Studiobühne Besigheim Konfrontation mit grausamen Taten

Von Susanne Yvette Walter
Paulina (Kathrin Sudmann) erlebte Misshandlung und Folter in einer Diktatur, von ihrer persönlichen Erfahrung will ihr Mann (Michael Rahms) Foto: /Martin Kalb

Bei der Besigheimer Studiobühne hatte am Freitagabend das ernste, herausfordernde Stück „Der Tod und das Mädchen“ Premiere.

Dieses Stück hatte ich lange im Hinterkopf. Es war auf Halde. Im Winter fahren wir gern eine ernsthafte Linie, machen auf soziale Missstände aufmerksam und senden politische Anregungen“, sagt Regisseur Achim Enchelmaier von der Besigheimer Studiobühne. Im Gewölbekeller hatte am Freitagabend das Polit-Drama „Der Tod und das Mädchen“ von Ariel Dorfman Premiere.

Kokon-Atmosphäre schützt nicht vor der Konfrontation

Die Kokon-Atmosphäre im Gewölbekeller schützt vor Konfrontation mit Folter und Vergewaltigung nicht. Im Gegenteil: Sie bietet beste Bedingungen, um den intensiven Dialogen eines krassen Paares zu lauschen: Paulina Salas, (Kathrin Sudmann) wurde in der zurückliegenden Diktatur Opfer derber Misshandlung und schweigt traumatisiert jahrelang auch in ihrer Ehe mit Gerardo Escobar (Michael Rahms). Er ist Anwalt und wird gerade in die Kommission zur Aufklärung von Verbrechen während der Militärdiktatur berufen.

Die Gräueltaten, die seine Frau erleben musste, haben in seinem Karriereleben wenig Platz. Also versucht er sie mit lieben Worten diplomatisch kleinzuhalten und wie ein „nettes Frauchen“ in sein Karriereleben einzubauen. Das geht so lang gut, bis plötzlich der vermeintliche Hauptpeiniger von damals auftaucht. Ausgerechnet er ist der Helfer in der Not, als Gerardo eine Autopanne hat: Dr. Roberto Miranda (Achim Gosch, der Vorsitzende der Studiobühne) mimt den Ex-Folterer, den Paulina am Geruch zu erkennen glaubt und an der Stimme. Während der Folter-Sex-Sessions von einst lief Musik von Franz Schubert, unter anderem „Der Tod und das Mädchen“. Paulina muss sich übergeben, wenn sie Schubert hört. So kam das Stück zu seinem Titel.

Lebendig gebliebene Opfer werden übersehen

Der Zuschauer erlebt den Konflikt des Paares, das sich glaubhaft auf Augenhöhe begegnet. Kathrin Sudmann, groß, energisch und trotz seiner Versuche, ihr den Ton anzugeben, ihrem Mann im Handeln und Denken mindestens ebenbürtig, trifft in ihm den guten Freund und Sexpartner in einer Person, bis zum Tag X, als durch die Reifenpanne die Wunde aufplatzt. Michael Rahms mimt den feinstofflichen Aristokraten, der mit seiner Kommission die Aufgabe sieht, den Tod von Opfern aufzuklären und dabei die lebendig gebliebenen, traumatisierten Opfer übersieht. Schon gar nicht möchte er, dass das Schicksal seiner eigenen Frau seine weiße Karriereweste beschmutzt. Vieles bleibt im Fragment der Hilflosigkeit und Verzweiflung stecken.

Ort der Handlung könnte Chile sein, immerhin ist Autor Ariel Dorfmann ein argentinisch-chilenisch-amerikanischer Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist. Der Ort des Geschehens könnte aber auch in jeder Diktatur sein.

 
 
- Anzeige -