Steillagen im Neckartal Solar statt Trollinger?

Von Jürgen Kunz
Der Landtagsabgeordnete Tayfun Tok hat mit einem Schreiben an das Umweltministerium die Diskussion über die Nutzung von brachliegenden Seillagen-Terrassen als Standorte für Photovoltaikanlagen angestoßen. Foto: /Oliver Bürkle

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Tayfun Tok will die Debatte über Freiflächen-Photovoltaikanlagen beleben und hat einen Brief an das Umweltministerium geschrieben. 

Gerne würde ich erfahren, welche Chancen und Risiken Sie und Ihr Haus im Zusammenhang der Thematik von Photovoltaik im Weinberg erwarten“, fragt der Grüne-Landtagsabgeordnete Tayfun Tok in einem Brief an seine Parteifreundin und Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, Thekla Walker, MdL. Tok, Fraktionssprecher der Grünen für Wirtschaftspolitik, will darüber hinaus vom Ministerium wissen, ob nach dessen Einschätzung, die Installation größerer Photovoltaikanlagen auf brachliegenden Weinbergen in Zukunft genehmigungs- und förderfähig werden können.

Nach eigenem Bekunden nimmt der Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Bietigheim-Bissingen eine Idee auf, „die in Neckar- und Bottwartal schon seit vielen Jahren an Stammtischen und unter engagierten Kommunalpolitikern“ diskutiert werde. Schließlich sorge der Wandel in Alters- und Berufsstruktur vermehrt zum Verfall einstiger Weinberge. Tok: „Nur noch wenige machen sich die harte Arbeit im Weinberg zum Hobby, um so die Natur zu pflegen und edle Weine zu erzeugen. Die Folge sind Brachflächen, auf denen sich zunächst Brombeersträucher verbreiten.“ Diesem Prozess wolle er nicht tatenlos zuschauen.

Ministerium sieht Potenzial

In seinem Schreiben an die Ministerin betont er, egal ob in Marbach, Hessigheim oder Kirchheim sei man zurecht stolz auf ein Kulturgut, welches die Vorfahren hinterlassen haben und einzigartigen Weingenuss hervorbringen. Flächen, die aufgrund ihrer Lage am Südhang den Reben gefallen, sind für Photovoltaikanlagen aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten allemal geeignet.

Umwelt- und Energieministerin Thekla Walker sieht, so Tok, in ihrer Antwort durchaus ein Potenzial für die Energieerzeugung in der Steillage. So bieten die Flächen oft die besten Bedingungen für moderne Photovoltaik. Technik im Weinberg bietet jedoch nicht unbedingt die besten Bedingungen für Flora und Fauna. Weinberge sind teilweise echte Biotope, in denen seltene Arten ihren Platz finden. Ob sich Eidechsen und Co. unter den Modulen genauso wohlfühlen wie unter Reben, bleibe fraglich.

Seine nun politisch angestoßene Initiative hinterfragt allerdings der Grünenabgeordnete in seinem Schreiben ans Ministerium: Allerdings müsse auch bedacht werden, dass der Weinbau tief in der regionalen Kultur verwurzelt ist, ein romantisches Ensemble hervorrufe und auch der Naherholung dient. Ein Kraftwerk werde diesen Aufgaben nicht gerecht. Tok: „Daher möchte ich die Thematik zur Debatte in den Raum stellen: Kann die Energieproduktion für landwirtschaftliche Betriebe im Weinbau sogar ein sinnvolles, zweites Standbein darstellen? Oder muss die Technik aufgrund des Schutzes hochwertiger Naherholungsgebiete stellenweise bewusst eingegrenzt werden?“

Priorität hat der Weinbau

Diesen Zielkonflikt halte er persönlich schwer zu lösen. Keinesfalls sollten Weingärtner, so Toks Einschätzung, die einen wirtschaftlichen Betrieb aufrechterhalten und hochwertige Lebensmittel erzeugen, zu einer Umnutzung ihrer Flächen gedrängt werden. Die Priorität müsse der etablierten Nutzungsform eingeräumt werden. Energieerzeugung kann jedoch ein schlüssiger „Plan B“ sein und in einzeln zu prüfenden Fällen eine neue Chance für die regionale Wertschöpfung sein. Die primäre Aufgabe der Flächen sei die landwirtschaftliche Nutzung. Dies betont auch Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) in einem Schreiben an Tok. Die PV im Weinberg könne nur der Plan B für eine Lage sein, die wirtschaftlich nicht mehr anderweitig nutzbar ist. Oder aber die Energieerzeugung ergänze den Weinbau.

Hierzu investiere das Land derzeit in Forschungsprojekte, inwieweit der Weinbau sogar vom Solar-Überbau (sogenannte Agri-Photovoltaik) profitieren könne. „Mehr Einkommen für die Wengerter und zugleich Schutz vor Hagel und Starkregen“, für Tok ein interessanter Ansatz, den es in der Region weiter zu verfolgen gilt. „Das Interesse ist spürbar, weshalb ich mir ein Pilotprojekt hier bei uns gut vorstellen kann“, so der Landtagsabgeordnete, der die betreffenden Partner an einen Tisch bringen will. Weiter betont er: „Egal ob über den Reben oder im Weinberg nebenan verändert die Technik das Aushängeschild der Region deutlich. Es stellt sich als eine Grundsatzfrage, über die breit diskutiert werden muss.“ Zugegeben werden müsse schließlich auch, dass auf zahlreichen öffentlichen Gebäuden, Hallen und Parkplätzen die Stromerzeugung auch noch keinen Platz gefunden habe. „Doch vielleicht lohnt sich der neue Ansatz und erweist sich am Ende als willkommener Nebenverdienst, so wie einst der Trollinger“ sagt Tok.

 
 
- Anzeige -