Tag der Pflege: Wie tickt die neue Pflege-Generation im Kreis Ludwigsburg? Pflege-Nachwuchs trotzt Corona

Von Jonathan Lung
Sie machen an den RKH-Kliniken Ludwigsburg eine Pflege-Ausbildung  (von links): Jakob Feller, Dominik Häußer, Schulleiter Jan Teichert, Rana Öztürk, Esra Menzil, Karin Schöper, Christine Wendler, Aleyna Akbas. ⇥ Foto: Oliver Bürkle

Die Anmeldezahlen für eine Ausbildung in der Pflege an den RKH-Kliniken steigen. Was motiviert junge Menschen gerade in dieser Zeit für diesen Beruf? Ein Gespräch mit Pflegeschülern.

Sieben Männer und Frauen sitzen  in einem Gebäude in der Nähe des Ludwigsburger Klinikums und haben vor, ihr künftiges Leben der Pflege zu widmen. Sie alle gehen auf die Pflegeschule des Klinikums und machen dort entweder die einjährige Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegehilfe oder die drei- beziehungsweise vierjährige Ausbildung zur/zum Pflegefachfrau oder -mann. Warum haben sie sich dafür entschieden?

„Ich habe gemerkt: da kann ich was bewegen“, stellte Jakob Feller nach einem Praktikum im Krankenhaus fest, ähnlich war es bei Karin Schöper, die auch schon während ihrer Schulzeit dort ein Praktikum absolvierte. „Ich habe gesehen, dass die Patienten Hilfe brauchen“, sagt Esra Menzil über ihr Praktikum. Aleyna Akbas will mit der Ausbildung auch ihrer kranken Mutter helfen, in der Lage sein, sie zu pflegen. Christine Wendler wollte schon immer etwas Soziales machen, schon ihr Jugendwunsch sei Krankenschwester gewesen. Rana Öztürk und Dominik Häußer wurden durch ihre Familien motiviert, die in der Gesundheitsbranche tätig sind.

Junge Corona-Tote belasten

„Das war die Hölle“, erinnert sich Dominik Häußer an die Zeit von Dezember bis Januar, als die dritte Welle der Pandemie viele Corona-Patienten in die Notaufnahmen brachte. „Rappelvoll“ sei die Intensivstation gewesen, oft habe reanimiert werden müssen und gut erinnert er sich noch daran, als um Neujahr die ersten 35- bis 40-Jährigen wiederbelebt werden mussten und ein Patient nach 20 Minuten vergeblicher Versuche verstarb. Gerade der Tod jüngerer Patienten, die nicht 80- sondern 40-jährig verstarben, bedrücke, meint auch Christine Wendler. Besonders schlimm seien die schlimmen, akuten und jungen Fälle, bestätigt Häußer. „Das belastet“, meint auch Rana.

Das Team biete da Halt: man spreche viel über das Erlebte, die Kollegen wüssten untereinander auch Mimik und Gestik zu deuten, so Rana Öztürk. „Geht’s dir gut?“ sei eine häufige Frage gewesen. Es sei auch in Ordnung gewesen, wenn man mal eine kurze Pause gebraucht und nicht weiterarbeiten hätte können, beschreibt Häußer den Zusammenhalt im Team. Mit Außenstehenden darüber zu sprechen sei schwieriger.

Einsamkeit der Alten

Durch Corona sei es „jetzt ein ganz anderes Niveau“, auf dem sie arbeiten müssten, selbst wenn die Patienten nicht akut seien, beschreibt es Karin Schöper. Bei ihrem Einsatz auf der Station sei plötzlich die Hälfte Corona-positiv gewesen, erzählt Aleyna Akbas. Ein Mann, den sie lange behandelten, sei schließlich gestorben und sie und die Kollegen saßen mit seiner Frau am Tisch und weinten. Man sehe die Einsamkeit der Alten in der Pandemie, meint Christine Wendler. „Was es bedeutet, isoliert auf einem Zimmer zu sein“, und das über längere Zeit, habe auch Häußers Verständnis vom Beruf verändert.

„Ich habe nicht damit gerechnet, wie viel Corona mit meiner Persönlichkeit, mit meinem Blick auf das Leben verändert“, sagt Schöper, „darauf war ich nicht vorbereitet.“ „Ich bin mit mir selber viel lockerer, viel verständnisvoller“, sagt Öztürk. Reifer habe das Erleben der Pandemie auf den Stationen auch die jüngeren Kollegen und Kolleginnen gemacht, beobachtet Wendler. Trotzdem hat die Pandemie bei keinem grundsätzliche Zweifel an dem Beruf ausgelöst. Im Gegenteil: „Ich habe gesehen, dass das voll mein Ding ist“, erzählt Häußer.

Applaus ist „lächerlich“

Der kurzzeitige Applaus, den es in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres für die Pflegekräfte gab, kam nicht gut an: „Lächerlich und unnötig“, die Anerkennung sei am nächsten Tag wieder verflogen. „Das bisschen Klatschen, da habe ich wenig davon“, bestätigt Jakob Feller. „Jemand, der nicht in der Situation war, schätzt uns wenig“, so Öztürk.

Auch von der Politik ist die Gruppe enttäuscht: „Ich kam mir verarscht vor“, bringt es Dominik Häußer auf den Punkt, besonders, als private Pflegekräfte mit einer höheren Prämie bedacht wurden. Sogar die Altenpflege habe mehr bekommen, weiß Wendler. „Mehr und ehrlicheren Respekt und Anerkennung“, wünschten sie sich, sagt Schöper. „Wir sind ein Zahnrad“, so Wendler, ohne das die Maschine Krankenhaus aber nicht funktioniere.

Ihre Tätigkeit sei „eine Berufung, kein Beruf“ stellt Jakob Feller fest. Wenn es  ihm ums Geld ginge, wäre er bei Porsche, sagt er. Es gebe wegen dem Drei-Schicht-Betrieb keinen nennenswerten Schlafrhythmus, trotzdem müsse man immer hellwach sein, Entscheidungen treffen und nicht zuletzt mit einem Lächeln in die Patientenzimmer kommen, Familienplanung sei schwierig – „ich kann jeden verstehen, der nicht in den Beruf geht“, sagt Häußer.

Klare Ziele

Ihre Zukunft sehen alle langfristig in der Pflege: Notaufnahme, Intensivstation, vielleicht Behindertenarbeit, plastische und allgemeine Chirurgie, Palliativarbeit, sind die Ziele einer neuen Generation von Pflegepersonal an der Pflegeschule Ludwigsburg, an der die Anmeldezahlen zuletzt so gestiegen sind, dass es Wartelisten gebe, so Schulleiter Jan Teichert.

 
 
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