Gemeinsam mit seinem Publikum feierte das Q-Rage-Improvisationstheater den Moment. Anhand von Schlagworten, die das Publikum spontan herausrief, baute das Duo Sandra Hehrlein und Jörg Pollinger am Freitag einen Theaterabend auf, so spontan wie das Leben selbst.
Theater Q-Rage in Sachsenheim Impro-Theater mitten aus dem Leben
Kein Netz, kein doppelter Boden: Am Freitagabend gab es Impro-Theater von Q-Rage im Holderbüschle in Sachsenheim.
Dabei hatte der Humor ganz klar Oberwasser beim Lachmuskeltraining im „Holderbüschle“ in Sachsenheim. Die beiden sind zusammen mit Musiker Michael Fiedler ein Dream-Team, das seine Gaben kennt: Die freie Improvisation.
Nähe zum Publikum
Natürlich entstand an diesem Abend eine Nähe zum Publikum, die im herkömmlichen Theater kaum zu finden ist, denn der Zuschauer führte selbst Regie und war nicht dazu verdonnert, sich passiv berieseln zu lassen. Dabei passierte von allein, was sich jedes Theater wünscht: Es knisterte permanent vor Spannung, denn keiner wusste, wie es weitergeht, nichts war berechenbar. Nichts konnte kalkuliert werden. Den Moment der Geburt einer spontanen Idee erlebten die Zuschauer immer wieder neu. Zwischen den Szenen servierte das Team im Restaurant Holderbüschle den Leuten an den Tischen kleine feine Leckereien.
In der Rolle der kleinen Französin moderierte Sandra Hehrlein charmant und forderte das Publikum zum Beispiel auf, fünf Stichworte zu liefern für einen Sommersong. So mancher im Publikum liebte es, dem Trio vermeintliche Stolpersteine in den Weg zu legen und rief an dieser Stelle „Adventskranz“ oder „Schneemann“. Aber genau damit rechneten die beiden und griffen begeistert auch Schlagworte wie „Zahnprothese“ auf und integrieren sie spontan in ihr Rollenspiel, das nie das Thema verfehlte. Jörg Pollinger, der Schwabe, mimte den Adriano Celentano-Verschnitt mit 70er-Jahre Jackett und dem legendären Golfer-Capi. Beide unterhielten sich auch wie ein altes Ehepaar über die Länge ihrer Szenen und stellten fest: „nicht zu lang, aber dann ist es vielleicht zu kurz?“ Sie riefen nach einem Gegenstand, den man im Sommer unbedingt dabei haben muss. Einer rief den „Regenschirm“ herbei – kein Wunder bei diesem Sommer. Der „Eispickel“ war da schon reizvoller. „Was hebt im Sommer die Laune?“, wollte Pollinger wissen. Beim Begriff „Zahnprothese“ bedankte er sich erleichtert.
So mancher Zuschauer ließ sich vom freien Assoziieren sogar anstecken und konstruierte selbst seine Geschichte zu den genannten Schlagwörtern. Das feierten die beiden Wortkünstler dann besonders.
Nichts vorab abgesprochen
Die Transparenz zum Publikum entstand, weil Hehrlein immer wieder frisch und frei aus dem Nähkästchen plauderte und erzählte, wie Improvisationstheater entsteht und dass hier gar nichts, noch nicht einmal ein bisschen vorher abgesprochen werden könne. Als Pantomime begann sie einen Adventskranz zu binden. Pollinger erschien als dümmlicher Sohn und ein wundervoller Dialog entstand, menschlich und voller Gefühl. Das Improtheater brachte alles ins Spiel, was den Menschen ausmacht. Einmal heulte Sandra Hehrlein direkt los und schlüpfte in die Rolle einer kleinen Schwester, die darunter leidet, wenn der große Bruder sie ärgert. „Bruder und Schwester vertragen sich nicht, Männer und Frauen auch nicht. Unsere Eltern streiten sich ja auch die ganze Zeit“, haute er heraus und wieder fand sich das Publikum von einem Moment auf den nächsten in einer neuen Situation.
Q-Rage zeichnete das Leben nach, ohne es zu intellektualisieren. Am Ende gestaltete Musiker Michael Fiedler in Reimform einen Song, der ebenfalls auf Stichworten aus dem Publikum basierte und improvisierte dazu noch charmant am Keyboard. Ein überaus gelungener Abend.