Stadthalle Alte Kelter in Besigheim Zentrale der Wengerter bis 1975

Von Michael Soltys
Das Foto aus dem Jahr 1960 zeigt die Anlieferung von Weintrauben vor der Kelter in Besigheim. Mit vollen Fässern warten die Wengerter darauf, dass sie an die Reihe kommen.⇥ Foto: Stadt Besigheim

Die Kelter an der Hauptstraße wurde ab 1985 zur Stadthalle umgebaut. Zuvor diente sie über Jahrhunderte der Verarbeitung von Wein.

Die moderne Geschichte der Kelter in Besigheim beginnt im September 1978. Zu diesem Zeitpunkt fasste der Gemeinderat den Grundsatzbeschluss, das historische Gebäude aus dem Jahr 1591 zu einer modernen Stadthalle umzubauen. Der Grund: Die Felsengartenkellerei, die über Jahrzehnte hinweg ihren Wein dort verarbeitet hatte, war nach Hessigheim umgezogen, die Kelter, die bis heute das Stadtbild an der Hauptstraße prägt, war ohne Funktion.

Doch es dauerte sieben Jahre, bis endlich die Pläne für den Umbau vorlagen und weitere vier Jahre, bis die „Stadthalle Alte Kelter“, wie das Gebäude heute heißt, am 16. September 1989 feierlich eröffnet werden konnte. Immer noch ist es von außen als Kelter erkennbar, wesentliche Elemente blieben beim Umbau erhalten. Doch um das Innere für Veranstaltungen nutzbar zu machen, waren tiefe Eingriffe in die Substanz notwendig. Die tragenden Balken wurden entfernt, mit mächtigen Eisenträgern wurde das Dach stattdessen abgespannt. Riesige Lüster kaschieren die Konstruktion, die in den Raum hineinragt. Der Besigheimer Künstler Fred Stelzig stattete das Gebäude mit künstlerischen Elementen aus. Seine Mosaike im Boden werden seitdem von den Besuchern buchstäblich mit Füßen getreten. Im Querbau entstand ein Saal mit Bühne für kleinere Aufführungen.

Unterhalb des Vorplatzes, der bis heute als Parkplatz genutzt wird, wurde auf fünf Ebenen eine Tiefgarage angelegt. Der große Fasskeller, in dem die Felsengartenkellerei zuvor ihren Wein ausgebaut hatte, blieb erhalten. Besonders zu Zeiten des Winzerfestes lässt es sich dort zwischen den 16 historischen Holzfässern – das größte fasst immerhin 27 480 Liter – gut feiern.

Die Felsengartenkellerei nutzte die Kelter seit ihrer Gründung 1938, bis im Herbst 1975 die neue Traubenannahme in Hessigheim in Betrieb ging. Längst war das Gebäude für die modernen Anforderungen des Weinbaus zu klein geworden, die Situation in der Besigheimer Innenstadt zu eng. Fotos aus den 1960er-Jahren zeigen den regen Betrieb auf dem Keltervorplatz zu Zeiten der Weinlese. Die Trecker der Wengerter verstopften immer wieder die Hauptstraße.

Als Weinstadt genoss Besigheim schon damals einen ausgezeichneten Ruf. Das zeigen Bilder aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Umringt von Butten stehen zwei Gruppen von Menschen wartend vor der Kelter: in Arbeitskleidung auf ihren Karren gelehnt die Wengerter, in Schlips und Kragen Weinhändler aus der ganzen Region. Sie probierten den aktuellen Jahrgang, diskutierten Preise und verluden die Fässer auf ihre Pferdewagen, um sie Richtung Stuttgart zu rollen.

In den beiden Corona-Jahren dient die Stadthalle vor allem als Sitzungssaal für den Gemeinderat. Hinter durchsichtigen Fahnen aus Plastik, voreinander geschützt, diskutieren die Stadträte das aktuelle Geschehen. Vielleicht zieht ja bald wieder Leben in die Stadthalle ein und es beginnt wieder die Zeit der Konzerte, der Festakte, der Vereinsjubiläen, des Seniorennachmittags, der Champagnerprobe, der Tanzkurs-Abschlussabende, der Weinprobe beim Winzerfest, der Theateraufführungen und der Bürgerversammlungen.

 
 
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