Theater in Bietigheim-Bissingen Wenn der Teufel das Leben liebt

Von Gabriele Szczegulsiki
Christian A. Koch, urbayrischer Schauspieler an der Württembergischen Landesbühne Esslingen, brillierte in der Rolle des Boandlkramers. Foto: /Oliver Bürkle

„Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ wird von der Württembergischen Landesbühne im Kronenzentrum aufgeführt.

„Stubenfliegen im Bauch“ hat plötzlich der Boandlkramer, auch Gevatter Tod genannt. Der bleiche, abgerissene, hässliche Tod hat sich verliebt – in die fesche Gefi. Die wiederum soll den Toni heiraten. Der Teufel aber, neben Gott des Boandlkramers zweiter Boss, will dem das ewige Leben schenken, wenn dieser dafür keine Toten mehr in Hölle oder Paradies bringt und damit die Welt ins Chaos stürzt.

Eine Story wie aus einem Michael-„Bully“-Herbig-Film. Und genau so ist es: Gemeinsam mit Ulrich Limmer und Marcus H. Rosenmüller schrieb Herbig das Drehbuch zum gleichnamigen Film, der 2020 erschien, aber wegen Corona nie in die Kinos kam. Exklusiv durfte die Württembergische Landesbühne Esslingen den Stoff auf die Bühne bringen. Ohne Herbig als Boandlkramer, dafür aber mit dem brillierenden Christian A. Koch in dieser Rolle.

Die Zuschauer geraten wegen dem Boandlkramer ins Schwitzen

Vom ersten Moment an zieht Koch in der Rolle das Publikum in seinen Bann. Jeder einzelne Zuschauer gerät anfangs ins Schwitzen, als der Boandlkramer in seine Kladde schaut, um zu sehen, wen er mitnehmen soll. Reihe 5, Platz 19 – „der da mit dem grünen Jackerl“ – und der da wird blass. Stop, verkehrt geschaut, „du bist erst später dran, aber irgendwann hole ich euch alle“.

Es ist der Auftakt zu einer verrückten Theater-Achterbahnfahrt, in der alles irgendwie schräg ist, aber alles auch sehr kreativ. Angefangen von dem Fahrrad mit zwei hochkant aufgestellten Särgen. Die Teufelsgehilfinnen tragen Kleidchen wie Bardamen, die Erzengel goldene Tütüs. Mariachi-Musik, Westernsongs, Balladen, Liebeslied – Thomas Unruh hat einen Soundtrack zum Stück geschrieben, der auch Glockengeläut, Pferdewiehern und Höllenlärm beinhaltet. Jede Szene ist choreografiert wie ein Tanz, von Dramaturgin Barbara Schöneberger und Choreografin Magdalena Wurm. Auch das Bühnenbild ist bemerkenswert. Mit einfachen Mitteln wird das Tor zur Hölle die Pforte zum Paradies.

So muss modernes Theater sein

So muss modernes Theater sein, das klassische Stücke und auch traditionelle, heimatverbundene Themen auf die Bühne bringt. Da ist nichts altbacken oder aufgesetzt – diese Inszenierung brilliert durch ihre Kreativität und ihr Ideenreichtum unter Einsatz aller Künste. Und die Schauspieler – wer den Film kennt und „Bully“ Herbig als Boandlkramer, der kann ihn getrost wieder vergessen, denn Christian A. Koch ist der Boandlkramer schlechthin: tollpatschig, seine Knochen schwingend, ewig buckelnd und unerfahren in der Liebe. Hilfe, ein Charmeur zu werden, erhält er vom Gumberger, dem Heiratsschwindler, der in die Hölle gehört, aber als Tausch für den kleinen Maxl, Sohn von Gevatter Tods Angebeteter, ins Paradies kommt.

Maxl, immer von einem Mädchen gespielt, ist ein schauspielerisches Talent in kurzen Hosen. Weder will er, dass seine Mutter Gefi den Toni heiratet, noch den Tod. Mit dem verbündet er sich, weil er hofft, dass er ihm Vater Anderl aus der russischen Gefangenschaft zurückbringt. Was Kanzler Adenauer und der Boandlkramer auch tun. Der Tod aber merkt, dass die Liebe ewig ist – nämlich die von Gefi zu ihrem Anderl. Dann ist wieder alles, wie es sein soll auf der Bühne des ewigen Lebens, jeder ist zurück auf seiner Position. Und die Zuschauer im Kronenzentrum gehen zurück in ihr Leben, mit ein bisschen mehr Zufriedenheit und Freude über einen überaus gelungenen Theaterabend.

 
 
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