Vor gut zweieinhalb Monaten hat Annett Kaufmann das erste Mal große Schlagzeilen in der internationalen Tischtennis-Szene geschrieben. Damals trumpfte sie als Küken im Frauen-Team bei den Olympischen Spielen groß auf und hievte die deutsche Mannschaft bis ins Halbfinale. Auch bei der nun beendeten Europameisterschaft im österreichischen Linz war die 18-Jährige aus Bietigheim-Bissingen mit dabei, erneut erreichte sie das Halbfinale, dieses Mal im Mixed-Doppel mit Patrick Franziska.
Tischtennis-Talent Annett Kaufmann „Wenn man nur Negatives sucht, macht das Leben keinen Spaß“
Annett Kaufmann kommt mit der Bronzemedaille im Gepäck von der Europameisterschaft aus Linz zurück. Sie blickt zuversichtlich nach vorne.
Bronze ohne viel Training
Und dieses Mal reichte es auch für eine Medaille. Da bei der EM kein Spiel um Platz drei ausgetragen wird, bekommen beide Verlierer-Teams der Halbfinals Bronze. „Ich bin sehr zufrieden. Wir haben das erste Mal zusammen gespielt, dass es direkt eine Medaille wird, ist mega“, freute sich Kaufmann nach dem Turnier und ergänzte: „Es ist schade, dass es nicht für das Finale gereicht hat, weil wir im Halbfinale auch Matchbälle hatten. Aber auch wenn es schmerzt, bin ich stolz auf die Leistung.“
Denn erwartet hat sie das vor dem Turnier nichts. „Wir haben nicht gesagt, dass wir eine Medaille gewinnen müssen. Wir wussten, wozu wir in der Lage sind, obwohl wir nur 20 Minuten im Vorfeld miteinander geübt haben und haben uns von Spiel zu Spiel gesteigert. Wäre jemand im Vorfeld gekommen und hätte gesagt, dass wir so gut spielen und mit Bronze nach Hause kommen, hätten wir es direkt unterschrieben“, sagt die gebürtige Wolfsburgerin, die schon in jungen Jahren ins Ellental gekommen ist und beim TTC Bietigheim-Bissingen ihre ersten Bälle schlug. Bis 2019 war sie dort aktiv, ehe sie zum SV Böblingen wechselte.
Trotz frühem Aus noch zufrieden
In den anderen beiden Wettbewerben lief es für den neuen Stern am Tischtennishimmel leider nicht so erfolgreich. Sowohl im Frauen-Doppel mit Nina Mittelham wie auch im Einzel schied sie im Sechzehntel-Finale aus. Trotzdem hat sie ihr Ziel erreicht: „Ich wollte ein Spiel gewinnen, weil ich das letzte Mal in der ersten Runde schon raus war.“
Generell geht die Abiturientin mit einer positiven Einstellung und voller Lebensfreude durch die Welt – auch im Sport. „Ich habe hier und da noch ein paar Schwachstellen, aber ich bin ein Mensch und versuche mich nicht nur auf das Negative zu konzentrieren. Wenn man nur Negatives sucht, macht das Leben keinen Spaß“, sagt sie. Im nächsten Jahr will sie sich voll auf ihre Profikarriere fokussieren und nicht mit einem Studium anfangen. „Ich brauche auch einfach Pause vom Lernen“, erklärt Kaufmann lachend. „Nächstes Jahr schaue ich, wie es ist, ob ich ein Studium brauche als Ablenkung oder Nebenbeschäftigung.“
Jugend-WM als nächste Hürde
Doch davor stehen die nächsten Turniere für die 18-Jährige an. Bei der Jugendweltmeisterschaft Ende November in Schweden hat sie noch eine Rechnung offen. „Ich habe letztes Jahr drei Medaillen eingefahren, zwei Mal Silber, ein Mal Bronze“, erinnert sich das Talent. Jetzt dürfte es gerne auch Gold werden, doch geht sie ganz locker an die Aufgabe ran: „Ich stelle mich nicht unter Druck. Ich spiele von Spiel zu Spiel, wenn es für den Titel reicht, bin ich froh, aber ich versuche mich bestmöglich vorzubereiten und mein bestes Tischtennis zu spielen.“
Das Motto für die Bietigheimerin ist klar und sehr erwachsen: „Wenn es klappt, bin ich happy, wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Es ist nur Tischtennis. Auch aus einer Niederlage kann man viel mitnehmen. Ich will mich als Mensch und Spieler weiterentwickeln und dazulernen.“ Auch das WTT Champions in Frankfurt steht für Kaufmann auf dem Plan, dort ist sie per Wildcard nachgerückt.
In der Stadt erkannt
Ein Sieg beim Jugend-Wettbewerb würde definitiv noch weiter etwas für ihre Bekanntheit in ihrer Heimat tun. Immer wieder wird sie in der Stadt erkannt, schlimme Ausmaße hat es zum Glück noch nicht genommen. „Es ist schon überwältigend, aber meine Mutter hilft mir auch viel dabei“, sagt sie, die in Bietigheim eigentlich eher die Ruhe genießen will. „Für mich ist Bietigheim-Bissingen meine Heimat, hier kann ich einfach ich sein.“ Dennoch, die Blicke, die auf sie gerichtet werden, stören sie nicht: „Ich bin dankbar für jede Unterstützung. Ich bin ein Mensch, der kein Problem mit dem Rampenlicht hat“, sagt Kaufmann, aber: „Ich brauch es auch nicht unbedingt. Es ist Fluch und Segen.“