Stuttgart schafft einen neuen Posten: den Nachtmanager Szeneaffine Fachkraft gesucht

Von Heidi Vogelhuber
Der Nachtmanager soll eine Schnittstelle zwischen Nachtkultur, Behörde und Bevölkerung bilden und vermitteln. ⇥ Foto: dpa

Christian Albrecht und Harald Schmidt aus dem Landkreis Ludwigsburg bewerben sich auf die neu geschaffene Stelle als Stuttgarts Nachtmanager.

Wie können sich Tanzlokal und die Nachbarn über Lärm und Dreck einigen? Wer regelt, wie lang die Bar gegenüber geöffnet haben darf? Wo könnte ein neuer Club entstehen? Und wer setzt sich endlich auch mal für die Subkultur ein? Für all diese Fragen gibt es in Stuttgart bald eine Antwort: Den Nachtmanager.

Bereits Heidelberg und Mannheim sind dem Vorbild aus der niederländischen Hauptstadt Amsterdam gefolgt und haben einen Posten geschaffen, der sich um die Belange der Feierwütigen, der Disko- und Barbetreiber, aber auch der Bevölkerung und der Stadt kümmert. Dieses Bindeglied zwischen allen Gruppierungen soll vor allem eines tun: Vermitteln.

Stuttgart hat nun auch eine solche Stelle geschaffen, jedoch mit einem neuen Ansatz. „Das Modell ist weltweit einmalig und wir sind stolz auf die Idee“, sagt Walter Ercolino, Leiter des Pop-Büros der Region Stuttgart, im Gespräch mit der BZ. In der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt wird die sogenannte „Koordinierungsstelle Nachtleben“ nämlich doppelt besetzt. Eine Person wird in der städtischen Wirtschaftsförderung als verwaltungsinterner Lotse angesiedelt. Diese Stelle wird im üblichen Verwaltungsverfahren besetzt, wie Matthias Pfeiffer von der Wirtschaftsförderung erklärt.

Teil des Pop-Büro-Teams

Eine zweite Person soll eine szeneaffine Fachkraft sein und ist Teil des Teams des Pop‐Büros Region Stuttgart. Diese Person soll dann als Nachtmanager bekannt sein und wird in einem mehrstufigen Auswahlverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit von einer Jury sowie durch ein Online-Wahlverfahren ernannt. Gemeinsam sollen sich die beiden Personen um die Belange des Stuttgarter Nachtlebens und der Nachtkultur kümmern.

Für den Posten des Nachtmanagers stehen 34 Kandidaten zur Wahl, 27 Männer und sieben Frauen. Querbeet haben sich die verschiedensten Menschen beworben, darunter auch zwei aus dem Landkreis Ludwigsburg: Der 55-jährige Harald Schmidt aus Ludwigsburg sowie der 59-jährige Christian Albrecht aus Tamm.

Christian Albrecht ist im Kreis kein Unbekannter, war er doch über 35 Jahre in leitender Position bei der Rockfabrik Ludwigsburg. Seit die Rofa Ende 2019 schließen musste (die BZ berichtete), saß er „zu Hause auf meinem Popo“, wie der ehemalige Rofa-Chef der BZ mit einem Augenzwinkern verrät. „Verstehen Sie mich nicht falsch, ich genieße es sehr, die Abende mit meiner Frau Dani auf dem Sofa zu verbringen, habe ich die letzten drei Jahrzehnte doch immer nachts gearbeitet“, sagt der gebürtige Berliner. Der Traum von einer Rofa 2.0 hatte sich mit Ausbruch der Pandemie im März dann auch erst einmal erledigt, also machte sich Albrecht Gedanken, wie er wieder in Brot und Lohn stehen könne. „Ich bin auf die Ausschreibung gestoßen und war sofort interessiert“, sagt er.

„Die wichtigste Kompetenz ist Mediationsfähigkeit. Das Vermitteln zwischen Stadt, Bewohnern, Clubs“, sagt Ercolino vom Pop-Büro. Aber auch Visionen für die Stadtentwicklung seien nötig und das Wissen um die Nachtkultur. „Alter ist unwichtig, es geht nur um die Qualifikation“, stellt Ercolino klar.

Eben diese Anforderungen bringe Albrecht mit, sagt er über sich. „Ich habe so lange einen Nachtbetrieb geleitet, mit unterschiedlichen Menschen gearbeitet, mit Verwaltung und Stadt zu tun gehabt.“ Eines habe in der Rofa besonders gut funktioniert: Die Gewaltbereitschaft des Publikums strebte gegen Null. „Genau zuhören, um nachvollziehen zu können, was die einzelnen Personen bewegt und darauf mit Respekt und vermittelnd zu reagieren. Das ist meine sehr erfolgreiche Methode“, sagt er.

Die Verbindung zur Stadt und der Region reize den ehemaligen Rofa-Chef auch, „dadurch ist viel machbar und erreichbar“, sagt er. Im Mikrokosmos Rofa habe er Erfahrungen gesammelt, der Posten als Nachtmanager sei thematisch ähnlich, aber eine Nummer größer. „Die Stelle ist auf zwei Jahre befristet. Vielleicht ist dann ja sogar doch eine Rofa 2.0 möglich. Bis dahin will ich viele neue Erfahrungen sammeln und mich kreativ einbringen.“

Aus verschiedenen Blickwinkeln

„Das Thema Clubkultur treibt mich seit rund 40 Jahren intensiv um“, sagt Harald Schmidt. Der 55-Jährige wohnt in Ludwigsburg, hat Architektur und Stadtentwicklung in Stuttgart studiert und arbeitet im kulturellen Bereich als freier Journalist. „Ich habe viele Erfahrungen sammeln können, habe aus verschiedenen Blickwinkeln das Thema betrachtet und bin doch unabhängig und wahre eine professionelle Distanz“, sagt Schmidt. Als DJ habe er gearbeitet, als Pressesprecher in der Veranstaltungsbranche, auch habe er für Zeitungen sowie Musik-Magazine geschrieben. Besonders spannend findet der alleinerziehende Vater Stadtentwicklungsprozesse. Clubs und Szene könnten das Gesicht eines Stadtteils komplett wandeln, sagt Schmidt und nennt den kleinen Schlossplatz als Beispiel.

Aber auch eine Balance zu schaffen, zwischen den gleichberechtigten Teilen der Nachtkultur, liege ihm am Herzen. „Ein Opernbesuch gibt mir genauso etwas wie ein Clubbesuch. Ich möchte keinen Keil dazwischen treiben und die beiden Teile der Nachtkultur nicht gegeneinander ausspielen.“ Wer sich für den Posten am besten eigne? „Das ist eine Stelle, die man selbst definieren muss. Man muss sich selbst neu erfinden“, sagt Schmidt. ⇥

Info Fünf Kandidaten werden durch ein Online-Voting vom 15. bis 25. Januar von Bürgern ausgewählt, weitere fünf durch eine Jury, bestehend aus Mitgliedern des Club-Kollektivs, des Gemeinderats, der Stadtverwaltung, der Dehoga, der Allianz für ein sicheres und lebendiges Stuttgart, des Pop-Büros und der Wirtschaftsförderung. Die zehn Kandidaten präsentieren sich dann am 13. Februar in einer Online-Veranstaltung. Aus den finalen drei Kandidaten wählt das Team des Pop-Büros Anfang März Stuttgarts Nachtmanager.

www.popbuero.de/nachtmanagerin

 
 
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