Tag des Buches im Kreis Ludwigsburg Von wegen nur Papier

Von Helena Hadzic und John Patrick Mikisch
  Foto: imago/ Shotshop/luftquallenpapst

Was wollen Bücherwürmer wirklich lesen? Und braucht es überhaupt noch Schmöker zum Anfassen?

Heute ist Tag des Buches. Die Bietigheimer Zeitung hörte sich deswegen in öffentlichen Büchereien im Kreis Ludwigsburg um, wie es um die Beliebtheit des Mediums bestellt ist. Denn das Lesen von Büchern hat es nicht leicht, sich gegen andere Freizeitaktivitäten zu behaupten.

Zwar griffen während der Corona-Pandemie mehr Menschen zum Buch und bescherten den Buchhändlern steigende Umsätze. Gerade die Altersgruppe der Zwölf- bis 19-Jährigen las 2020 deutlich mehr, wie der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest in seiner jüngsten Studie „Jugend, Information, Musik“ (JIM) herausfand. Im Schnitt waren es 73 Minuten täglich. Inzwischen hat sich die Spanne laut Studie mit 53 Minuten wieder auf Vor-Corona-Niveau angeglichen.

Und in den Büchereien?

Bildet sich das auch in den öffentlichen Büchereien ab? Die BZ hat im Kreis nachgefragt.

„Die Zahl unser Leserschaft hat sich gar nicht so groß verändert“, sagt Lutz Schützler, Leiter der Stadtbücherei Besigheim. Was sich hingegen verändert habe, sei die Form des Mediums. „Vor zehn Jahren betrug der Anteil digitaler Medien an unseren Ausleihen zehn Prozent. Im vergangenen Jahr waren es 20 000“, sagt Schützler. „Corona hat diesen Trend stark beschleunigt.“

Und das hinsichtlich der entliehenen digitalen Medien: „Scheibe ist out“, sagt Schützler. Die Ursache: „In der Pandemie haben viele einen Streamingdienst abonniert.“ Entsprechend seien die Ausleihen für DVDs und Hör-CDs rückläufig. Dafür würden Hörspielfiguren für die beliebten Tonieboxen immer stärker nachgefragt. Bei digitalen Spielen: „Die Konsole hat den PC abgelöst“, sagt Schützler. Entleiher seien überwiegend Jungs. Untypisch für die Kundschaft, denn die sei zu etwa 80 Prozent weiblich, wie der diplomierte Bibliothekar schätzt.

Das macht sich zumindest bei den Erwachsen auch bei den Buchtiteln bemerkbar. Die am häufigsten entliehenen Bücher 2022 waren in der Besigheimer Bücherei „In enger Freundschaft“ von Nele Neuhaus sowie „Die verschwundene Schwester“ von Lucinda Riley. Die Titel stehen laut Schützler für zwei Trends: zeitgeschichtliche Themen über Frauen und mehrbändige Buchreihen. Letzteres durchaus ein Problem: „Uns fehlt schlicht der Platz. um alle Romanreihen unterzubringen“, sagt der Bücherei-Chef. Im Jugendbereich boomen hingegen Geschichten, in denen Menschen und Tiere ihre Gestalt tauschen können. Sehr beliebt seinen auch Comics zum Computerspiel „Minecraft“ sowie seit zwei Jahren wieder Mangas. „Aber auch die Disney-Enten halten sich wacker“, sagt Schützler.

Doch wie sieht es in anderen Büchereien aus? Etwas anders, wie Elke Ehrler-Berg, Büchereileiterin der Stadtbücherei Sachsenheim, erklärt. Die Zahlen an ausgeliehenen Büchern sind auch hier allgemein zurückgegangen – das läge vor allem am Trend zu digitalen Alternativen. Daher biete die Stadtbücherei Sachsenheim ebenso die „Onleihe“ an. „Damit wird der Abmangel an physischen Kunden kompensiert“, meint Ehrler-Berg. Ob die E-Books die klassischen Bücher als Papier-Schmöker bald ersetzen? Der Ansicht ist sie nicht, immerhin läge die physische Ausleihe immer noch vor jener der digitalen Bücher. Aber: „Der Wandel findet natürlich statt“.

LGBTQ-Bücher im Trend

Dieser zeige sich auch am aktuellen Trend zu LGBTQ-Büchern unter jungen Erwachsenen. Geschichten mit Protagonisten, die divers sind oder eine andere sexuelle Orientierung haben, finden sich ganz oben auf der Liste des „New-Adult“-Genre. Kürzlich hat Ehrler-Berg auch mitbekommen, dass diese Bücher gerne auf den Originalsprachen gelesen werden, sie bestelle derzeit auch englischsprachige Ausgaben. Bei Teenagern sind es auch „Young-Adult“-Schmöker.

Das sah vor ein paar Jahren noch anders aus – da war es vor allem „Fantasy“. Die Twilight-Romane hatten, so Ehrler-Berg, ganz schön was losgetreten. „Heute will die gefühlt keiner mehr lesen“, ist ihr Eindruck. Ein Trend halte sich ihrer Meinung nach etwa zehn Jahre, dann käme es gewöhnlich zu einer Verschiebung. Beim älteren Publikum seien Sachbücher schon lange nicht mehr so angesagt; das könne man nun alles im Internet nachschlagen. Die Tendenz gehe in Richtung Romane und Thriller. Der Ausleihschlager jedoch seien Kinder- und Bilderbücher. diese werden sogar acht bis 14 Mal jährlich ausgeliehen. Sehr beliebt: Bücher mit Dinosauriern.

Christine Blum, stellvertretende Büchereileiterin der Otto-Rombach-Bücherei in Bietigheim-Bissingen, hat während Corona festgestellt, dass die Ausleihe zurückging und die E-Books auf dem Vormarsch waren. Seit Ende Corona sind die digitalen Neulinge trotz eines hohen Niveaus wieder etwas unbeliebter. „Viele finden es wohl einfach schön, wieder in den Bücherregalen zu stöbern“, meint Blum. Physische Bücher haben klar auch ihre Fans, meint sie. Und die Trends? Unverändert die Klassiker: Liebesromane, Krimis und Kinderbücher. Derzeit geht „Melody“ von Martin Suter häufig über die Ausleih-Theke. Bei den Kindern sind es die altbekannten Helden: „Die drei ???“.

 
 
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