Stadtensemble Ludwigsburg Auf der Bühne: Visionen für eine Stadt

Von Gabriele Szczegulski
In der Reithalle finden zur Zeit die Proben zu „Atlas der unentdeckten Stadtteile“ statt. Am Donnerstag, 19. September, ist die Premiere, an der 100 Mitwirkende beteiligt sind. Foto: /Martin Kalb

Seit 2021 reist das Stadtensemble-Team durch die Stadtteile, sammelt Themen, Wünsche, Geschichten und Personen. In „Atlas der unentdeckten Stadtteile sind diese vereint.

Wie sollen die Städte der Zukunft aussehen? Ohne Geschäfte, aber mit viel Platz zur Begegnung, viel Grün? Denn die Innenstädte und Zentren der Stadtteile veröden, Läden machen dicht, Gastronomiebetriebe schließen, Plätze ohne schattenspendende Bäume sind aufenthaltsuntauglich.

Aus dem Bürgertheater wird das Stadtensemble

Wie es in der Stadt Ludwigsburg und ihren Stadtteilen aussieht und was sich die Bürger für sie wünschen, das hat das Team des Stadtensembles Ludwigsburg, vormals Bürgertheater, seit 2021 erkundet – im wahrsten Sinne durch eine Reise durch die Stadt. Und das soll nun für die Bühne visualisiert werden, als Theaterstück des Stadtensembles mit dem Namen „Atlas der unentdeckten Stadtteile“, der den Besuchern auch in gedruckter Form als Programmheft überreicht wird. Mit der neuen Produktion änderte sich auch der Name: Das Bürgertheater wird zum Stadtensemble.

„Der Weggang des Vaters des Bürgertheaters, Rainer Kittel, und der Corona-Lockdown 2020/21 waren eine Zäsur“, sagt die Leiterin der Tanz- und Theaterwerkstatt, Bettina Gonsiorek. „Doch wir wollten uns nicht damit abfinden, dass das Projekt stirbt“, sagt Regisseur Axel Brauch. „Wir wollten einen Neuanfang, auch namentlich, und das war der Beginn des Stadtensembles“, sagt Bühnenbildnerin Gesine Mahr. Diese drei bilden mittlerweile den Kopf des Projekts Stadtensemble. „In einem gemeinschaftlichen Prozess haben wir eine Struktur und einen neuen Namen entwickelt“, sagt Gonsiorek.

„Wir wollten während Corona nicht untätig sein und begannen mit unserem ,L’Utopia‘-Projekt“, sagt sie. Die drei und weitere Ensemblemitglieder machten sich auf eine Reise durch die Stadtteile, trafen auf viele Personen, die sich in den Stadtteilen engagieren, um diese am Leben zu halten. Sie sammelten Geschichten, spürten Personen auf und initiierten erste regelmäßige Treffen – zuerst über Internetkonferenzen, dann persönlich. „Wir haben uns Plätze angeschaut, und dann kam uns die Idee, das Café der Utopistinnen in jedem Stadtteil auf einem zentralen Platz zu kreieren“, berichtet Gonsiorek.

Jugendliche in der Oststadt fühlen sich abgehängt

Hier sollten sich Menschen treffen, miteinander reden, von ihrer Stadt erzählen und sagen, was sie sich für ihren Stadtteil wünschen. „In der Oststadt, am Berliner Platz, war das sehr bewegend. Jugendliche erzählten uns, wie abgehängt sie sich von der Stadt fühlen“, erzählt Mahr.

Während der Reise durch die Stadtteile redete das Team mit Menschen quer durch die Gesellschaft. Es entwickelten sich Utopien, aber man sah auch gescheiterte Utopien. „Die Pädagogische Hochschule ist so eine. Sie wurde 1966 vom Architekten Erwin Heinle geschaffen mit einem großen Platz, einer Freitreppe und einer frei stehenden Mensa, damals ganz modern. Die jungen Studierenden sollten sich dort treffen, den Platz nutzen. „Das war eine gute Idee, aber der Platz ist zu groß, es gibt keine Sitzmöglichkeiten und keinerlei Schatten, der Platz ist unbenutzbar“, sagt Brauch. „Das ist eine gescheiterte Utopie“.

Alles, was sich seit 2021 gesammelt hat an Infos, Ideen, Geschichten, wurde nun zusammengeführt und wird als Theaterstück „Atlas der unentdeckten Stadtteile“ aufgeführt. Und auch die Menschen, die Gonsiorek, Mahr und Brauch in Poppenweiler, Hoheneck, Eglosheim oder der Oststadt trafen, beteiligen sich an der Aufführung. Mehr als 100 Personen aus allen Bevölkerungsschichten, Alter und Herkunft sind auf und hinter der Bühne tätig. Das Stück sei „eine Auseinandersetzung mit den Themen, Visionen und Wünschen ihrer Bürger“, erklärt Gonsiorek.

Interdisziplinär ist die Ausführung: Die Mitwirkenden teilen sich auf in die Gruppen Schauspiel, Tanz, Chor und Clownerie. Das Leben in Ludwigsburg durch die Zeiten hinweg wird sichtbar gemacht, bleibt aber nicht in der Vergangenheit stecken, sondern blickt in die Zukunft mit Visionen und Träumen. „Mut, diese Träume zu verwirklichen, macht auch die Gründung Ludwigsburg, die ja eine Utopie war. In einer Moorlandschaft, am Reißbrett, entstand eine damals moderne Stadt, um neue Bürger anzusiedeln“, sagt Gonsiorek.

 
 
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