Streuobstwiesen in Ditzingen Obstbaum sucht Bewirtschafter

Von Franziska Kleiner
Im Strohgäu gibt es etliche Streuobstwiesen, wie etwa hier im Ditzinger Teilort Heimerdingen. Foto: Simon Granville

Wie lässt sich die Kulturlandschaft im Strohgäu erhalten, wie das Naherholungsgebiet schützen? Gerade dann, wenn Grundstücksbesitzer sich nicht mehr um die Bäume und Wiesen kümmern können oder wollen?

Ditzingens Bürgermeister Ulrich Bahmer wurde zuletzt nicht müde, für die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen zu werben. Auch jene, die sich bisher schon bei diesem Thema einbringen, sprach er eins ums andere Mal an: „Wir laden alle Paten ein, Bewirtschafter zu werden.“ Bewirtschafter erhalten eine Aufwandsentschädigung von der Stadt, Paten nicht.

Anlass für die Diskussion im Ausschuss für Technik und Umwelt war eine Präzisierung in den städtischen Richtlinien. Der Unterschied zwischen Bewirtschaftung und Patenschaft sollte verdeutlicht werden.

Förderung und Patenschaften: Streuobstwiesen im Fokus

Bei der Bewirtschaftung von Streuobstwiesen sei es oft gängige Praxis, dass neben dem Eigentümer, der sich um die Obstbäume kümmere, ein bekannter, benachbarter Landwirt die Wiese mähe, ohne dass dafür eigens ein Pachtvertrag abgeschlossen werde. Dieser Bewirtschafter sei aber einem Pächter gleichzusetzen, so die Verwaltung. Er könne also eine Förderung beantragen. Gefördert werden Parzellen, auf denen je vier Ar mindestens ein hochstämmiger Obstbaum steht. Für die Baumpflege zum Beispiel wird zehn Euro pro Baum und Jahr gezahlt, für die Pflege von landschaftsbildprägenden Einzelbäumen gibt es 15 Euro. Der Pate hingegen, der sich um die Bäume kümmere, erhält keine Förderung. Er darf allerdings das Obst der Bäume behalten. Er muss auch den Baumschnitt nicht selbst entsorgen, dies bleibt Aufgabe der Stadt.

Die gesetzlich geschützte Kulturlandschaft verschwindet nach und nach. Dabei dienen die wertvollen Flächen als Biotope. Foto: Simon Granville

Das Förderprogramm ist der Versuch, zum Erhalt der Streuobstwiesen beizutragen, wenn die Grundstücksbesitzer sich selbst nicht um die Flächen kümmern wollen oder können. Streuobstwiesen haben nach dem Bundesnaturschutzgesetz als Biotop eine besonderes Bedeutung und sind deshalb gesetzlich geschützt. Sie dürfen also weder zerstört noch massiv verkleinert oder beschädigt werden. In Ditzingen gibt es laut der Stadt derzeit sechs Paten von Streuobstbäumen, die sich um insgesamt 455 Obstbäume kümmern. Mindestens zwei nutzten das Obst zur gewerblichen Vertrieb daraus entstehender Obsterzeugnisse.

Die finanzielle Förderung ist der Versuch, bei einer Entwicklung gegenzusteuern: „Siedlungsdruck, neue Gewerbegebiete und rationelle Bewirtschaftung machen den Wiesen zu schaffen“, heißt es in einer Mitteilung des baden-württembergischen Landesverbands des Naturschutzbundes (Nabu). Trotz der Bemühungen für den Erhalt dieser Flächen seien schon seit Jahrzehnten Überalterung und ein Rückgang der Bestände zu beobachten, so der Nabu. Viele Kommunen haben daher inzwischen Förderprogramme initiiert, oder wie in Gerlingen Obstbörsen ins Leben gerufen, eine Plattform also, auf der Grundstücksbesitzer und Obstabnehmer zusammengebracht werden. Das Angebot wird in Form eines Arbeitskreis der Lokalen Agenda koordiniert.

