In der eigentlich tristen Reithalle des Kunstzentrums Karlskaserne wurde es auf der Bühne bunt und voll bei der Premiere des Stadtensembles von „L’Utopia – Atlas der unentdeckten Stadtteile am Donnerstagabend. Mehr als 100 Mitwirkende aus der ganzen Stadt waren beteiligt. Um sie auf der Bühne unterzubekommen, musste diese um ein ganzes Stück vergrößert werden.
Stadtensemble Ludwigsburg Ein bunter Parcours mit vielen Details
Geschichte und Zukunft der Stadt wurden in „Atlas der unentdeckten Staddteile“ auf die Bühne gebracht.
In den letzten drei Jahren hatte das Stadtensemble-Team um Bettina Gonsiorek, Axel Brauch und Gesine Mahr geforscht: In den Stadtteilen, bei den Menschen. Alles, was sie gefunden haben, ist nun in einem mit mehr als drei Stunden dauernden Theaterstück enthalten – zu lang, sodass nach zwei Stunden einige Besucher die Reithalle verließen.
Dabei wird auf alle künstlerischen Bühnenformate zurückgegriffen, die es gibt: Theater, Varieté, Zirkus, Tanz, Chorgesang. Und inhaltlich geht auch eine ganze Menge ab auf der Bühne: Da forschen weißbekittelte Gestalten in der Stadtgeschichte, kontrollieren und analysieren aber auch die Menschen – eine fast gespenstische Situation wie bei Aldous Huxley.
Bunter Flickenteppich
Herausgekommen bei den Forschungen ist ein bunter Flickenteppich, der mit selbst gebastelten Elementen auf einem Tisch am Rande der Bühne zu sehen ist – und auch auf der Leinwand. Zu dem bunten, manches Mal verwirrenden Treiben auf der Bühne, kommen diese Bilder und Einspielungen auf der Leinwand – und beruhigen das Chaos etwas.
Es ist viel, was Ludwigsburg zu bieten hat zum Thema Utopien und fast zu viel, um es an einem Abend zu vereinen. Das Stadtensemble hat sich viel vorgenommen mit einer überbordenden Liebe zum Detail und hat leider, zumindest zu Beginn, das Tempo des Geschehens so verlangsamt, dass die Grenze überschritten wird, das Stück kurzweilig zu halten. Zu viel kommt da zusammen, auch wenn dadurch ein buntes Bild entsteht aus vielen eindrucksvollen Elementen. Einzeln betrachtet sind diese Elemente genial umgesetzt. Da ist eine Liebe zur Inszenierung, zu einfallsreichen Kostümen, eindrucksvollen Bühnenbildern und Spannungsbögen zu spüren. Es gibt tolle Gesangseinlagen von Solistin Sandra Hartmann und dem Chor „Chorioso“, die Tanzgruppe untermalt so manche inhaltliche Aussage, die Band ist ein Hinhörer.
Utopien prägten Ludwigsburg
Doch es fehlt manchmal der rote Faden zwischen der unchronologisch erzählten Stadtgeschichte und den Utopien, die diese durchziehen. Denn es sind die Utopien, die Ludwigsburg schon immer prägten. Ein Highlight ist das Erscheinen des pinkfarben gekleideten Herzog Eberhard Ludwig, der die Stadt auf einem Sumpf errichten ließ und sie auf dem Reißbrett plante – unter starkem Gegenwind der Bürger des Landes. Immer, so wird deutlich, wurden Utopien erst mal abgelehnt als zu teuer, zu verrückt, zu unsinnig. Doch leider geht in der Vielzahl des Geschehens auf der Bühne manchmal die dargestellte Utopie unter: Vor allem in dem Teil, in dem es um den Bau der Pädagogischen Hochschule geht, wird das inhaltliche Anliegen von Architekt Erwin Heinle nicht deutlich genug. Denn die Auswirkungen solcher Utopien sind oft nachhaltig dystopisch für das Stadtbild und die Menschen. Im Mittelpunkt steht in dem Bühnengeschehen denn auch der Neckar, dessen Zugang durch manche Utopie versperrt wurde, der ausgegrenzt wurde und den man heute wieder ins Stadtbild bekommen will.
Es ist verständlich, wenn so viele Gruppen, Menschen und Eindrücke auf der Bühne präsentiert werden sollen, dass der Inhalt im Gros der künstlerischen Darstellung verschwimmt. Da wäre denn doch weniger mehr gewesen, um der Inszenierung mehr Gewicht zu geben und auch den Darstellern mehr Platz.