Tanzend durch die Bietigheimer Geschichte 70 Jahre Trachtenverein

Von Rena Weiss
Eines der ältesten Bilder, die der Trachtenverein besitzt, zeigt die Bietigheimer Tracht 1894 vor dem Haus Hotel Krone-Post. Heute steht dort das Kronenzentrum.⇥ Foto: Trachtenverein Bietigheim

Der Trachtenverein Bietigheim wurde dieses Jahr 70 Jahre alt. Für Vorsitzenden Gunter Dlabal sei es wichtig, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, um zu sehen, wohin es künftig gehen soll.

Über einen runden Geburtstag kann sich dieses Jahr nicht nur der Trachtenverein Bietigheim freuen, sondern auch dessen Vorsitzender Gunter Dlabal. Beide wurden dieses Jahr 70 Jahre alt. Geburtstagsfeiern gab es zwar nicht, jedoch gebe es dennoch Grund zur Freude, so Dlabal. Denn der Verein habe keine Mitglieder aufgrund der Pandemie verloren und mit den aktuellen Lockerungen könne das Vereinsleben langsam aber sicher wieder losgehen. „Es gab einen absoluten Stillstand“, sagt Dlabal über die letzten rund 15 Monate.

Nachholen wolle man die Feier zum runden Geburtstag jedoch nicht, erklärt der Vorsitzende. Denn zum einen sei es eben „nur“ ein runder Geburtstag und zum anderen lebe eine solche Feier von Besuchen der vielen Vereine, mit denen man befreundet ist. „Der Trachtenverein Bietigheim bringt sich in seinem Dachverband stark ein.“ So werden auch die Kontakte und Freundschaften zu anderen Vereinen gepflegt. Ein gemeinsames Fest sei aktuell keine Option, doch eine Festschrift ist bereits in Arbeit, so Gunter Dlabal.

Seit 1995 ist Dlabal Vorsitzender des Trachtenvereins, der sich am 25. Februar 1951 gründete. In den 26 Jahren als Vorsitzender habe sich die Mitgliederzahl nicht groß verändert. Der 70-Jährige wisse, dass er keinem großen Verein vorsitzt, doch mit der Trachtenkapelle und der Jugend- und Erwachsenen-Tanzgruppen gebe es recht konstant zwischen 30 und 50 aktive Mitglieder. Das sei eine typische Größe für Heimat-, Brauchtums- und Trachtenvereine. „Es ist eine spezielle kulturelle Geschichte, die aber wichtig ist“, sagt er über seinen Verein. Ein solcher Verein sei allerdings auch Aushängeschild für die Stadt, ist er überzeugt. „Eine solche Tracht trägt man mit Stolz.“

Dabei ist das Tragen einer Tracht gar keine Pflicht im Trachtenverein. Das habe sich über die Jahre weiterentwickelt, so Dlabal. „Altes in die heutige Zeit umsetzen und neu gestalten, das ist die Aufgabe des Trachtenvereins.“ Dazu gehöre auch, sich für eine breitere Masse zu öffnen. Dies gelinge, indem das Tanzen und Musizieren nicht als Wettkampf betrieben werde, sondern um gemeinsam Spaß zu haben. So könne auch jeder mitmachen, egal welche Vorerfahrungen oder welche körperlichen Einschränkungen vorhanden seien. Ein weiterer wichtiger Punkt des Trachtenvereins sei das Verbinden der Generationen: „In welchem Verein tanzen denn die Großeltern mit den Enkeln?“

So ist es wenig verwunderlich, dass der Trachtenverein ursprünglich von Familien gebildet wurde. Mittlerweile engagieren sich die Mitglieder sehr in der Kinder- und Jugendarbeit und können sich dadurch immer wieder über neue Mitglieder freuen. Teilweise kommen dadurch auch die Eltern zum Tanzen oder Musizieren. Doch es gebe auch solche, die Vereine im Allgemeinen als Dienstleister betrachten. Zugehörigkeit und Verbundenheit können nur noch schwer dauerhaft bei den Mitgliedern verankert werden. Während also früher die Eltern auch dann noch im Verein blieben, wenn die Kinder nicht mehr dort tanzten oder spielten, sei dies heute nicht mehr ganz so. Die Pandemie habe dabei nicht geholfen, weil der Verein keine Präsenz mehr zeigen konnte, da es keine Veranstaltungen mehr gab. Doch das soll sich sukzessiv ändern.

Das eigene Land präsentieren

Gunter Dlabal selbst habe recht früh Interesse an Trachten und der Geschichte dahinter entwickelt. Als 16-Jähriger war er mit der Arbeiterwohlfahrt beim deutsch-französischen Jugendaustausch in Südfrankreich. Dort kamen Deutsche, Niederländer, Franzosen, Engländer und Belgier zusammen. „An einem Abend sollte jeder sich und sein Land darstellen.“ Die Deutschen hätten dabei die größten Probleme gehabt. Das liege am Krieg. „Dieses Thema wurde in der Nachkriegsgeneration totgeschwiegen. Doch wer nicht weiß, woher er kommt, weiß auch nicht, wohin er will“, sagt Dlabal und nennt damit den wohl wichtigsten Grund, warum der Trachtenverein auch 2021 eine Daseinsberechtigung hat und zurecht sein 70-jähriges Bestehen erleben darf.

 
 
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