Siedlungsdruck und Gewerbe: Bedrohung für Streuobstwiesen

Ein anderer Grund für das zurückgehende Interesse an den Flächen ist laut Nabu die sinkende Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe, die Verwendung für das auf Streuobstwiesen gewonnene Futter haben. „Damit verlieren die Streuobstwiesen zunehmend ihre Bedeutung für die Grünfuttergewinnung oder als Viehweide.“

Die Folge: Flächen verbuschen immer mehr bis hin zur Verwaldung ganzer Hänge. Aber auch der zunehmende Erholungsdruck und die damit häufig verbundenen Freizeiteinrichtungen wie Grill- und Spielplätze könnten sich nachteilig auf den Lebensraum für Flora und Fauna auswirken. „Durch die Beseitigung von Kleinstrukturen wie Hecken oder Steinhaufen für eine rationellere Bewirtschaftung geht weiterer wertvoller Lebensraum in den Obstwiesen verloren.“ Hinzu kämen neben dem Klimawandel auch die aufwendige Pflege der Bäume und Wiesen sowie ein zu geringer Erlös aus dem Obstverkauf. Dabei sei für den Erhalt die Nutzung wichtig.

Streuobstbestände sind laut der Landesanstalt Baden-Württemberg (LUBW) eine einzigartige, historisch entstandene Form des extensiven Obstbaus. „Charakteristisch sind starkwüchsige, hochstämmige und großkronige Obstbäume, die in lockeren Beständen stehen und in vielen Teilen Baden-Württembergs das Landschaftsbild prägen.“ Streuobstbestände seien häufig aus Obstbäumen verschiedener Arten, Sorten und Altersklassen zusammengesetzt und gehörten zu den artenreichsten Landnutzungsformen Europas. Sie bestehen in der Regel aus Hoch- und Halbstämmen.

Im Unterschied zu modernen, intensiv bewirtschafteten Obstanlagen mit dichten Pflanzungen sei in Streuobstbeständen stets der Einzelbaum erkennbar. Charakteristisch für Streuobstbestände sei auch die Nutzung des Unterwuchses, des Grases, etwa durch Mahd.

Streuobst im Heimatmuseum

Aktionstag
Zum Internationalen Museumstag an diesem Sonntag, 18. Mai, öffnet das Heimatmuseum in Flacht seine Türen – mit Unterstützung von zwei Streuobst-Enthusiasten: Der Pomologe Matthias Braun und der Landschaftsgärtner Eric Raasch sind mit „Sortenerhalt Hemmingen“ mit an Bord. 2018 hat das Duo das ziemlich erfolgreiche und in Forscherkreisen gefragte Projekt ins Leben gerufen. Das Ziel ist es, auf die Vielfalt alter Obstsorten in den Streuobstwiesen unser Region aufmerksam zu machen und sie vor dem Verschwinden zu bewahren. „Wir finden, das passt ganz wunderbar zu unserem Museum, in dem die Erinnerung an die bäuerliche Kultur unserer Heimat bewahrt wird, die einst das ganze Land prägte“, sagt die Museumsleiterin Susanne Kittelberger.

Verkostungen
Das Sortenerhalt-Projekt erhält bei zwei Vorträgen eine Plattform. Um 14 und 15.30 Uhr stellt Matthias Braun es vor. Damit es nicht zu trocken zugeht, bietet er hinterher Verkostungen an: Produkte der Streuobstwiesen wie Säfte, Cidre, Most und Obstbrände. Der Obst- und Gartenbauverein Flacht serviert selbstgebackenen Kuchen. Der Aktionstag „Obst aus der Region“ geht von 14 bis 17 Uhr. Mit dem Museumstag weist der Museumsbund seit 1978 auf die Vielfalt der deutschen Museumslandschaft hin. koe

 
 
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