Tamm Inklusiver Fußball: ein Volltreffer

Von Walter Christ
30 Kicker versammeln sich am Dienstagabend in Tamm auf dem Sportplatz zum ersten Inklusionstraining. Foto: /Martin Kalb

Der VfB Tamm und die Theo-Lorch-Werkstätten starten ein einzigartiges Miteinander-Projekt. Glücksgefühle beim gemeinsamen Kicken. 

Inklusion, das Miteinander verschiedenartigster Menschen, gewinnt auch im Sport an Bedeutung. Der Verein für Bewegungsspiele Tamm setzt aktuell ein solches Signal für Offenheit und Toleranz in der Gesellschaft und bietet im Schulterschluss mit den Theo-Lorch-Werkstätten ab sofort Fußball „Ganz normal anders“ an. Am 1. April erfolgte der Anpfiff. Fabio Squillantes Idee: ein Volltreffer.

Dienstagabend. An der Asperger Straße in Tamm spielt sich etwas Bewegendes ab. Fachbereichsleiter Sven Koch und Bildungsbegleiter Leo Ventrella, die beiden kompetenten VfBler und Fachkräfte bei den Theo-Lorch-Werkstätten, haben alle Hände beziehungsweise Füße voll zu tun: Kaum haben nämlich neben den beiden Hauptorganisatoren auch WFV-Bezirksvorsitzender Ingo Ernst, Gastgeber-Präsident Wolfgang Kellner und der „richtig stolze“ Tammer Bürgermeister Martin Bernhard das Vorzeige-Projekt über den grünen Klee gelobt, geht auf dem Rasenplatz bei diesem Vier-Mannschaften-Wettbewerb auch schon die Post ab.

Über zwei Duzend Teilnehmer

Insgesamt um die 30 Menschen mit Behinderung kicken mit Feuereifer zusammen mit anderen Balltretern und -treterinnen von jung bis alt. Sie freuen sich diebisch über Tore, feixen statt über Schüsse zu schimpfen, die im Abendhimmel enden, und sind sichtlich vergnügt.

„Das heute war richtig geil“, freut sich der 24-jährige Oli aus Bietigheim-Bissingen trotz des von ihm selbst empfundenen „Chaos“ in seinem Team bereits auf das nächste Event dieser Art in 14 Tagen. Auf die finale WFV-Frage, was ihr absoluter Lieblingssport sei, tönte es aus zig Kehlen, vermutlich bis rauf zum nahen Hohenasperg unüberhörbar: „Fußball.“

Ex-VfB-Trainer als Kopf

Das außergewöhnliche Projekt kam beim VfB Tamm so zustande: Jugendleiter Fabio Squillante setzt sich schon länger ehrenamtlich für Menschen mit Behinderung, Hilfsbedürftige, Schwächere in der Gesellschaft ein. Er hatte bereits vor zwei Jahren die Idee eines sportlichen Miteinanders, stieß damit aber an Grenzen – es fehlte an geschultem Personal.

Da traf es sich gut, dass der ehemalige VfB-Trainer Sven Koch bei den Theo-Lorch-Werkstätten gleichzeitig versuchte, für seine Menschen mit Behinderung auch bei einem Verein eine Möglichkeit zu finden, dem geliebten Fußballsport frönen zu können.

„Dich schickt der liebe Gott“, freute sich Fabio über diese passende Option. Bald waren der Theorie auch schon Taten gefolgt. Am 22. Mai 2024 stieg im VfB-Domizil ein „Inklusionstag“ mit über 60 Teilnehmern, die von Tamm, Heilbronn, Sachsenheim, Oberstenfeld und gar bis aus Bayern gekommen waren.

Ausführliches Konzept

„Die Resonanz an diesem Tag der Begegnung und die Nachfragen waren einfach so megatoll, dass wir das nicht einfach bloß abhaken wollten, und so kam die Idee des kontinuierlichen Trainings auf”, schilderte der 48-jährige Kfz-Innenausstatter die Entwicklung zum jetzigen Novum: Verein und Werkstatt Seite an Seite. Eigens dazu wurde von Abigail Perea ein 17-seitiges Konzept entwickelt.

Bei den Theo-Lorch-Werkstätten bieten laut Kommunikations-Fachbereichsleiterin Isabell D. Brando alle Gruppen- und Teamleitungen einmal die Woche zwei Stunden eine so genannte Arbeitsbegleitende Maßnahme (AbM) für die Beschäftigten an. Diese können zu unterschiedlichen Themen sein, je nach Fähigkeiten oder Hobby.

2019 entschied sich Sven Koch, eine AbM Fußball anzubieten. Das Training war schnell sehr beliebt und bald schon zeigten sich erste Erfolge bei Fußball-Turnieren. Sven Koch: „Das ist ein Riesenspaß für alle und wirkt sich auch positiv auf den Arbeitsalltag aus. Man lernt sich besser kennen und bekommt einen noch besseren Kontakt zueinander.“

Inklusion als Kernauftrag

Mit der Zeit wuchs das Fußballangebot über eine AbM hinaus und nach dem erfolgreichen Tag der Begegnung war sich Koch sicher, dass es konsequent und an der Zeit für diesen nächsten Schritt sei, zumal Fußball in die Vereine gehöre. Außerdem sei es der Kernauftrag, neben Arbeit auch Inklusion anzubieten.

Durch die finanzielle Unterstützung des Württembergischen Landessportbundes und des Württembergischen Fußballverbands wird somit 30 bis 40 Personen auf einmal die Mitgliedschaft in einem Verein ermöglicht. In Baden-Württemberg ist eine Kooperation zwischen einem Verein und einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung noch selten. Darum soll diese Kooperation auch in den ganzen Landkreis hinein strahlen.

Alle zwei Wochen ein Training

Vorgesehen ist nun alle 14 Tage dienstags von 17 bis 18.30 Uhr auf dem VfB-Sportplatz Kicken für jedermann: Menschen mit und ohne Behinderung, Anfänger, Fortgeschrittene, unabhängig von Alter und Geschlecht. Motto: zwangloser Fußballspaß.

 
 
- Anzeige -