zu bewegen, darum bin ich hier“, sagt Bjelic. Mindestens dreimal in der Woche will er nun auf Korbjagd gehen, allein oder mit Kumpels. Zeit für seine Leidenschaft Sport wird der angehende Industriemechaniker dafür demnächst genug haben. Denn am Dienstag schließt das Berufliche Schulzentrum Bietigheim-Bissingen bis zum 17. April. Ob Bjelic dann mit seinem Trainingseifer mal so gut wird wie sein Lieblingsspieler Russell Westbrook von den Houston Rockets? Zumindest die Original- Basketballschuhe des NBA-Stars hat der junge Bissinger beim Üben schon mal an.
Radfahren: Entspannte Tour
auf dem Enztal-Radweg
Ein strammes Pensum hat sich Jean-Francois Metayer auf seinem etwa 2000 Euro teuren Carbon-Rennrad fürs Wochenende vorgenommen: Rund 200 Kilometer will der 40-jährige Franzose zurücklegen. Am Samstagnachmittag führt ihn die kürzere Tour, ausgehend von seinem Wohnort Bietigheim, den Neckar entlang nach Stuttgart und dort in die Weinberge. Für den Sonntag ist dann ein 110-Kilometer-Trip in die Löwensteiner Berge vorgesehen, bei dem es einen Höhenunterschied von gut 1300 Metern zu überwinden gilt, wie sein GPS bereits ausgerechnet hat.
Fünfmal pro Woche strampelt sich Metayer, der Physiker von Beruf ist, auf dem Sattel ab – entweder draußen im Freien oder auf seinem Hometrainer. „Normal ist die Strecke bei so einem Frühlingswetter voll mit Leuten. Heute ist wenig los“, sagte der passionierte Radfahrer mit Blick auf den Enztal-Radweg. „Das wird eine ruhige und bequeme Tour, die Spaß machen wird.“
Laufen: Kurz vor der Virus-Pause noch in Frankfurt am Start
Seit November bereitet sich Aleksej Schell intensiv auf seinen ersten Marathon vor. Mittlerweile fühlt sich der 34-jährige Bietigheimer bereit für die 42,195 Kilometer. Seine Premiere sollte eigentlich der Madrid-Marathon am 26. April sein, doch der wurde wegen Corona auf Mitte November verschoben. Bei einem der letzten Lauf-Wettbewerbe in Deutschland vor der Viruspause war Schell noch am Start: Vor acht Tagen macht er beim 18. Frankfurter Halbmarathon mit und belegte dort mit 1,32,45 Stunden den 630. Gesamtplatz sowie den 127. Rang in der Altersklasse M35 – bei 6432 Teilnehmern ein respektables Abschneiden.
Fünfmal pro Woche schlüpft Schell in seine Laufschuhe und absolviert bis zu 20 Kilometer je Einheit, regelmäßig auch mit Laufkollegen. Am Samstag war allerdings eine eher gemütliche Zwölf-Kilometer-Runde angesagt – auch weil ihn sein fünfjähriger Sohn Nicolas mit dem Rad begleitet hat. „Auf meiner üblichen Strecke war heute sehr wenig los. Wahrscheinlich sind alle Leute einkaufen“, sagte der Spätaussiedler aus Russland, der bei einer Nussdorfer Firma als Qualitätsmanager arbeitet. Von Corona will Schell sich das Laufen jedenfalls nicht verderben lassen: „Natürlich ist man etwas vorsichtiger als sonst, aber ich werde trotzdem weiter laufen. Ich brauche das.“