Der Mann beeindruckt allein schon mit seiner Körpergröße von 1,96 Metern und seiner natürlichen Ausstrahlung. Hinzu kommen seine hohe Fachkompetenz und seine humorvolle Art. Knut Kircher erzählte bei seinem Besuch im Sportstättenrestaurant in Besigheim Anekdoten aus seiner aktiven Laufbahn, bewertete aus seiner Sicht sinnvolle Neuerungen bei Spielen der Europameisterschaft 2024 und nannte Ziele seiner künftigen Arbeit an der Spitze der deutschen Elite-Schiedsrichter.
Spvgg Besigheim „Der Großrechner läuft heiß“
Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Knut Kircher referiert in Besigheim.
Ab Juni Geschäftsführer
Der prominente Gast kam auf Einladung seines Arbeitskollegen Martin Bühler, dem Fußball-Jugendleiter der Spvgg Besigheim. Demnächst tauscht der in Rauenberg bei Sinsheim wohnhafte Kircher seinen Arbeitsplatz. Noch ist er in Affalterbach als Abteilungsleiter in der Fahrzeugentwicklung eines großen Automobilkonzerns tätig, zum 1. Juli wird er Geschäftsführer Sport und Kommunikation der DFB-Schiri GmbH und ist damit Chef der deutschen Elite-Schiedsrichter beim Deutschen Fußball-Bund (DFB).
Mit 244 Einsätzen in der Bundesliga zwischen 2001 und 2016, Spielen auf internationaler Ebene sowie seit 2016 als Beobachter im Profibereich ist der „DFB-Schiedsrichter des Jahres 2012“ geradezu prädestiniert für diese extrem in der Öffentlichkeit stehende Aufgabe. Wie er diese angehen möchte, sagte er anlässlich seiner Vertragsunterzeichnung Anfang des Jahres: „Zusammen mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Schiri-GmbH, den Sportlichen Leitern und den Aktiven wollen wir das deutsche Schiedsrichterwesen auf das nächste Level bringen – national und international.“
Das unterstrich der 54-Jährige auch in Besigheim: „Wir haben bei der EM diesmal zwei Schiedsrichter dabei, aber wer sagt uns, dass wir bei der nächsten Weltmeisterschaft überhaupt mit einem Schiedsrichter vertreten sind? Wir müssen unsere Entscheidungsqualität auf den Plätzen erhöhen.“ Der erste Auftritt von Felix Zwayer bei der EM hat Kircher gut gefallen. „Er hat das sehr gut gemacht, ein souveränes Spiel hingelegt damit die richtige Antwort gegeben“, konterte der künftige Schiri-Chef den ehemaligen Kollegen Manuel Gräfe, der harsche Kritik am Berliner Referee übte.
Kircher befürwortet neue Regel
Dass bei der EM streng darauf geachtet wird, dass nur die Kapitäne mit den Unparteiischen kommunizieren dürfen und Entscheidungen erklärt bekommen, findet Kircher gut. „Das ist eine wohltuende Anpassung, die wir im Nachgang auch in der Bundesliga und der Champions League sehen werden“, ist er der Meinung und ergänzt: „Eine EM bietet immer eine Plattform. Große Turniere haben Pilotcharakter. Die unangemeldeten Betriebsversammlungen haben mich immer gestört. Es bringt nichts, den Schiri zu belabern, das gibt es in anderen Sportarten nicht.“
Wie Kircher während seiner Karriere mit Spielern, die Entscheidungen nicht akzeptieren wollten, zuweilen umgegangen ist, erzählte er in einer seiner vielen Anekdoten: „Stefan Effenberg hat mal gemeint, so pfeife man nicht in der Bundesliga. Als er dann einen Freistoß zwei Meter am Tor vorbeigeschossen hat, habe ich zu ihm gesagt, so spiele man nicht in der Bundesliga. Man muss eine emotionale Basis zu 22 Spielern aufbauen und klare Entscheidungen treffen.“
Großen Wert legte Kircher, der noch ohne Video-Schiedsrichter groß geworden ist, bei den rund 250 bis 270 Entscheidungen während eines Spiels auf den Ermessensspielraum innerhalb des Regelwerks. „Man sieht eine Szene einmal und muss entscheiden. Bei 30 bis 40 Prozent gibt es nur schwarz oder weiß, der Rest liegt im Graubereich. Der Großrechner arbeitet ständig und läuft heiß.“
Fitness, Belastbarkeit bei rund 30 TV-Kameras im Stadion und das Wissen um das Regelwerk mit seinen „nur“ 17 Regeln nannte Kircher als selbstverständliche Voraussetzungen, um in der Rangliste der Schiedsrichter nach oben zu kommen. Claus Pfitzer