Stadt Bietigheim-Bissingen stellt Quartiersmanager ein Quartiersentwicklungs fürs Buch

Von Rena Weiss
Luftbild des Ortsteils Buch in Bietigheim-Bissingen. Im Vordergrund das Waldgebiet Brandholz.⇥ Foto: Werner Kuhnle

Der Gemeinderat stimmte zu, gemeinsam mit dem Kreisdiakonieverband einen Quartiersmanager zu engagieren, der in drei Jahren den Ortsteil Buch weiterentwickeln soll.

Der Gemeinderat der Stadt Bietigheim-Bissingen stimmte bei zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen in seiner jüngsten Sitzung der Beauftragung des Kreisdiakonieverbands zur Durchführung des Projekts „Quartiersentwicklung im Stadtteil Buch“ zu. Kostenpunkt für die Stadt: jährlich 19 000 Euro über einen Zeitraum von drei Jahren. Die Förderung erfolgt unter anderem unter den Voraussetzungen, dass das Projekt von einer befristeten Vollzeitstelle begleitet wird, es 2021 beginnt und finanziell von der Stadt unterstützt wird.

Hintergrund des Projekts sei, dass der größte Ortsteil Bietigheim-Bissingens einem starken Wandel unterworfen ist. Mit diesen Veränderungen müssen die Menschen im Buch nicht nur umgehen, es brauche aktive Bürger, die diesen Wandel bewusst gestalten, sich einbringen und dadurch wieder die Teilhabe anderer möglich machen, heißt es in der Sitzungsvorlage. Dafür sei das Quartierentwicklungskonzept gedacht.

Analyse kostete 14 600 Euro

Im Bericht des Familienbüros für 2019 wurde erstmals dargestellt, dass im Buch ein Quartiersprojekt durchgeführt werden soll. Anfang Juni wurde in einem ersten Schritt in Kooperation zwischen Stadt und Kreisdiakonieverband zu einem Workshop eingeladen, um die Stärken und Schwächen des Quartiers herauszuarbeiten. Von März bis Dezember erfolgte eine Befragung der Bewohner durch Studenten der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Das Ergebnis wurde in einer Sozialraumanalyse zusammengefasst, die gegen Ende 2019/Anfang 2020 als Bachelorarbeit veröffentlicht wurde. Die Stadt hat die Kosten in Höhe von 14 600 Euro übernommen.

In der Analyse wurden nur die Sichtweisen der Bewohner abgebildet. Im Fazit halten die Studenten fest, dass „der Stadtteil Buch ein Stadtteil ist, in dem sich auffallend gegenläufige Bewertungen finden lassen.“ Es habe in den vergangenen Jahren viele positive Entwicklungen gegeben, die das Lebensgefühl und die Bewertung des Stadtteils prägen und so zu einer hohen Zufriedenheit führen. Ebenso deutlich wurden jedoch auch Schwachstellen wie Belastungen der Wohnsituation, konkrete Mängel und prekäre Entwicklungen, die mit einer allgemeinen Wahrnehmung des Verfalls verknüpft seien. Die Zufriedenheit werde dabei unter anderem von der Mobilität der einzelnen Befragten beeinflusst. Vor allem Menschen, die mobil sind und das Angebot im Buch leicht durch Angebote in anderen Stadtteilen ergänzen können, äußerten sich zufriedener. „Umgekehrt begreifen Menschen, die nicht (mehr) mobil sind, einen geringen Aktionsradius haben und auf Angebote in Buch angewiesen sind, den Stadtteil häufiger als stark entwicklungsbedürftig und das soziale Gefüge als prekär“, heißt es in der Analyse.

Der Gemeinderat steht der Quartiersentwicklung prinzipiell positiv entgegen. „In einer Stadt geht es um mehr als Straßen, Steine und Beton. Der Mensch soll im Mittelpunkt stehen“, sagte Thomas Reusch-Frey, Vorsitzender der SPD-Fraktion. Ein Quartiersmanager für den Stadtteil Buch soll hier als Motor und treibende Kraft für gelebtes Miteinander, für Nachbarschaft und für Zusammenhalt wirken, Begegnungsräume beleben und neue schaffen, so die Hoffnung der SPD und ein Grund, warum sie dafür stimmte.

