Tag der vermissten Kinder 265 Vermisstenfälle gab es 2021 im Kreis Ludwigsburg

Von Petra Neset-Ruppert
Wenn ein Kind oder Jugendlicher vermisst wird, geht die Polizei davon aus, dass Gefahr für Leib und Leben besteht und leitet deshalb umgehend Suchmaßnahmen ein.⇥ Foto: Helmut Pangerl

Wenn Kinder und Jugendliche vermisst werden, reagiert die Polizei sofort. Am Tag der vermissten Kinder erklären Polizei und Jugendamt was passiert wenn Minderjährige vermisst werden und wie schnell sie wieder gefunden werden.

Am 1. Januar 2022 galten laut Bundeskriminalamt (BKA) 8800 Personen in Deutschland als vermisst. Etwa die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. Zwischen 2018 und 2021 schwankte die Zahl der vermissten Kinder und Jugendlichen: 18 100 Kinder und Jugendliche waren es 2019, 14 500 dann 2021. Deutschlandweit liegt die Aufklärungsquote, laut BKA, bei nahezu 97 Prozent. Anlässlich des Tags der vermissten Kinder hat die BZ nachgefragt und erklärt wie viele Vermisstenfälle es im Kreis gibt und wie Polizei und Jugendamt in diesen Fällen verfahren.

265 Vermisstenfälle gab es im vergangenen Jahr im Landkreis Ludwigsburg. Das bedeutet jedoch nicht, dass 265 Kinder und Jugendliche vermisst wurden. „Gerade bei Minderjährigen kommt es aber häufig zu mehrfachen Vermisstenmeldungen für ein und dieselbe Person, was so nicht ohne weiteres statistisch bereinigt werden kann. Allein eine Person ist dabei ‚Spitzenreiterin’ mit 45 Vermisstenmeldungen, oder anders ausgedrückt: Hinter 45 der 265 Vermisstenfälle steht dieselbe Person, die immer wieder vermisst gemeldet wurde“, erklärt Steffen Grabenstein, Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. „Die Bearbeitung von Vermisstenfällen ist eine der schwierigsten polizeilichen Aufgaben“, betont er.

Was passiert, wenn eine minderjährige Person vermisst wird?

„Minderjährige gelten in jedem Fall als Vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben und ihr tatsächlicher Aufenthalt unbekannt ist“, erklärt Grabenstein. Die Polizei geht in diesem Fall grundsätzlich erst einmal davon aus, dass für die vermisste Person eine Gefahr für Leib und Leben besteht. „Die Intensität der polizeilichen Maßnahmen richtet sich immer am jeweiligen Einzelfall aus. Ganz grob könnte man sagen: Je jünger eine Person ist und je seltener sie als vermisst gemeldet wird, desto höher die Intensität der polizeilichen Maßnahmen“, so der Pressesprecher. Zuerst suchen die Polizeibeamten im näheren Umfeld zum Beispiel bei Verwandten und Freunden. „Manchmal kommt es auch vor, dass ein Kind sich zu Hause versteckt hat und sich trotz rufen nicht meldete, so haben die Beamten manchmal auch die Kinder zu Hause wiedergefunden“, erzählt Grabenstein.

Wenn die Kinder auch im näheren Umfeld nicht gefunden werden können, wird die Suche ausgeweitet, zum Beispiel an Bahnhöfen. Polizeistreifen erhielten dann ein Foto der vermissten Person für die Suche. Auch Drohnen und Wärmebildkameras können bei Bedarf bei einer Vermisstensuche eingesetzt werden. „Hundertschaften, müssen örtlich Sinn machen. Ob diese eingesetzt werden entscheidet die Kriminalpolizei von Fall zu Fall“, so Grabenstein.

Das Jugendamt wird nicht immer informiert, wenn ein Kind vermisst gemeldet wird. Sind die Familien Teil des Landkreis Angebots „Hilfen zur Erziehung“ wird jedoch meistens durch den Träger oder die Familien selbst das Jugendamt informiert, „Da dies für den weiteren Hilfeverlauf relevant ist“, heißt es aus der Pressestelle des Landratsamts Ludwigsburg.

Wie schnell werden vermisste Kinder wieder gefunden?

Das kommt ganz auf den Vermisstenfall ein. Ein sogenannter „Streuner“, also ein Kind oder Jugendlicher, der bereits häufiger von zu Hause ausgerissen ist, wird meistens nach einigen Tagen von der Polizei aufgefunden oder kehrt auch selbstständig wieder nach Hause. „Minderjährige Personen, die eben nicht als Streuner gelten und aus intakten sozialen Umfeldern stammen, werden in der Regel innerhalb von 24 Stunden gefunden“, sagt Grabenstein.

Was bedeutet es, wenn ein Kind häufiger vermisst gemeldet wird?

„Bei vermissten Minderjährigen besteht grundsätzlich immer Handlungsbedarf. Das macht Fälle von ständig vermisst gemeldeten Personen sehr aufwändig in der Bearbeitung, solche ‚Streuner‘ beschäftigen die Polizei quantitativ mit Abstand am meisten“, weiß der Pressesprecher des Ludwigsburger Polizeipräsidiums.

Das Jugendamt kümmert sich in solchen Fällen sehr individuell um die zurückgekehrten Ausreißer. „Es wird individuell geprüft, was die Gründe für die Abwesenheit waren und gegebenenfalls das Hilfesetting angepasst“, wenn die vermissten Minderjährigen sich in den stationären oder Ambulanten Hilfen der Erziehung befinden und somit bereits vom Jugendamt betreut und unterstützt werden.

Gibt es eine besondere Betreuung für Eltern von vermissten Kindern?

„Die Beamtinnen und Beamte der Kriminalpolizei sind im Umgang mit Opfern und Angehörigen geschult und verfügen über viel Erfahrung, Gespräche auch mit emotional aufgewühlten Personen zu führen. Bei Bedarf können auch Hilfsangebote vermittelt werden, zum Beispiel über die Notfallseelsorge“, erklärt Polizeisprecher Grabenstein.

Das Jugendamt hat keine speziellen Unterstützungsangebote für Eltern, deren Kinder länger vermisst waren und dann zurückkehren. „Wenn keine Hilfe zur Erziehung läuft, dann ist die Rückkehr manchmal auch erst der Anlass für Eltern, sich Hilfe zu suchen“, heißt es aus dem Landratsamt. Dann könne man die Familie individuell unterstützen, um in den Alltag zurückzufinden.

 
 
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