Als „proletarischer Rubens“, wurde Paul Kleinschmidt einst von Julius Meier-Graefe, einer der führenden Kunstschriftsteller der Weimarer Republik, beschrieben.
Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen „Ein proletarischer Rubens“
Ab Freitag ist in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen die neue Ausstellung „Hymnen der Malerei“ von Paul Kleinschmidt zu sehen. Ein Maler der klassischen Moderne, der doch seinen ganz eigenen Stil hat.
Beim Rundgang durch die neue Ausstellung der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen, die sich Paul Kleinschmidt (1883-1949) und seinen „Hymnen der Malerei“ widmet, ist diese Beschreibung nicht von der Hand zu weisen. Füllige Frauen, die wohl eher Rubens’ barockem Schönheitsideal entsprechen, denn dem Zeitgeist der Goldenen Zwanziger, in denen Kleinschmidts künstlerische Karriere begann.
Ein ganz eigener Stil
Der Sohn einer Schaustellerfamilie, die eine Wanderbühne betrieb und durch die Lande zog, hat mit seiner Kunst einen eigenständigen Stil entwickelt, der zwischen Expressionismus, Realismus und Neuer Sachlichkeit flimmert, sich jedoch nicht starr zuordnen lässt.
Hier lassen sich aufstrebende Hausdächer und verschlungene Wege ausmachen, die an Ernst Ludwig Kirchner erinnern, dort verbringen Menschen Zeit im ausschweifenden Berliner Großstadt-Leben mit Varietés, Bars und Theaterhäusern, die George Grosz ins Gedächtnis rufen; auch blitzt eine Schonungslosigkeit durch, die Otto Dix’ Werken eigen ist. Und doch ist es etwas anderes, das Paul Kleinschmidts Kunst ausmacht: die Liebe zu den Menschen, vor allem zu den Frauen, beschreibt Galerieleiterin Dr. Isabell Schenk-Weininger beim Rundgang mit der BZ. „Wärme und Wucht“ seien charakteristisch. Nicht objektiv schön zeigt er die Frauen, nie beim großen Auftritt selbst. Jedoch danach, erschöpft nach getaner Arbeit, gähnend, den Körper entspannt, unbeobachtet.
Mit Grafiken – einerseits waren die Materialien günstiger, andererseits konnte man Grafiken auch gut verkaufen – beginnt Kleinschmidt seine Laufbahn als Künstler. Auch einige Aquarelle sind erhalten, jedoch dienten ihm diese nur als Vorskizze. Öl auf Leinwand war das Mittel seiner Wahl. Und als er es sich leisten konnte, geizte er auch nicht mit der Farbe. Satt und pastos trug er sie auch, bearbeitete sie gerne noch in feuchtem Zustand weiter, ohne die lange Trockenzeit des Öls zu beachten. Selbst seine Signatur ritzte er mit einem Holzstäbchen in die nasse Farbe ein. Schichten an Farbe überlagern sich. Vor allem ab Mitte der 1930er-Jahre, nach ausgedehnten Aufenthalten in Südfrankreich, ist eine Aufhellung seiner Farbpalette festzustellen, der vermehrte Einsatz von Weiß. Doch nicht nur die Art des Malens ist Paul Kleinschmidt ganz eigen, auch die Motive folgen seinem ganz persönlichen Schema.
Figur, Landschaft und Stillleben
„Figürliche Darstellungen stehen im Vordergrund“, sagt Schenk-Weininger, „zumeist anatomisch seltsam verdreht, deftig, manchmal Anstoß erregend.“ Vor allem am Rande der Gesellschaft stehenden Figuren widmet der Maler seine Aufmerksamkeit. Ob Kartenlegerin, Musikerinnen von Damenkapellen, Tänzerinnen oder Berliner Barfrauen. Aber auch Stillleben lassen sich im Werk von Kleinschmidt finden: Dekadent stapelt sich Essen auf Etageren oder aber er zeigt Schminkutensilien von Zirkustänzerinnen.
Die dritte Gattung ist das Landschaftsbild, das eine große Rolle im Oeuvre des Malers spielt. Auffällig ist, dass die dargestellte Natur stets durch moderne Architektur durchbrochen wird. So treffen Fabrikschornsteine auf Felsformationen, Zementwerke auf die Schwäbische Alb, im Vordergrund des Ulmer Münsters steht eine eiserne Eisenbahnunterführung. „Die Kontraste im Motiv erscheinen nicht im Bild“, sagt Galerieleiterin Schenk-Weiniger. Die unterschiedlichen Welten sind harmonisch miteinander verbunden, in eine gemeinsame Farbwelt getaucht. Diese Ansichten gibt es aus vielen Städten: Berlin, Ulm, Arles, New York. Denn auch wenn Kleinschmidt nicht in die Schausteller-Fußspuren seiner Eltern treten wollte, ist ihm das Reisen doch wichtig. Nur allzu oft zog er mit seiner Frau Margarete und seinen Töchtern Maria und Reglindis um. Zu Beginn aus freien Stücken, später nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gezwungenermaßen. Als „entarteter Künstler“ diffamiert, wurden seine prallen Rubens-Damen als „Verhöhnung der deutschen Frau“ gezeigt. Nicht nur wegen seiner Kunst sei er den Nazis ein Dorn im Auge gewesen, sagt Schenk-Weiniger, auch wegen seinen guten Beziehungen zu jüdischen Sammlern. Diese dunkle Zeit in Kleinschmidts Leben ist in der Ausstellung in Bietigheim, die zuvor bereits im Landkreis Ravensburg auf Schloss Achberg zu sehen war, auch thematisiert. Insgesamt sind rund 120 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken ausgestellt und biografisch eingebettet. Die Ausstellung ist bis 25. Februar zu sehen.