Von Menschen bestimmt

Zustimmung erhielt die SPD-Fraktion von der GAL und den Freien Wählern. „Auch wir gehen davon aus, dass ein Stadtteil natürlich von den Menschen bestimmt sein muss und nicht von seiner Architektur“, sagte GAL-Stadträtin Manuela Buchholz. Wenn die Studie der erste Schritt war, dann sei es die Pflicht der Stadt, den zweiten Schritt zu tätigen und die Befragung der Bürger nicht ins Leere laufen zu lassen, so Buchholz weiter. Stephan Muck von den Freien Wählern ergänzte, dass es sinnvoll sei, sich Hilfe von außen zu holen.

Trotz großem Interesse daran, den Ortsteil weiterzuentwickeln, gab es auch Kritik an der Ausführung. Die CDU-Fraktion beispielsweise sieht die positiven Aspekte wie die Weiterentwicklung des Buchs und die Förderung eines Wir-Gefühls. Dennoch, erklärte Stadtrat Claus Stöckle, „haben wir diesen Punkt innerhalb der Fraktion kontrovers diskutiert“. Ein Grund sei die finanzielle Situation der Stadt. Wie berichtet, sprach sich die CDU bereits im vergangenen Jahr gegen die Erhöhung von Steuern aus, wurde jedoch überstimmt. Jede weitere Ausgabe sollte nun gut überlegt sein, fordert die CDU.

Des Weiteren gab es Kritik am Nutzen. „Wir tun uns schwer mit der Einschätzung, wie man diesen Bericht und das Vorgehen eines solchen Quartiermanagers hinterher oder auch während der Laufzeit analysieren, besprechen und evaluieren kann.“ Trotz Diskussionen stimmte die CDU mehrheitlich zu, allerdings stellte sie vorab Bedingungen: „Wir wollen am Ende der Laufzeit eine Evaluation sowie nach zwölf und 24 Monaten einen Zwischenbericht, was gemacht wurde.“ Wichtig sei der Fraktion, dass durch einen Quartiermanager eine Verbesserung der „Vermietbarkeit“ stattfinden könne. Oberbürgermeister Jürgen Kessing erklärte, dass Zwischenberichte sicherlich möglich seien und es wurde in den Beschluss mit aufgenommen.

Aufwand und Erfolg

Die FDP-Fraktion zeigte sich ebenfalls kritisch gegenüber dem Verhältnis von Aufwand und Erfolg. „In der Wahrnehmung der Bietigheim-Bissinger Mehrheit überwiegt noch immer der Eindruck des exotisch Erklärungsbedürftigen“, sagte Dr. Georg Mehrle, der selbst im Buch wohnt. „Ins Buch geht man nicht, von dort kommt man.“ Das sei eine Sicht, die sich vor allem seit der Restaurierung der Altstadt gefestigt habe.

Ein Quartierskoordniator soll „sich der Sorgen und der Bedürfnisse der heterogenen Gruppen annehmen, wird der Anonymisierung wehren und dem Verfall des Buchzentrums, wird Feste organisieren, kreative Lösungen in der Wohnraumberatung finden, neue gemeinschaftliche Aktivitäten wecken und bereits vorhandene vernetzen“, so Mehrle. Doch solchen Bemühungen seien Grenzen gesetzt. „Im Fall des Buchzentrums, das seinen einstmals bunten Branchenmix verloren hat und zur zugeparkten Dienstleistungswüste verkommt, sind sie nahezu unüberwindlich, was nicht zuletzt mit dem Kaufverhalten der murrenden Klientel zu tun hat“, merkte er kritisch an.

Doch könne er erkennen, wie der Blick über das eigene Quartier hinaus Erkenntnisse vermitteln könne, die dann mit Leuten geteilt werden, die sich mit der Materie näher befassen. „Und wenn ich aus unserem Familienbüro höre, dass sich gerade in dessen Bereich für die Gemeinsamkeitsarbeit Chancen eröffnen, dann erleichtert mir das die Entscheidung, das Experiment, denn um ein solches handelt es sich, zu bejahen. Allerdings sollten wir genau hinsehen“, mahnte er an.

Info Die gesamte Analyse von 2019 ist online bei den Sitzungsunterlagen der Gemeinderatssitzung vom 30. März einsehbar.

www.bietigheim-bissingen.de

 
 
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