Über die Anbindungung des Bogenviertels gehen die Meinungen auseinander Streitpunkt Bahndurchlass

Von Uwe Mollenkopf
Der Bahndurchlass auf dem ehemaligen DLW-Areal in der Dammstraße. Foto: Martin Kalb

Über die Anbindung des künftigen Wohn- und Gewerbegebiets Bogenviertel in Bietigheim-Bissingen an das Straßennetz gibt es unterschiedliche Ansichten.

Mit Mehrheit hat der Bietigheim-Bissinger Gemeinderat im Dezember einem städtebaulichen Vertrag mit der „projekt Seewiesen GmbH“ zugestimmt, in dem es um die Entwicklung des ehemaligen DLW-Flooring-Geländes geht. Ein Punkt, der für eine Kontroverse sorgte, war die Nutzung des Bahndurchlasses, der von diesem Areal ins Bogenviertel führt (die BZ berichtete). Die CDU konnte sich mit ihrem Ziel, den Durchlass für den Individualverkehr offenzuhalten und dies mit einer Klausel abzusichern, nicht durchsetzen. Neun Stadträte (acht von der CDU, einer von der FDP) stimmten daraufhin gegen den Vertrag. Nach der Niederlage im Gremium setzt die Union die Diskussion nun aber online fort.

Auf Facebook verweist der CDU-Stadtverband auf einen Blog-Beitrag von CDU-Stadtrat Jürgen Weller, in dem sich dieser mit dem Durchlass-Thema befasst. Unter der Überschrift „Ideologie schlägt Vernunft“ wirft Weller der Ratsmehrheit im Verbund mit der Rathausspitze vor, aus dem neuen Wohn- und Gewerbegebiet Bogenviertel, auf dem nahezu 800 Wohnungen gebaut werden sollen, das Auto möglichst heraushalten zu wollen. Deshalb solle dieses  „nur ganz umständlich, quasi wie durch einen Flaschenhals, an die B27 angeschlossen werden“. Das sei jedoch „reines Wunschdenken“, so Weller. „Für uns steht fest: Die zukünftigen Bewohner des Bogenviertels werden Autos haben. In vielen Fällen wird man sogar mit zwei Autos pro Wohneinheit rechnen müssen, da es in der Regel zwei Verdienende braucht, um die hohen Preise für Neubauwohnungen zu bezahlen. Und es kann (oder will) eben nicht jeder für den Weg zur Arbeit Bus und Bahn nehmen.“

Durchlass „ein Glücksfall“

Deshalb sei es für die Verkehrsanbindung des Bogenviertels „eigentlich ein Glücksfall, dass es heute schon im Rücken des Areals unter den Bahngleisen einen kleinen Durchlass gibt“. Dieser Durchlass liege vollständig auf dem (gesperrten) DLW-Werksgelände, so dass ihn die meisten Bürger noch nie benutzt haben, stellt Weller fest. Er könne aber eine zweite Anbindung des Bogenviertels an das städtische Straßennetz werden. „Ein Teil des Verkehrsaufkommens könnte aus dem neuen Wohnviertel so direkt zur Geisinger Straße und ans Poststräßle geleitet werden, also auf kurzem Weg Richtung Ingersheim oder Richtung Stuttgart.“

Im mehrheitlich abgesegneten Vertrag mit der „projekt Seewiesen GmbH“ ist hingegen festgelegt, dass „außer in Umleitungsfällen über das Gebiet Verkehr vom und zum Bogenviertel nur in Form von ÖPNV, Fußgänger- und Radfahrverkehr stattfindet“. Aus Sicht der CDU habe man dadurch „ohne Not“ frühzeitig eine vielleicht entscheidende Verkehrsoption aus der Hand gegeben.

Die Reaktionen auf Facebook fallen unterschiedlich aus. Auf der einen Seite gibt es Unterstützung. Die Verkehrssituation auf der B27 frustriere die meisten Bürger jetzt schon, schreibt ein Facebook-Nutzer. Hier die Karten aus der Hand zu geben und den Durchgang für abfließenden Verkehr zu sperren, sei fern der Lebensrealität vieler Menschen. Andere Nutzer kritisieren die CDU. Diese wolle das Bogenviertel als Durchfahrts-Viertel haben, so lautet eine Antwort. Die Kritik am Verkehrskonzept sei populistisch und von vorgestern, ist zu lesen.

Die Vermeidung von Durchgangsverkehr durch das Bogenviertel ist nach Auskunft von Anette Hochmuth, der Sprecherin der Stadt, auch ein wesentlicher Grund für die jetzt getroffene Abmachung. „Mit einer Durchgangsstraße durch das Bogenviertel würde man Verkehr zum Beispiel vom Poststräßle ins Wohngebiet verlagern“, verteidigt sie den Beschluss. Gemeint ist die Route zwischen Bissingen und Büttenwiesen/Ingersheim. Ohne die Durchgangsstraße gebe es weniger Lärm und Luftschadstoffe im Bogenviertel. Für eine Durchgangsstraße müssten zudem die geplanten Verkehrsflächen deutlich vergrößert werden, sodass dort weniger Wohnungen geschaffen werden können, bei geringerer Wohnqualität.

Hinzu komme, dass der Durchlass mit einer Breite von circa 6,50 Metern auch nicht für Kraftfahrzeugverkehr im Begegnungsverkehr ausreiche. Abzüglich eines Gehwegs mit einer Breite von 2,50 Metern verbleiben rund vier Meter. „Hier wäre Signalisierung nötig, sodass immer nur eine Richtung fahren könnte, was zu langen Staus führen würde“, so die Sprecherin. Der Bahndurchlass könne aber dann als Route für den Autoverkehr dienen, wenn die Zufahrtsstraße des Bogenviertels gesperrt werden muss, zum Beispiel Straßenarbeiten oder größeren Unfällen.

Verkehr limitieren

Außerdem will die Stadt auch in dem in Neuordnung befindlichen Gewerbegebiet „Geisinger Straße/ Seewiesen“, das jenseits des Bahndurchlasses liegt, nicht zusätzlichen Verkehr aus dem Bogenviertel haben. Der Verkehr dort müsse zur Bewältigung des Verkehrsaufkommens in der Geisinger Straße bereits zum jetzigen Zeitpunkt eingeschränkt werden, so Hochmuth. Um die im Rahmen des Lärmaktionsplans für die Geisinger Straße bereits ergriffenen Maßnahmen nicht zu unterminieren, werde die vom Gewerbegebiet „Geisinger Straße/ Seewiesen“ erzeugte Verkehrsmenge vertraglich limitiert. „Somit kann über das Gewerbegebiet kein zusätzlicher Verkehr aus dem Bogenviertel abgewickelt werden.“ Im Gegenzug müsse ausgeschlossen werden, dass der Verkehr aus dem Gewerbegebiet „Geisinger Straße/ Seewiesen“ sich über das Bogenviertel abwickelt. „Auch hier wird der Knotenpunkt zur B27 alleine schon durch den Verkehr des Bogenviertels ausgelastet sein.“

Aus diesen Gründen habe sich die Mehrheit des Gemeinderats aus Sicht der Stadt zurecht für die jetzige Planung entschieden. Weder im Bogenviertel noch in den Seewiesen könne zusätzlicher Verkehr sinnvoll durchgeleitet werden, so die Sprecherin.

 
 
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